Web 2.0 auch für Wissenschaft im Dialog?

Wissenschaft im Dialog (existent seit 1999/2000 und initiiert vom Stifterverband für die deutsche Wissenschaft) versteht sich als Kompetenzzentrum mit dem Ziel, den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu stärken. Dahinter stehen die großen deutschen Forschungsorganisationen (wie DFG), das Bundesforschungsministerium und eben der Stifterverband.

Neu ist hier nun eine Rubrik, die sich Wissenschaftskommunikation nennt und dabei speziell auch dem Bloggen und Publizieren im Internet widmen will. Wörtlich heißt es: „Der Umgang mit neuen und klassischen Medien will gelernt sein. In der Rubrik Wissenschaftskommunikation geben wir Tipps für die zeitgemäße Vermittlung von Forschungsergebnissen, berichten über Symposien und informieren über Preise, die für gute Wissenschaftskommunikation vergeben werden.“ Steht ein bisschen im Widerspruch zu meinem Beitrag zur Schwierigkeit des Publizierens im Netz, wenn man gleichzeitig in wissenschaftlichen Journalen mit Peer-Review veröffentlichen will (wozu es auch einige interessante Kommentare gab – hier nochmal zum Nachlesen). Vielleicht sind das ja die ersten Steine für die Pflasterung eines neuen Wegs – der aber sicher lang sein wird und für den eine Web-Seite allein freilich nicht ausreicht.

Auch auf bloggende Wissenschaftler wird in der neuen Wissenschaftskommunikation-Rubrik (hier) hingewiesen, u.a. auf Scienceblogs – ein Angebot, über das ich erst kürzlich mit meinen Mitarbeitern diskutiert habe. Es stand die Frage im Raum, bestehende Blogs von uns oder ein neues gemeinsames Blog unter diesem Dach fortzuführen oder zu starten. Es siegte der Freigeist der Blogger – mit allen Vor- und Nachteilen, die uns durchaus bewusst sind ;-).

Einmal online und kein Peer-Review mehr?

Eigentlich versuche ich meine Mitarbeiter/innen ja immer mal, Arbeitsberichte zu veröffentlichen, um in kürzeren Zyklen und mit großer Aktualität interessante Gedanken und Ergebnisse bekannt und zugänglich zu machen. Früher, als ich noch bei Heinz Mandl an der LMU München gearbeitet habe, war es an sich gängige Praxis, Forschungsberichte auch dann zu verfassen, wenn geplant war, diese irgendwo als Zeitschriften- oder Buchbeiträge einzureichen. Das waren dann quasi Preprints und Vorversionen, denn z.B. bei Einreichungen mit Peer-Review kommt es ja – sinnvollerweise – oft genug noch zu Änderungen, im besten Fall Verbesserungen der Texte. Bei den meisten Zeitschriften geht nun genau das seit längerem schon nicht mehr. Gerne hätte ich z.B. meinen Beicht zum Thema Selbstorganisation in ein Review-Verfahren gegeben – geht nicht (mehr). Ist es dann noch schlau, Nachwuchswissenschaftlern zu Online-Publikationen zu raten, die zur sog. „grauen Literatur“ gehören? Komischerweise sind genau das die Texte, die sich am weitesten verbreiten – die aber keinerlei Wert etwa bei Bewerbungen um akademische Stellen haben.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um Open Content ist das schon eine irgendwie anachronistische Angelegenheit, für die man eine vernünftige Lösung finden müsste. Nun bin ich ja auch an einer Zeitschrift beteiligt (Zeitschrift für E-Learning) und wir setzen uns seit längerem immer wieder mit der Frage auseinander, wie wir für uns die „Open Content“-Frage lösen (ich verspreche es: Wir lösen es auch irgendwann) . Mir ist also das Problem nicht nur seitens der Autorenrolle, sondern auch seitens der Herausgeberrolle bewusst – und auch die Sicht der Verlage ist mir da durchaus bekannt (wobei in unseren Fächern Privatpersonen sehr selten ein Abo haben; meist sind das Bibliotheken).

Die Sache mit der online publizierten „Grauen Literatur“ allerdings ist ja nochmal eine etwas andere Angelegenheit: Da geht es dann um die Frage, ob der Beitrag für eine Zeitschrift wirklich Neuheitswert hat. Natürlich ist der im Falle einer Online-Vorabversion in gewisser Weise eingeschränkt. Da eine Online-Vorabversion allerdings sehr schnell möglich ist, ist damit über den Aktualitätsgrad ja noch gar nichts gesagt: Umgekehrt ist es immer wieder frustrierend, wenn Beiträge in Zeitschriften erst nach einem Jahr oder länger endlich publiziert sind (wo ist da eigentlich der Neuheitswert, mal zeitlich verstanden?) Wie auch immer: In der Folge ist es einfach sehr schade, dass solche Beiträge systematisch aus dem Peer Review ausgeschieden werden. Ach, das wäre ein wichtiges Thema für die diesjährige GMW gewesen – na ja, vielleicht ergeben sich in den pausen entsprechende Gespräche oder es findet sich ein spontaner Ad hoc-Workshop mit Ideengenerierung am Rande zusammen.

Trends beschreiben oder setzen?

Das Institut für Medien- und Kompetenzforschung (ein privates Forschungsinstitut; das ist aus meiner Sicht schon wichtig zu wissen, da der Begriff „Institut“ eine Verbindung zu Hochschule nahelegt) hat einen neuen Trendmonitor zum E-Learning in Unternehmen (online hier abzurufen) vorgelegt (siehe auch den Blogbeitrag dazu von Jochen Robes). Zugrunde liegt eine Befragung von 53 Experten aus der „Bildungswirtschaft“, die auf der CeBIT befragt wurden (das Vorgehen wird kurz auf Seite 9 dargestellt). Nicht ganz klar ist mir, inwiefern es sich dabei wirklich um eine Delphi-Befragung (hier findet man eine gute Darstellung der Delphi-Methode von der Uni Leipzig) handelt, der mindestens zwei Befragungszyklen zugrundeliegen müssen (diese sind mit dem Hinweis auf Interview und Online-Fragebogen zu erahnen, aber leider nicht genau zu erkennen). Soweit zum Methodischen.

Was die Ergebnisse angeht, so zeigt sich u.a., dass Learning Management Systeme kaum mehr eine Rolle spielen, wobei zu vermuten ist, dass diese zur Selbstverständlichkeit geworden sind (was man z.B. an Hochschulen oder gar Schulen leider immer noch nicht in dieser Form behaupten kann). Online-Communities und Wikis wird eine hohe Zuwachsrate prognostiziert. E-Leraning und Wissensmanagement werden – so heißt es – „einander näher kommen“ (siehe hierzu auch das Themenheft der Zeitschrift für E-Learning aus dem letzten Jahr, wo wir ja offenbar einen Trend vorweggenommen haben ;-)). Interessant fand ich schließlich folgenden Satz: „Dass Hochschulen für die Weiterbildung in Unternehmen künftige eine „wichtige Rolle“ spielen werden, erwartet etwa jeder zweite Experte (48%), und 41 Prozent rechnen damit, dass Open Content sich stärker durchsetzt und „jeder Lerncontent verändern und weiter vertreiben“ kann.“ Mich würde interessieren, wie diese Rolle aussehen könnte – hoffentlich nicht nur so, dass man von den Hochschulen die Bereitstellung von Open Content erwartet – das wäre ein bisschen mager und vor allem sehr einseitig.

Ich finde solche „Trendmonitore“ sehr interessant – nicht nur im Hinblick auf ihre Ergebnisse. Interessant ist nämlich auch die Frage, welche Funktionen sie erfüllen: Wird ein Trend aufgezeigt (dann wäre man ausschließlich beschreibend tätig)? Oder wird er eher gemacht (indem Entwicklungen quasi herbeigeredet oder auch mitgestaltet werden)? Wahrscheinlich ist es beides! Wer auch immer jeweils „die“ Experten sind: Sie geben natürlich ihre Beobachtungen wieder, aber sie äußern selbstverständlich auch ihre persönlichen Präferenzen und Erwartungen. Damit möchte ich Prognosen dieser Art nicht abwerten: Ich denke nur, dass man sich als Beteiligter wie auch als Rezipient dieser Doppelfunktion bewusst sein sollte.

Medidaprix 2008: Beiratssitzung

Am Donnerstag Abend (26.06.08) bis Freitag Spätnachmittag (27.06.2008) ist der neue Beirat des Medidaprix 2008 an der Donau-Universität Krems unter Leitung von Peter Baumgartner zusammengetreten. Leider waren nicht alle Beiratsmitglieder (hier der Überblick) da, aber immerhin die Mehrheit ;-). Der Medidaprix hat 2008 eine Neuausrichtung erfahren. Ich zitiere aus der Web-Seite: „In der neuen Ausschreibungsrunde sollen nun auch verstärkt Initiativen zur Entwicklung frei zugänglicher Bildungsressourcen und alles was für deren breite Nutzung notwendig ist (z.B. Austauschmodell, Qualitätssicherung, Metadaten, geeignete Lizenzierung etc.) in den Blickpunkt kommen. Damit will der MEDIDA-PRIX einen weiteren Schritt zur Verstetigung und Nachhaltigkeit digitaler Medien erreichen und andererseits sich auch als Teil des internationalen Trends zu Open Educational Resources begreifen.“

Ich meine, das ist eine sinnvolle Neuausrichtung, auch wenn die nicht bedeutet, dass ausschließlich explizite OER-Projekte eine Chance hatten weiterzukommen. Auf jeden fall hat diese Neuausrichtung meine Unterstützung; sollten doch zumindest die staatlichen Hochschulen von Neuerungen langfristig profitieren können, die sie durch eigene finanzielle und personelle Ressourcen geschaffen haben. Über die „Koexistenz“ offener und kommerzieller Angebote, Werkzeige und Strategien gab es interessante Diskussionen, denn es ist ja jetzt keineswegs so, dass man wirtschaftliche Initiativen quasi an den Pranger stellt oder gar anti-ökonomische Fronten aufbaut. Vielmehr geht es um die Frage, zu welchem Zweck unter welchen Bedingungen in welchen Kontexten welchen Strategien der Vorzug zu geben ist. Aber das nur am Rande.

Geändert wurde 2008 auch das Evaluationsverfahren. Vor zwei Jahren war ich auf dem Gutachterworkshop nach dem „alten Verfahren“ in Tübingen (ich habe hier davon berichtet). Ich hatte damals das Gefühl (und habe es immer noch), dass man infolge der intensiven Diskussionen den Mühen der Einreicher durchaus gerecht geworden ist. Trotzdem finde ich die jetzt vorgenommenen Änderungen positiv – sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf die Effizienz des Verfahrens: Als Hintergrundtext wird auf der Web-Seite des Medidaprix auf einen einschlägigen Artikel verwiesen (hier). Ziel ist es, statt einer quantitativen Aufsummierung verschiedener Bewertungen eine qualitative Gewichtung zu erreichen. Ich kann an der Stelle nicht auf die vergleichsweise komplexen Einzelheiten eingehen, aber ich kann auf jeden Fall sagen: Auch in diesem Verfahren geht man sorgsam mit Einreichern und Gutachtern um, es wird diskutiert und abgewogen und man muss keine Angst haben, dass der Preis nach einem intransparenten Prozedere vergeben wird, wie das im Kontext anderer Preise, die teilweise kommerziellen Hintergrund haben, leider allzu oft der Fall ist.

Ich hoffe, dass die Neuausrichtung in den verschiedenen Aspekten gelingt und uns der Medidaprix noch lange erhalten bleibt: Digitale Medien zur Verbesserung der Hochschullehre einzusetzen, ist ja schließlich kein Thema, das sich bereits erledigt hätte – im Gegenteil!

Visonen leben, Wissen nutzen

„Visionen leben. Wissen nutzen. Die besten Lehrkräfte für Deutschlands Schulen der Zukunft!“ (Link zur Broschüre). Wer würde widersprechen wollen, dass das hehre Ziele sind. Morgen (am 14. Juni 08) geht diese zweite Workshop-Runde einer D21-Initiative in Frankfurt (die erste war in Lübeck) zu Ende, in dessen Beirat ich sitze (ich habe an anderer Stelle, nämlich hier, bereits darauf verwiesen).

Nun konnte ich mir an zwei Tagen selbst ein Bild, jedenfalls von einer kleinen Gruppe von Referendaren/innen machen, welche die Substanz dieser „Exzellenzinitiative“ bilden: Gemeinsam sollten wir in einem komplett offen konzipierten Workshops Ideen für das persönliche Wissensmanagement mit Web 2.0 generieren – keine leichte Aufgabe, denn: Das Ziel ist eher vage, man soll alle hinderlichen Rahmenbedingungen aus dem Alltag einfach mal ausblenden (leichter gesagt als getan) und letztlich ist noch nicht so ganz klar, was mit den Ideen dann am Ende passiert.

Jedenfalls hatte ich am zweiten Tag mit „meiner“ Gruppe durchaus interessante Diskussionen und für mich war es spannend mitzuerleben, wie die Akteure vor Ort (wenn es um Schule geht) mit verschiedenen Themen und Herausforderungen umgehen. Die Ergebnisse der Workshops werden in einem Blog (hier) zugänglich gemacht. Aber wie gesagt. Leicht ist das nicht und ich wünsche mir sehr, dass die Ergebnisse am Ende nicht sang- und klanglos verpuffen. Heute und morgen wird/wurde die Gruppe von Frau Schweder (ein paar Infos zu Frau Schweder hier) übernommen.

Eine kleine Talkrunde gab es am Freitag dann auch noch: Moderiert von Jeanette Otto von der ZEIT haben Arne Klempert (Wikimedia Deutschland e.V.), Frank Sauerland (Direktor des Amtes für Lehrerbildung in Hessen) und ich über eine sehr bunte Palette von Fragen zu digitalen Medien in Schule und Lehrerbildung diskutiert. Ich sollte ein kurzes Eingangsstatement halten, das ich dann aber nach Absprache mit der Moderatorin wirklich ganz kurz gehalten und dabei die interessante Diskussion in Mandys Blog (hier) als Grundlage herangezogen habe. Da war an sich schon jedes Argument drin, das man bringen kann – und ehrlich gesagt, sind wir bei unserer Diskussion darüber (leider) auch nicht hinausgekommen. Man hat das Gefühl, dass unsere Schulen etwas lähmt, von dem man nur ahnt, was es sein kann und das man vor allem immer da sucht, womit man selbst nichts zu tun hat: Wissenschaftler, Lehrer, Schüler, Schulleiter und Politiker (und natürlich auch Vertreter der Wirtschaft) schieben sich da mitunter gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Ja, und das ist letztlich der Grund, warum ich bereit war, diese „Exzellenzinitiative“ (obschon ich das Wort ja ehrlich gesagt nicht so mag) unterstützen: Weil man es sicher an allen Enden und Ecken versuchen muss, was zu ändern und man eh nicht weiß, was der goldene Hebel ist (falls es den überhaupt gibt). Und für die teilnehmenden Referendare/innen ist es in jedem Fall ein Gewinn, sich mal auf diese Weise ausgetauscht und so manche Möglichkeiten und aktuelle Problemlagen reflektiert zu haben. Schüler/innen: Hoffen wir, dass bei euch was ankommt!

Ranking – Nachtrag

Ach ja, was mir noch wegen des CHE-Rankings und der Forschungsreputation eingefallen ist: Schon bei der Eingruppierung in die Fächergruppe beim CHE gab es bei unserem Studiengang Probleme: Die Mischung aus Kommunikationswissenschaft einerseits sowie pädagogisch-didaktischen und technischen Aspekten anderereseits, führt dazu, dass wir in der jetzigen Fächergruppe an sich nur teilweise gut aufgehoben sind. Wir versuchen uns halt tatsächlich an einem interdisziplinären Studiengang und folglich sind wir, die wir den Studiengang tragen, auch in recht verschiedenen wissenschaftlichen Communities verhaftet – das macht die Frage nach der Reputation in der Forschung sicher schwierig, denn es kommt jetzt ganz darauf an, wen man wonach gefragt hat. Überhaupt denke ich ja nach wie vor, dass sich nur wenige Wissenschaftler mit einer Instititution, dafür aber mehr mit ihrem Fach und eben der dazugehörigen Community identifizieren.  Gott sei Dank!! Einen Kult um eine „Corporate Identity“ einer Universität (wie in der Wirtschaft) – das wäre wirklich das letzte, was ich jetzt noch gebrauchen könnte – ich finde Personen und Inhalte interessanter ;-).

Programme for the International Assessment of Adult Competencies

Die OECD-Mitglieder haben im März 2008 grünes Licht für ein Projekt zur „Erfassung des Wissens und der Fähigkeiten von Erwachsenen“ gegeben (hier die Meldung. Das Kürzel ist nicht ganz so eingängig wie PISA – es lautet PIAAC: Programme for the International Assessment of Adult Competencies. Schwerpunkt sollen die kognitiven und beruflichen Fähigkeiten (genauer: das Kompetenzniveau in Mathematik, Leseverständnis und beim Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien) sein, die zur erfolgreichen Teilnahme am Arbeitsleben Voraussetzung sind. Es soll daneben untersucht werde, wie diese Kompetenzen Einkommen, Beschäftigung und die Fähigkeit zu lebenslangem Lernen beeinflussen.

Ich finde das gar nicht schlecht, was mich aber stört ist, dass der primäre Fokus mal wieder auf der Frage liegt, ob und inwieweit Wissen und Fähigkeiten der Erwachsenen dergestalt sind, dass es sich (so heißt es auch in der Pressemeldung dazu) positiv auf das „Humankapital“ der Länder im globalen Wettbewerb auswirkt. Wäre es nicht auch wichtig, neben dem verwertbaren Kompetenzniveau nach einem Bildungsniveau zu fragen und es zu untersuchen, das z.B. Demokratiefähigkeit i.w.S. stärkt? Kritikfähigkeit in einer Welt, die von Medien durchsetzt ist? Toleranz und Aufgeklärtheit in Gesellschaften, in denen religiöse Konflikte zunehmen? Ich bin kein „Ökonomiefeind“: Die Wirtschaft ist ein ganz wesentlicher Teil unserer Gesellschaft; Arbeit ist Teil des Lebens von Erwachsenen und sie ist wichtig nicht nur für den Lebensunterhalt, sondern auch für die eigene Identität. Unternehmerisches Denken ist eine spannende Angelegenheit und Unternehmen können viel bewegen, wenn sie verantwortungsvoll wirtschaften. Wir alle müssen täglich ökonomische Prinzipien berücksichtigen – und das ist im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen gut so. Warum aber engen wir in den letzten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten, beinahe alles darauf ein?

Zurück zu PIAAC: „Leseverständnis“ – das ist z.B. hervorragend, dass man das erheben will (Nachtrag: Fragt sich nur wie; siehe hierzu den Kommentar zu diesem Beitrag): Denn nur wer lesen kann, wer versteht, was er/sie liest, wird in unserer Gesellschaft zurecht kommen. Es ist auch eine Voraussetzung für eigene Artikulationsfähigkeit – aber die brauche ich ja bei Leibe nicht nur, um meinen Job gut machen zu können: Das ist die Eintrittskarte für Teilhabe an einer Gesellschaft (und die besteht nicht nur aus Ökonomie, sondern auch aus Kultur und Politik), für sozialverträgliche Problemlösungen und und und. Ich glaube, es wird klar, was ich meine …. Mal sehen also, wie PIAAC letztlich umgesetzt wird: In den kommenden zwei Jahren wird das Instrumentarium entwickelt, 2010 soll es getestet werden, 2011 ist die erste Untrsuchung geplant.

red-ink und was wir damit zu tun haben

Nun ist er weg – unser Tobias – und wird die kommenden Jahre dazu beitragen, „to rethink education in the knowledge society“ – das nämlich steckt hinter dem Kürzel „red-ink“ (ich gebe zu: das ist einigermaßen originell). Tobias selbst wird uns hoffentlich auf seinem Blog ein wenig auf dem Laufenden halten – immerhin gehört die öffentliche Reflexion ja zur modernen Wissensgesellschaft – oder auch nicht (siehe z.B. kritische Stimmen, allerdings vor allem mit Blick auf den ökonomischen Raubbau am Web 2.0, hier – ein Tipp von Jochen Robes).

Ja, das ist immer so eine Sache – an der Uni: Im Moment haben wir eine ziemliche Fluktuation, was normal ist, denn an der Universität halten sich nun mal die wenigsten Menschen sehr lange, sondern eher vorübergehend auf. Aber bei Tobias ist das schon sehr schade, dass ich ihn zu diesem Schritt, also dazu raten musste, uns zu verlassen und diese Chance in der Schweiz zu ergreifen – alles andere wäre angesichts der Tatsache, dass wir nicht nur eine Forschungs-, sondern auch eine Bildungsinstitution sind, für mich nicht vertretbar gewesen – auch, wenn ich den Schaden habe (klingt jetzt selbstlos, ist es vielleicht auch ;-)). Ach ja, wer will, kann noch schauen, was Tobias letzte Leistung bei uns war: Seine Masterarbeit.

Tagungsrückblick – Schule als Learning Community

Netzwerkbildung und Wissensteilung: Schule als Learning Community: Es war der erste Versuch einer gemeinsamen Tagung: Unser neues Institut zusammen mit der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen und ich denke, es ist gut gelungen: Wer Lust hat, kann sich im Blog zur Tagung einen Überblick darüber verschaffen, was gelaufen ist, nämlich hier. Mit Herrn Jancke, Peter Baumgartner und Beat Döbeli haben wir sehr gute, motivierend vortragende Referenten gewonnen, die denn auch alle begeistert haben – am meisten wohl Herrn Döbelis Analogie zwischen „mobile oder ubiquitous learning“ einerseits und dem Mobile an der Decke andererseits (die Beiträge können im Blog übrigens auch nachträglich noch kommentiert werden).

Die Intention, den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis in puncto digitale Medien und Schule anzuregen, wurde verstanden und so gut es geht auch umgesetzt! Jedenfalls lassen die Rückmeldungen darauf schließen. Herr Rau, Sandra und Tamara haben bereits in ihren Blogs berichtet.

Mein Fazit: Solche Veranstaltungen sind wichtig! Man muss aber natürlich auch aufpassen, dass man keine falschen oder unrealistischen Erwartungen weckt: Ich hatte nur in einem kleinen Satz bei meiner Einführung darauf hingewiesen, dass man in der (Schul-)Praxis wenig weiß, dass und wie die aktuelle Forschungsförderung Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Feld (wovon Lehrende direkt profitieren können) bisweilen sehr schwer macht; dazu kommt, dass diese Arbeit für Wissenschaftler weder rühmlich noch karrierefördernd ist (siehe hierzu den Band, den ich mit Joachim Kahlert herausgegeben habe). Und selbst diejenigen, die den Kontakt zur Praxis suchen und ihn wie z.B. über eine solche Tagung auch herstellen, haben freilich nicht unendlich viel Zeit und können nicht jedem interessierten Lehrenden IMMER ein offenes Ohr schenken: Lehre und vor allem Verwaltung fressen einen mitunter auf,;dazu kommt die Jagd nach Fördergeldern, ohne die viele von uns keinen einzigen Mitarbeiter hätten. Von daher braucht man beides: die „kleinen Lösungen“, wie wir sie am Freitag und Samstag in Dillingen praktiziert haben, aber letztlich doch AUCH die von mir angesprochenen, aber während der Tagung (sinnvollerweise nicht weiter thematisierten) „großen Lösungen“ (hochschul- und bildungspolitische Änderungen) (ich hänge hier nochmal meine Eingangsworte an: Einführung_Dillingen_Jan08).

PISA-Kritik-Buch und was das auch mit Bologna zu tun haben könnte

Erst jetzt habe ich – anlässlich eines aktuellen Beitrags in Forschung und Lehre – ein Interview mit Thomas Jahnke zu seinem Buch „PISA & Co. Kritik eines Programms“ gefunden, nämlich hier: Ich kann viele Punkte dieser Kritik nachvollziehen, frage mich aber gleichzeitig, warum man das Assessment-Problem einfach nicht in den Griff bekommt bzw. warum sich da ständig solche Gräben zwischen denjenigen auftun, die jede Form von Assessment wie auch Evaluation strikt ablehnen, und denjenigen, die meinen, damit die Welt retten zu können. Gut, Extrempositionen sind in der Regel besser zu vermitteln, aber geht es nicht doch auch anders? Ich meine, Assessment in Schule UND Hochschule KANN hilfreich sein – für alle Seiten, wenn es einem gelingt, dieses mit Lernen und Lehren sinnvoll zu verbinden. Vielleicht kann man diese Argumentation (siehe dazu einen Arbeitsbericht aus dem letzten Jahr) auch im PISA-Zusammenhang aufgreifen?

Mitunter bin ich hin- und hergerissen: Auf der einen Seite haben viele sowohl PISA- als auch Bologna-Kritiker recht mit zahlreichen Details, die sie anprangern. Und bei Bologna geht mir die Bürokratisierung und vor allem der Umstand extrem auf die Nerven, dass Akkreditierungsagenturen (völlig zu Unrecht, wie ich meine) eine solche Macht erlangt haben. Aber war und ist das wirklich im Sinne von Bologna? Auch Bürokratiemonster sind so mit Sicherheit nicht zwingend gewesen. Denn man muss schon auch sehen: Was soll daran schlimm sein, Ziele transparent zu machen und auf diese Weise Vergleichbarkeit herzustellen? Warum sollte es schaden, sich über Kompetenzen und Standards Gedanken zu machen – wie soll ich denn gute Lehre machen, wenn ich das nicht ohenhin tue? Ist es nicht viel eher eine Frage des Wie? Kommt der (berechtigte) Frust nicht eher daher, dass man die Ziel- und Standardsetzung den Hochschulllehrern nicht mehr zutraut und statt dessen Akkreditierungsagenturen deren Bewertung überlässt? Und vielleicht ist es bei PISA ähnlich?

Um noch einmal auf Jahnke zurückzukommen: In besagtem Beitrag in Forschung & Lehre spricht er eine interessante Verbindung zwischen PISA und Universität an: „So profitiert etwa die empirische Bildungsforschung nahezu unmäßig von dieser … Mutter aller Tests. Man kann in diesem Bereich geradezu von einer Überhitzung der Konjunktur sprechen. Serienweise werden Professuren in dieser Disziplin ausgeschrieben“. Ja, das ist mir auch schon aufgefallen, wobei: Ich habe nichts gegen die empirische Bildungsforschung – im Gegenteil; aber ich habe etwas gegen die einseitige Auslegung, wie diese auszusehen hat, und ich wundere mich, dass die Politik mit diese Monokultur so glücklich ist ! Doch dazu ein andermal mehr.