Hitzestau

Mein Gott, was für eine Hitze. Seit Tagen schon will ich auf diverse Dinge hinweisen, die mir interessant erscheinen, lege Notizen zur Seite und finde sie am nächsten Tag nicht mehr oder vergesse, was ich überhaupt schreiben wollte. Korrekturen und mehrere Artikel-Deadlines (ja, ich war der „Streber“ beim L3T-Lehrbuch!) tun ihr Übriges. Und dann das beliebte „mal Dazwischenschieben“ von Beiträgen, die man korrektur liest (Exposés und Entwürfen von Dissertationskapiteln) … ja, da ist der Tag weg wie nix. Unglaublich! Und dann wollte ich an sich mal meine Erfahrungen mit der ersten Bachelorveranstaltung an der UniBw München zum Besten geben – aber dafür brauche ich Muse – kommt aber bestimmt. Als Vorgeschmack kann ich schon mal sagen: Man lernt nie aus! Nicht zum ersten Mal, aber in den vergangenen Monaten ganz besonders ist mir klar geworden, wie enorm abhängig jede Lehrbemühung davon ist, ob man es schafft, die Studierende mit ins Boot zu holen. Und wenn man denkt: „Na klar, das kann ich doch, mache ich doch seit 15 Jahren!“, dann ist Vorsicht geboten: Erfahrung schützt einen nicht davor, in neuen Kontexten wieder mal umdenken zu müssen. Mehr dazu in Kürze. Jetzt schalte ich erst mal den Ventilator ein.

Beharrlich ignoriert

Michael Kerres hat bereits vor einiger Zeit (hier) auf das Themenheft „Transferforschung im Bildungsbereich“ (März 2010) hingewiesen, das ich jetzt endlich auch gelesen habe. Ich bin Wolfgang Einsiedler sehr dankbar, dass er das Thema „Entwicklungsforschung“ in dieses Heft platziert hat, tun sich doch vor allem die DFG-Forscher mit diesem Begriff (innerhalb der Bildungswissenschaften) mehr als schwer. Michael kommentiert das so: „Vielleicht wird dieses Heft der ZfH einmal als Wendepunkt in der bildungswissenschaftlichen Forschung im deutschsprachigen Raum referenziert werden. (Ok: #Wunschdenken)“ – Wunschdenken … ja, das könnte wahrscheinlich sein, dass es Wunschdenken bleibt, aber ist es auch richtig? Ich hatte mit Herrn Einsiedler einen virtuellen Austausch im Vorfeld zu seinem Beitrag, der sich ja auch an einigen Stellen explizit auf den Band bezieht, den ich mit Joachim Kahlert herausgegeben habe (hier). So ganz richtig wiedergegeben finde ich die Arbeiten aus dem Umkreis der Design-based Research in Einsiedlers Text allerdings nicht. Auch fühle ich selbst mich eher nicht richtig in einer „pragmatische Unterrichtsforschung“ eingeordnet. Ich halte die Entwicklungsforschung auch für einen Weg zur Erkenntnis – nun gut, der dazugehörige Artikel kam etwas später heraus und konnte wohl nicht mehr berücksichtigen werden (hier das Preprint und hier das Buch). Aber egal: Ich freue mich, dass Einsiedler unsere Arbeiten überhaupt aufgegriffen hat, während sie von den anderen Autoren aus dem Umkreis der empirischen Bildungsforschung beharrlich ignoriert werden … warum auch immer.

Etwas schade ist die Einschränkung der Beiträge auf den Kontext Schule. Ich meine, man könnte und sollte viel öfter die Bildungskontexte bei solchen wissenschaftstheoretischen und methodischen Themen breiter anlegen, denn gelten die angestellten Überlegungen zu Implemenation, Transfer und Forschung nicht auch für Bildungsbemühungen in Hochschule, Berufsbildung, Weiterbildung und anderen Organisationen?

Verhaltenes Interesse?

Als ich 2001 an der Universität Augsburg die Professur für Medienpädagogik übernommen hatte, war kurz darauf eine Veranstaltung, die sich „Tage der Forschung“ nannte. Den Uni-Angehörigen selbst wie auch interessierten Besuchern sollte zugänglich gemacht werden, was man so forscht und womit man sich beschäftigt. Etliche Jahre später haben wir das nochmal gewagt, wobei wir uns dann auf die Lehre beschränkt hatten. Das Interesse an solchen Veranstaltungen (falls es keine Events auf Plätzen großer Innenstädte oder ähnliche sind) hält sich einfach in Grenzen. Nun sind wir knapp drei Monate in München an der UniBw und werden trotz dieses meist verhaltenen Zuspruchs exemplarisch unsere Arbeit auf einem „interaktiven Marktplatz“ beim Tag der offenen Tür am Samstag zwei Stunden lang (12.00 bis 14.00) präsentieren (hier das Programm). Alex hat hierzu bereits eine Meldung auf unserer Webseite gemacht (hier). Wir hoffen, dass ein paar Interessierte kommen – vielleicht auch Kollegen aus den anderen Fächern und Fakultäten, um ein wenig ins Gespräch zu kommen. Und wenn nicht: Wir sind zu sechst (Tamara, Marianne, Alex, Silvia, Frank und ich) und müssen uns auch dann nicht langweilen, wenn sich der Besucherandrang  in Grenzen hält ;-).

Wenn ich schon mal beim Ankündigen bin: Am Montag werde ich mich bei e-teaching.org an einer Online-Podiumsdiskussion im Rahmen des Themenspecials E-Lectures beteiligen: Zusammen mit Michale Kerres und Karsten Morisse (den ich noch nicht kenne) geht es darum, Konzepte und damit gemachte Erfahrungen im Vorlesungsbereich kurz vorzustellen und zu diskutieren. Ich bin schon gespannt auf das Format (ist in dieser Form meine erste Beteiligung) und die Diskussion. Weitere Infos finden sich hier.

Mut zur Lehre

„Die zählebigste Grundannahme ist die, der zufolge Lehren eine unverzichtbare Voraussetzung für die Initiierung und Begleitung von Lernprozessen sein soll“ – schreibt Rolf Arnold in der FAZ.net (hier) angesichts der nie endenden Klagen über die Lehre an deutschen Universitäten (danke an Sandra für den Link-Hinweis). Bologna, so Arnolds Argumentation, versuche, grundlegende Probleme des Lernens und Lehrens an unseren Unis durch „Mehr vom selben“ zu lösen, indem man z.B. den Präsenzunterricht erhöht und unter anderem auch die physische Präsenz kontrolliert. Dass dies keine sinnvolle Lösung ist, da stimme ich Arnold zu, wie ich kürzlich selbst in einem Interview (Blogbeitrag hier) erklärt habe. Meine volle Zustimmung hat Arnold auch in dem Argument, dass man im Zuge von Bologna dem Irrglaube unterliegt, dass man allein mit der Einrechnung des Selbststudiums in die Punktelogik der neuen Studiengänge sicherstellen könne, dass Studierende ein effektives Selbststudium praktizieren. Das Gegenteil dürfte (eben wegen mehr Präsenz-Anforderungen) der Fall sein.

Allerdings meine ich, dass Lehre sehr wohl etwas dazu beitragen kann, das Studierverhalten und damit das Lernen an sich (auch das Selbststudium) zu verbessern: Muss Lehre denn darauf beschränkt werden, langweile Vorlesungen zu halten, die – so Arnold – mit „aberwitzig geringen Behaltensquoten“ einhergehen und der „Verkündigungstradition der Kirche“ folgen? Nicht ganz klar ist mir außerdem, warum Arnold die Entwicklung von Selbstlernmaterialien von der Lehre abgekoppelt sieht: Vor mich besteht Lehren zum einen darin, geeignete Inhalte auszuwählen und aufzubereiten (Inhaltsdesign) und sich dann Gedanken darüber zu machen, mit welchen Methoden man Lernende darin unterstützen kann, aktiv mit diesen Inhalten umzugehen (Aufgabendesign). Wer Selbstlernmaterialien erstellt, der lehrt – finde ich! Aus dem Grund habe ich meinen Studientext (hier) auch genau so aufgebaut (nach Inhalts- und Aufgabendesign).

Wenn man ein solches Verständnis von Lehren hat, dann entsteht erst gar nicht eine so große Kluft zwischen Lernen und Lehren, wie Arnold sie sieht, und in der Folge empfiehlt, das Lehren besser nicht mehr so in den Vordergrund zu stellen. Bringt es uns weiter, wenn wir das Lehren zum Feind des Lernens erklären? Wollen dahin kommen, dass sich jeder alles selbst beibringen soll? Ist das ein kultureller Fortschritt? Ich würde alle drei Fragen mit nein beantworten und mich für mehr „Mut zur Lehre“ aussprechen. Mut braucht man deshalb, weil man sich mit dem Anspruch, anderen etwas beibringen zu können (und zu wollen), natürlich angreifbar macht, weil man viele Fehler machen kann, weil man mit seiner Inhalts- und Aufgabenwahl danebenliegen kann, weil man es NIEMALS allen recht machen kann …. Aber ist das ein Grund, es sein zu lassen?

Diskussion ohne Vorbehalte

Am letzten Freitag hat Christian Kohls, wie angekündigt, seinen „Gastvortrag“ gehalten, wobei – das gleich als Vorwarnung – er dazu einlud, auch gleich während seiner Ausführungen in die Diskussion einzusteigen. Und das haben wir dann auch gemacht – zweieinhalb Stunden lang. Wer also tatsächlich Interesse an der Audio-Aufnahme hat, sei hiermit gleich vorab informiert: Das ist die Aufnahme eines „Kolloquiums“ im wahrsten Sinne des Wortes (lat. colloqui = sich besprechen). Wir waren in einem normalen Seminarraum und haben diskutiert. Ich bitte also um Verständnis, wenn die die Qualität jetzt nicht so überaus hoch ist. Hier der Mitschnitt.

Frank hat sich (hier) in seinem Blog bereits ausführlicher mit den inhaltlichen Ergebnissen beschäftigt. Relativ lange haben wir uns in der „Musterdiskussion“ gleich zu Beginn bei den „Kontexten“ und den dort auftretenden „Wirkkräften“ aufgehalten, die man bei einer (didaktischen) Problemlösung beachten muss und die einen wesentlichen Aspekt in Mustern ausmachen. Ein weiterer längerer Diskussionspunkt waren der Begriff und die Rolle von „Normen“ in der Musterforschung. Wegen meines Esoterik-Vorbehaltes hatte Christian besonders viele Überlegungen zum Ganzheitlichtskeitsbegriff mitgebracht, den er dann auch etwas ausführlicher mit dem der „Gestalthaftigkeit“ verglichen hat. Interessant waren dabei vor allem die interdisziplinären Vergleiche.

Mir haben Christians Ausführungen auf jeden Fall geholfen, nochmal einen anderen Zugang zu und Blick auf die Musterforschung zu werfen. Wenn man Vorbehalte hat, ist dieser Weg des interaktiven Austausches mit Sicherheit der beste, um sich trotzdem mit einem Ansatz zu beschäftigen und ihn daraufhin abzuklopfen, was er zu bieten hat. Ich hoffe, den anderen Teilnehmern des Kolloquiums ist es auch so gegangen.

Silvias Präsentation zum Stand ihrer Arbeit im Themengebiet des Assessments hat gut in den vom Muster beherrschten Nachmittag gepasst. Allerdings stehen bei Silvia erst mal das Suchen und Finden von lernförderlichen und praxistauglichen Assessment-Verfahren an der Hochschule im Mittelpunkt der ersten Phase, bevor dann auch die Frage virulent wird, wie man diese sinnvoll darstellen kann, damit sie breiter genutzt werden. Ihre bzw. unsere Annahme ist, dass sich hierfür eine Darstellung als Muster eignet – womit eine gute Verbindung zu Christians Vortrag vorlag.

Ein insgesamt betrachtet interessanter Kolloquiumstermin mit unserem externen Gast, der hoffentlich auch etwas von der Diskussion mitgenommen hat.

Kollaboratives Schreiben für Lesefaule?

Die Autorenliste ist beeindruckend lang, die Sandra Schaffert und Martin Ebner nun beisammen haben, um ihr ehrgeiziges Lehrbuchprojekt L3T (Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien) zu realisieren – hier die dazugehörige Web-Seite. Ich vermute, dass es mehreren so geht wie mir: Ich bin beeindruckt, wie rasch die Idee in der Community eingeschlagen ist. Ich finde das zugrundeliegende Ziel gut, auch wenn es natürlich durchaus bereits eine ganze Reihe von Büchern gibt, die man AUCH in der Lehre einsetzen kann. Unschlagbar ist die damit verbundene Entscheidung, dass es sich am Ende um einen Open Content handeln wird. Und WEIL das alles so ist, auch weil man der Idee eine Chance geben will, ohne natürlich von vornherein einschätzen zu können, wie gut das alles gelingt, macht man mit – auch ich. Gespannt bin ich, ob und wie sich das jetzt organisieren lässt und wie es sich innerhalb der bereits vororganisierten Teilbereiche „selbst organisiert“. Ich will nicht sagen, dass Selbstorganisation nicht funktioniert. Aber meine persönliche Erfahrung ist die, dass sie selbst unter Experten nur im Falle spezieller Bedingungen funktioniert (meist die, dass man dieselbe Arbeitshaltung hat). Deshalb finde ich das gesamte Vorhaben nicht nur inhaltlich, sondern auch aus einer Metaperspektive ausgesprochen interessant. Vielleicht sollte man nebenher eine begleitende Studie machen? Eine Studie also zum kollaborativen Schreiben?

Eine für mich noch nicht geklärte (und über das Lehrbuch-Projekt natürlich hinausgehende) Frage dabei ist, was ein Buch eigentlich zu einem „Lehrbuch“ macht: Sind es formale Kriterien, wie die direkte Ansprache des Lesers, die Tatsache, dass man nicht viel (aber sicher etwas?) voraussetzt, um das Geschriebene verstehen zu können, eingestreute Fragen, Aufgaben und Zusammenfassungen u. ä. All das aber kann ich auch in einem klassischen Handbuch finden, das eher als Nachschlagewerk dient und natürlich AUCH in der Lehre eingesetzt werden kann. Meine Erfahrung mit Novizen ist, dass sich diese schwer tun, mit Texten, die aus sehr verschiedenen Federn stammen, so zu lernen, dass sich erste belastbare mentale Modelle bilden. Aus dem Grund bin ich bei Inhalten, die mir sehr wichtig sind, zu eigenen Studientexten (als Einstieg) übergegangen. Aber das beantwortet noch nicht meine Frage, was ein Buch zu einem Lehrbuch macht, wobei fraglich ist, ob man überhaupt allein mit einem Buch lernen kann – bzw. wann man das kann. Gerade erst habe ich das kleine Büchlein von Kuckarts et al. von 2008 mit dem Titel „Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis“ gelesen: Das darin geschilderten Beispiel aus einer Vorlesung deckt sich mit meinen Erfahrungen (siehe z.B. auch hier), dass Studierende überhaupt eher nicht so gern lesen, schon gar nicht viel Text, sondern lieber Zusammenfassungen auf Folien. Was bedeutet das für Lehrbücher? Wie gesagt: Ich habe keine abschließenden Antworten. Zumindest aber habe ich bei mir selbst festgestellt, dass Texte „aus einer Hand“ für den Einstieg mehr bewirken als z.B. Reader mit Texten verschiedener Autoren.

Entwurfsmuster zwischen Esoterik und Ernsthaftigkeit

Ich möchte eine kleine Ankündigung zum nächsten Doktorandenkolloquium machen: Neben Silvia wird am 04.06.2010 Christian Kohls (der bereits beim ersten Münchener Termin bei uns zu Besuch war) einen Gastvortrag zu seinem wissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkt halten (hier der Kolloqiumszeitplan). Der Titel lautet: „Entwurfsmuster für die Gestaltung von Unterrichtsrealität.

Christians Abstract

„Unterrichtsgeschehen ist in der Regel komplex, vielschichtig und von verschiedenen Einflussfaktoren der jeweiligen Situation abhängig. Zur Erfassung von Regelmäßigkeiten guter Praktiken im Unterricht bedarf es daher einer Herangehensweise, die diese Komplexität reduziert ohne die Vielseitigkeit und Anpassbarkeit an konkrete Kontexte zu zerstören. Entwurfsmuster erfassen nicht nur ganzheitliche Bestandteile des Unterrichts (Szenarien, Methoden, Werkzeuge, Medienformen) sondern bereiten sie in einem Format auf, das die Übertragbarkeit auf neue Unterrichtssituationen und deren Gestaltung ermöglicht. Wesentlich ist daher nicht nur die Beschreibung der Form, sondern auch Nennung der passenden Kontexte, Situationen und Umwelten in denen diese Form angemessen, d.h. zum Ziel führend, ist. Diese Bewertung der Angemessenheit erfordert eine Begründung für die Gestaltungsform, d.h. eine Erörterung welche Einflussfaktoren eine bestimmte Vorgehensweise erforderlich oder zumindest brauchbar machen. Die Übertragbarkeit auf neue Unterrichtssituationen und die damit verbundene Forderung nach Umsetzbarkeit macht es zudem erforderlich, dass eine Entwurfsmusterbeschreibung weder zu abstrakt noch zu konkret ist. Abstrakte Modelle geben zu wenig Struktur vor wenn Allgemeinheit zu Beliebigkeit und damit zu Bedeutungslosigkeit wird. Rezeptartige Anleitungen, die keine Freiräume lassen, sind auf der anderen Seite nicht mehr geeignet den variablen Gegebenheiten von Lehr-/Lernsituationen gerecht zu werden. Die Herausforderung besteht demnach darin, Muster zu finden und zu erklären, die sowohl gestalthaftig als auch gestaltbar sind. Aus dieser Forderung leiten sich erkenntnistheoretische Fragestellungen für die Bildungsforschung ab, die in diesem Vortrag aufgegriffen werden.“

Ich persönlich sehe ja immer noch nicht so recht das wirklich Neue am Entwurfsmusteransatz, wenn man es mal aus einer didaktischen Perspektive betrachtet, aber wahrscheinlich nervt mich manche in diesem Umfeld anzutreffende esoterisch angehauchte Literatur (mit Stichworten wie „lebende Strukturen“, „Ganzheitlichkeit“, „Lebenseigenschaften“ u.ä.) zu sehr, sodass ich mich noch nicht ausreichend und ernsthaft genug damit beschäftigt habe. Doch ich bin ja lernfähig (hoffentlich) und daher sehr froh um unseren Gatsvortrag am Freitag. Zwischen Silvias Dissertationsplänen (zum Thema Assessment) und Christians inzwischen mehrjährigen Entwurfsmusterarbeiten gibt es zudem einige Verbindungslinien, sodass ich mich auf einen diskursreichen „Master-Nachmittag“ freue. Sollte jemand Interesse haben, dazuzukommen, bitte eine kurze Mail an mich. Wir freuen uns immer über Gäste.

Anwesenheitslisten als Schlüsselreiz

Anlässlich eine Vortrags am 11. Juni in Wien (hier die Ankündigung) habe ich der Zeitung „Der Standard“ (Österreich) ein Interview gegeben, das online hier verfügbar nachzulesen ist. Es geht mal wieder um Bologna und die Frage, was da so alles schief läuft und wer dafür verantwortlich ist. Viele der Fragen sind/waren wirklich sehr schwer zu beantworten und was ich da sage, ist meine persönliche Meinung, die natürlich nur auf einem bestimmten Erfahrungsschatz – nämlich meinem – beruht. Interessant sind die vielen Kommentare (unter dem Interview), was man sonst selten beobachtet! Die meisten Kommentare sind zustimmend und erläuternd. Nicht wenige der Kommentare beziehen sich hauptsächlich auf die willkürlich herausgegriffene Aussage zu Anwesenheitslisten, die die Journalistin als Überschrift gewählt hat – nämlich dass ich KEINE Anwesenheitslisten führe (scheint also eine besonders attraktive Aussage zu sein ;-)). Daran sieht man mal wieder, wie aufmerksamkeitslenkend Titel sein können (übrigens auch ein Effekt bei Veranstaltungen). Unter den vielen Kommentaren sind auch einige (wenige), die sich unmittelbar auf die Universität der Bundeswehr beziehen. Nun ja, das ist mir klar, dass dies nun immer wieder ein Punkt sein wird, auf den ich angesprochen werde. Ich gebe zu, dass das auch lange ein Aspekt war, der mir bei der Rufannahme eine ganze Reihe Zweifel beschwert hat.

Also, vielleicht kann ich ein paar Punkte klar stellen. In einem Kommentar wurde angemerkt, dass man einer Universität der Bundeswehr ja wohl keine Anwesenheitslisten brauche. Also: Auch an einer Universität der Bundeswehr ist es – das kann ich jetzt in meinem ERSTEN Trimester sagen – keineswegs so, dass die Studierenden tatsächlich alle quasi „auf Befehl“ kommen – eher im Gegenteil. Meine ersten Erfahrungen sind so, dass es im Studierverhalten zwischen BA-Studierenden etwa der Uni Augsburg und der UniBw München im Hinblick auf „ökonomisches Denken bei Workload und Co.“ keine großen Unterschiede gibt. Auch die Sorgen wegen der Umstellung auf BA (in München nämlich ganz neu) sind vergleichbar mit dem, was ich Anfang 2000 in Augsburg erlebt habe. Übrigens: Auch an der Uni Augsburg habe ich keine Anwesenheitslisten geführt. Anfangs hatte ich das versucht und nicht den Eindruck, dass das irgendeinen wirklich gewinnbringenden Effekt hat. Deswegen habe ich es sehr schnell wieder sein gelassen. Ein weiterer Kommentator bezweifelt, ob man an der UniBw in München überhaupt frei denken dürfe. Dazu: Beide Universitäten der Bundeswehr unterliegen jeweils dem Hochschulgesetz des jeweiligen Landes (in München also Bayern). Es ist natürlich schon ein ziemlicher Unsinn zu sagen, man dürfe dort nicht frei denken. Natürlich ist der Kontext ein anderer als an anderen Unis. Aber Helmut Schmidt hat sich maßgeblich für die Gründung beider Unis eingesetzt, DAMIT genau die lernen, eigenverantwortlich zu denken, die später mal besonders große Verantwortung tragen. Ich nehme das ernst und finde es von daher besonders wichtig, die Grundsätze eines Universitätsstudiums dort umzusetzen, die im Zuge einer wachsenden Ökonomisierung übrigens an ALLEN Hochschulen in Gefahr sind!

PS: Leider sind die Angaben zu meiner Person in diesem Interview nicht so ganz richtig: Werder bin ich Medienpsychologin, sondern einfach „nur“ Dipl.-Psychologin 😉 noch habe eine Professur für Medienpädagogik, sondern für Lehren und Lernen mit Medien.

Kolloquium als Übungsplatz

Am Freitag (21.05.2010) fand mit Tamara, Hannah und Diana der zweite Termin in unserem Doktorandenkolloquium statt, bei dem wir – eingebettet in kurze schriftliche Zusammenfassungen für alle vorab und kurze Reflexionen im Anschluss – jeder Präsentation und Diskussion „nur“ ca. 75 Minuten gewähren. Auch diesmal war das zeitlich gut zu schaffen. Alle drei Arbeiten befinden sich in einem anderen Stadium und mir wird bei den Diskussionen immer bewusst, dass es gar nicht so einfach ist, die Besprechungen so zu moderieren, dass man den individuellen Entwicklungsstadien gerecht wird. Am Freitag hatten wir tatsächlich drei Beispiele für ganz unterschiedliche Stadien, in denen man in der Regel (insgesamt ist das natürlich individuell recht verschieden) mit jeweils typischen Schwierigkeiten zu kämpfen hat:

In der ersten Phase, die meiner Erfahrung nach in Abhängigkeit vom Thema und Forschungskontext auch recht lange dauern kann, geht es vor allem darum, ein Thema einzugrenzen, einen Schwerpunkt zu definieren, Fragestellungen wie auch Prämissen (die man nicht untersuchen will) festzulegen und zu entscheiden, was wünschenswert und was machbar ist. Das ist mitunter schwierig und kostet vielen auch eine ganze Menge Energie.

In der längeren mittleren Phase kommen Doktoranden oft (und das ist jetzt ein Beispiel für mehrere Knackpunkte in dieser Phase) zu dem Punkt, an dem sie das Gefühl haben, das „big picture“ aus den Augen zu verlieren – wobei es aus meiner Sicht bereits ein gutes Zeichen ist, wenn man dieses Gefühl hat! Denn das zeigt, dass man den Zusammenhang wahren, sich nicht in gar nicht so relevanten Teilästen verlieren will u.ä. Geprüft wird dann, ob die Fragestellung überhaupt noch passt; erste positive und negative Erfahrungen mit theoretischen und/oder empirischen Teilarbeiten müssen verarbeitet werden. Oft beginnen da die ersten ganz großen Zweifel: Man ist schon ein zu weites Stück gegangen, um umkehren zu können, aber das Ziel scheint einfach noch zu weit weg zu sein.

Gegen Ende der Dissertation steht man wieder vor anderen Herausforderungen: Nun gilt es, die Arbeit auch im Detail zu gliedern, den roten Faden hinzubekommen, die rechte Gewichtung verschiedener inhaltlicher Aspekte zu finden und sich der Frage zu stellen, wann man den Schlusspunkt setzen kann, wann die persönliche und gemeinsam definierte „Bestmarke“ erreicht ist.

In all diesen Phasen braucht man – so meine ich – unterschiedliche Unterstützung, man muss verschiedene Hürden nehmen, aber es ergeben sich dabei auch jeweils besondere Lernchancen. In unserem Kolloquium ist das manchmal so ein Balanceakt zwischen für mich ausgesprochen positiver offener Kritik durch die ganze Gruppe einerseits und einem an sich notwendigen individuellen, manchmal vielleicht etwas behutsameren, Coaching andererseits. Der Umgang mit Kritik ist in der Wissenschaft ja eine wichtige und unerlässliche Aufgabe, die – so behaupte ich mal – für niemanden immer leicht ist. Ich meine, man muss jede Kritik prüfen, aber sie muss keinesfalls immer Anlass für Änderungen sein. Auch dafür bieten unsere Kolloquien sicher einen guten Übungsplatz und so sollte es wohl sein: Mit einer Gruppe zusammenzuarbeiten, der man soweit vertraut, dass man genau das auch üben kann.

Wer ist verantwortlich?

Die Frage, wer die Verantwortung trägt, stellt sich im Moment ja ziemlich oft: Wer ist verantwortlich für die aktuelle Ölpest, wer für die Euro-Krise und wer dafür, dass die Ziele, die man für Forschung und Hochschulbildung in Deutschland gesteckt hat, nicht erreicht werden? In der Hochschulrektorenkonferenz, unterstützt vom Bundespräsidenten und Ministerin Schavan (von der man ja sonst nicht mehr viel hört) wird der Ruf laut, Bildung und damit auch die Hochschulen (wieder) unter eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu stellen und folglich dem Bund mehr Rechte, aber natürlich auch Pflichten zu geben, auch wenn es um die Hochschulen geht. Ob da wirklich so viel mehr Finanzkraft als von den Ländern kommt, kann ich nicht beurteilen; zumindest habe ich da meine Zweifel. Dass Kleinstaaterei bei so grundsätzichen Fragen wie in der Bildung aber mehr als verzichtbar ist, das glaube ich schon. Mal schauen, was aus diesem Vorstoß wird. Hier die dazugehörige (kurze) Pressemeldung der HRK.