Versunken – aber nicht im Schnee

Ein Blick in meinen Blog zeigt mir, dass da seit Tagen Ruhe herrscht – weihnachtliche Ruhe? Eher nicht. Und im Schnee bin ich auch nicht versunken, obschon es heute Morgen bei uns (südlich von München) durchaus möglich wäre. Versunken bin ich allenfalls zwischen vielen vollgeschriebenen Seiten, die ich zu lesen und zu begutachten habe. Gleich zwei Dissertationen quasi unterm Weihnachtsbaum – des einen Freud, des anderen Leid. Oder doch nicht? Nein, eher nicht, denn natürlich freut man sich auch als Betreuer und Gutachter, wenn nach mehreren Jahren eine Dissertation abgegeben wird, wenn man das Ergebnis eines längeren Betreuungsprozesses, vieler Kolloquien, Gespräche, Feedbacks etc. vor sich hat, wenn man die Fortschritte sieht, die Erreichung eines Ziels, das am Anfang noch so weit weg erscheint. Wenn man dann auch mit dem Ergebnis zufrieden ist, ist das auch für den Betreuer/Gutachter ein schönes Ereignis (trotz der vor einem liegenden Arbeit). Es funktioniert allerdings nicht immer: Auch bei mir gibt es „gescheiterte Arbeiten“, also Dissertationen, die mit großen Erfolgsaussichten starteten und dann eingestellt wurden, oder solche, bei denen von Anfang an Skepsis da war z.B. aufgrund zu vieler Verpflichtungen und „Baustellen“. Auch was die Zeitdauer betrifft, gibt es große Unterschiede: Schnelle und solche, die sich dann doch (aus verschiedensten Gründen) mehr Zeit lassen (müssen oder wollen).

Noch vor Weihnachten jedenfalls werden die beiden oben erwähnten Arbeiten begutachtet sein – Zeit für ein kleines Resümee? Anbei mal die Liste der Dissertationen, die ich in meiner Augsburger Zeit bis Ende 2009 betreut und begutachtet habe (nur Erstgutachten):

Forschungswerkstatt ohne mich

Ja, also geärgert habe ich mich nun schon genug, dass die Forschungswerkstatt, die ich zusammen mit Peter Baumgartner geplant hatte, am vergangenen Wochenende (wegen Krankheit) in Wien ohne mich stattfinden musste (hier die Ankündigung). Dabei wäre es doch MEIN Thema gewesen – das heißt, es hat die Frage nach verschiedenen Wegen der Erkenntnis in den Bildungswissenschaften zum Gegenstand gehabt. Und dieses Thema treibt mich ja schon länger nicht nur aufgrund abgelehnter Forschungsanträge um ;-), sondern auch, weil es unser tägliches Tun (neben der Lehre) unmittelbar berührt.

Die Forschungswerkstatt richtet sich vor allem an die Doktoranden im Umkreis an Peter. Doch seine Grundidee ist die, jede Forschungswerkstatt mit einem Partner zu machen (vor einiger Zeit war das Christian Kohls zu „Pattern-Theorien“) und die Zielgruppe dann auch für andere zu öffnen – u. a. für die, die dann eher aus dem Umkreis eben des Workshop-Partners kommen. Das war auch diesmal so:

Mandy, Silvia, Tamara und Tobias (nicht mehr, aber früher Augsburg) bildeten diesen Kreis. Das Thema war schwierig für eine Forschungswerkstatt, das habe ich schon bei der Vorbereitung gemerkt: Sobald man auf eine Metaebene der Diskussion kommt, kann das Interesse der Teilnehmer schnell schwinden, denn leider ist die Einstellung verbreitet, dass dieses Thema (Was ist wissenschaftlich? Was ist empirisch? Wie kommt man zu Erkenntnis und wie nicht? Etc.) zu abstrakt sei und mit dem täglichen Tun nicht viel zu tun habe. Ich denke, das ist ein großer Irrtum: Es ist die Hintergrundfolie, vor der wir arbeiten, unsere Projekte planen, Anträge schreiben und andere bewerten. Auf dieser Hintergrundfolie finden sich zahlreiche Prämissen, die manchmal viel Konsens haben, oft genug aber unreflektiert übernommen und dann als „Wahrheit“ abgespeichert und nicht mehr in Frage gestellt werden. Ein solches Vorgehen mag in Kontexten wir dem Straßenverkehr durchaus funktional sein. In Kontexten wie der Wissenschaft aber ist das ein Risiko, weil Ideologien entstehen, denen Wissenschaft ja genau etwas Tragfähiges entgegensetzen sollte.

Die ersten Reaktionen auf die Forschungswerkstatt (z.B. hier und hier) kommen zu einer positiven Gesamtbilanz: Ertragreich scheint vor allem der gegenseitige Austausch zu sein. Die eben angesprochene Metadiskussion aber war wohl doch nicht so einfach anzukurbeln – keine Ahnung, ob es mir gelungen wäre. Ich hoffe nun, es gibt Gelegenheiten, dieses Thema anderweitig mit Nachwuchswissenschaftlern weiter zu verfolgen. An der Stelle aber noch einmal einen großen Dank an Peter, dass er es alleine durchgezogen hat!

Fußball-Sponsoring der anderen Art

Über Tech Pi und Mali Bu habe ich ja in diesem Blog des Öfteren schon berichtet. Ein bisschen ist es so etwas wie ein „Liebhaber-Projekt“ und wir freuen uns immer, wenn ein neues Modul finanziert werden kann. Im Moment suchen wir Finanzierungsmöglichkeiten für ein Modul passend zur Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Dabei soll es aber nicht primär etwa um einen Bewegungsinhalt gehen (wie der Fußballkontext vielleicht nahelegen könnte) und auch nicht – wie in den bisherigen Modulen vorrangig der Fall – um naturwissenschaftliche, sondern um soziale Themen. Ein Trailer, um Lust auf die Sache zu machen, ist nun online. Mehr Infos gibt es auch hier bei Frank. Wer Idee hat, wo man dafür eine Förderung bekommen könnte, möge sich melden.

Übrigens: Dass man sogar in einem Fußballstadion lernen kann, hat Frank auf der Online Educa in Berlin erfahren. Wer es nachlesen mag: Hier ein Kurzbericht.

eit gestern ist er online, der neue Trailer zum geplanten Modul „Fußballfieber“ (Trailer hier). Wir stimmen uns damit mit Blick auf Südafrika in das Fußballjahr 2010 ein. Es wird im neuen Modul um „soziale“ (mit der Lektüre von Latour ist dies ein schwieriger Begriff 😉 Themen im Fußballsport gehen, also nur vordergründig um Tore und Dribblings. Wie im letzten Blogbeitrag schon angedeutet (und die mich kennen wissen das), bietet der Sport durch seine Facetten viel Bildungspotenzial, aber er ist aufgrund seiner Komplexität und Medialität auch Ort vieler Probleme. Tech Pi & Mali Bu werden sich mit wenigen Teilen dieses Fragekomplexes (Ausgrenzung, Fair Play etc.) beschäftigen, in der Hoffnung, dass dies Anker für Diskussionen in Schule und Verein bieten kann (vgl. auch das Projekt Join the game). Im Zentrum stehen nicht die Vermittlung von Faktenwissen, sondern bestenfalls Modelle für den kreativen Umgang mit Problemen (wie uns das beim Inforadar – meine ich – ganz gut gelungen ist).

Freizeit und Beruf oder: Warum man Unternehmer, Wissenschaftler oder Künstler werden sollte

Psychologie in Beruf und Praxis (PBP) – so lautet der Name eines Vereins, der 2007 an der LMU München von Studierenden gegründet wurde. Auf der Web-Seite heißt es: „Die Veranstaltungen von PBP sollen zum festen Bestandteil des Psychologiestudiums an der Ludwig-Maximilians-Universität werden. Die Studenten lernen so bereits früh im Studium die vielfältigen Anwendungsbereiche der Psychologie kennen und treten in Dialog mit erfahrenen Psychologen aus der Praxis. So entstehen Netzwerke zwischen Studenten, erfahrenen Praktikern und Dozenten, von denen alle Beteiligten profitieren.“

Heute nun fand der dritte Berufsinformationskongress des Vereins statt. Ich war als Referentin eingeladen. Einen genauen Überblick über die Zahl der Referenten hatte ich nicht, aber entsprechend des Übersichtsplans schätze ich mal, dass es an die 40 waren, die in Paralleltracks über ihren persönlichen Werdegang, ihre tägliche Arbeitstätigkeit, ihre Motivation und Herausforderung berichteten sowie Interessenten Tipps und Hinweise etwa zu Arbeitsmarktlage geben sollten – so jedenfalls lauteten in etwa die Instruktionen.

Wenn ich irgendwelche Formulare ausfülle, stolpere ich oft über die Zeile “Beruf“: Was schreibt man da rein? Hochschullehrer? Wissenschaftler? Und wie wird man das? Das musst ich mich bei der Vorbereitung auf den Vortrag selbst erst mal fragen, zumal da ich im Rückblick erstaunlich wenig geplant hatte. Mein Werdegang ist nicht sonderlich spektakulär, also verwendete ich mehr Zeit darauf zu beschreiben, was man denn eigentlich so macht, wenn man Lehre praktiziert, Forschungsprojekte durchführt, publiziert und sich durch das bürokratische Dickicht der Verwaltung schlägt. Welche Empfehlungen also soll man jemandem geben, der eine wissenschaftliche Karriere anstrebt? Das war wohl am schwersten. Meine vier Kernempfehlungen lauteten in etwa so:

  • Versuchen Sie, immer auch zugleich was anderes werden zu wollen. Nicht nur meine persönliche Beobachtung, sondern auch verschiedene Studien zeigen, dass speziell in Deutschland die Planung einer wissenschaftlichen Karriere schwierig ist und zahlreiche Unwägbarkeiten mit sich bringt. Es kann daher nicht schaden, sich immer auch noch etwas anderes vorstellen zu können, um sich mental nicht von einem einzigen Weg abhängig zu machen.
  • Suchen Sie früh den Kontakt zum wissenschaftlichen Personal während des Studiums. Werden sie studentische Hilfskräfte und engagiere Sie sich in Projekten, in denen Sie mit Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern zusammenarbeiten können. Engagieren Sie sich aber auch in Ihren Lehrveranstaltungen: Stellen Sie Fragen, denken Sie mit und zeigen Sie Ihr inhaltliches Interesse, statt es zu verstecken. Als Lehrender mit etwas Erfahrung erkennt man schnell die möglichen Nachwuchskräfte – aber nur, wenn sie sich sichtbar und hörbar machen.
  • Machen Sie sich gegen Ende des Studiums kundig, wie an der Universität, an der Sie weitermachen wollen, die Bedingungen für Promotionen wie auch für Habilitationen sind. Natürlich ist es die beste Möglichkeit, zu promovieren und zu habilitieren, wenn man an der Universität eine Stelle hat. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten: Stipendien z.B. oder der Versuch, diese Qualifikationen berufsbegleitend zu machen. Ich habe selbst mehrere Doktoranden, die diesen dritten Weg beschreiten, der allerdings mit Sicherheit der härteste ist.
  • Bleiben Sie sich selbst treu. Wie in anderen Berufen, so gibt es auch beim Beruf des Wissenschaftlers bzw. Hochschullehrers je nach Fachgebiet innerhalb der Psychologie und benachbarter Disziplinen mehr oder weniger enge Netzwerke, es gibt einen inhaltlichen und vor allem methodischen Mainstream und es gibt viele implizite Regeln. Auf der einen Seite müssen Sie versuchen, all dies kennenzulernen und auszuprobieren. Sie müssen eigene Erfahrungen machen und sich in so manches Spiel einfach hinein bewegen, um dabei zu sein. Auf der anderen Seite sollte Sie neben diesen für eine Karriere unabdingbaren Anpassungen nicht vergessen, warum Sie Wissenschaftler werden wollen, nämlich – hoffentlich – weil Sie von der Wissenschaft begeistert sind. Das aber, so meine ich, verpflichtet Sie auch dazu, eine eigene Position zu entwickeln und hinter dieser auch dann zu stehen, wenn sie gerade mal nicht in die Landschaft passt – auch wenn das mit Nachteilen verbunden ist.

Neben mir war im Track „Pädagogische Psychologie“ Jens Uwe Martens zu Gast, der bereits sein siebtes Lebensjahrzehnt begonnen hat, das man ihm nun wirklich überhaupt nicht ansieht. Er berichtete vom „Leben in der Selbständigkeit“, nämlich als Berater, Coach und Trainer. An manchen Stellen hatte er durchaus vergleichbare Empfehlungen und persönliche Folgerungen, z.B. was die Verknüpfung von Arbeit und Leben, gewisse Formen von Autonomie und die Flexibilität betrifft, die aber auch mit einem eher wenig planbaren Freizeitbudget gekoppelt ist. Letzteres beunruhigte einen der Zuhörer besonders, der mehrfach nachfragte, wie es denn mit der Chance aussähe, auch mal zwei Monate nichts zu machen. Das ginge nicht, meinte Martens, der diese Probleme dann aber auf eigene Art löst: „Ich wollte unbedingt mal nach Südafrika. Also habe ich das mit dem Besuch eines Kongresses verbunden, den man immerhin von der Steuer absetzen kann. Als ich dort war, war ich begeistert. Also habe ich mit zwei Südafrikanern eine Dependance meiner Firma in Südafrika gegründet – so habe ich die Freizeit mit Arbeit verbunden“. Da hat sich sogar die Miene des freizeitbesorgten Teilnehmers aufgehellt. Mein persönliches Fazit: Wer einigermaßen autonom sein und Spielraum für solche und andere kreative Problemlösungen haben will, werde Wissenschaftler, Unternehmer oder Künstler.

Fragen lernen ist (nicht) schwer

Es ist Zeit für einen ersten Erfahrungsbericht zu meiner „Podcast-Vorlesung“, wobei zunehmend klar wird, dass das an sich die falsche Bezeichnung ist, denn zentral ist ja die Kombination aus Podcast, Textlektüre, Wiki-Arbeit und Tutorium. Wie das Konzept im Einzelnen aussieht, habe ich hier bereits beschrieben.

Am Anfang der Konzeption habe ich mir vor allem Gedanken über die Funktion und die Art des Podcasts gemacht. Das war/ist auch wichtig – insbesondere muss man den Studierenden genau sagen, welche Funktion der Podcast in diesem Konzept hat: Er hat rahmende und (hoffentlich) motivierende Funktion für die Textlektüre und soll zudem dabei helfen, bei der Textlektüre besser zu erkennen, was wichtig und was weniger wichtig ist. Dass genau das nämlich gar nicht so leicht ist, zeigte die erste Runde in der Wiki-Arbeit. Die se Wiki-Arbeit gerät jetzt bei der Durchführung der Veranstaltung zunehmend in den Fokus meiner Aufmerksamkeit, weshalb ich darüber kurz bercihten möchte.

Mit der Wiki-Arbeit betrete ich das zweite Neuland im Rahmen dieser Veranstaltung: Mein Ziel ist es, dass die Studierenden für insgesamt acht Themenblöcke in einem (geschlossenen) Wiki ihre Klausurfragen und dazugehörige Musterantworten selbst generieren! Dabei werden sie natürlich unterstützt. Wie diese Unterstützung genau aussieht, das war mir zu Beginn auch noch nicht klar, weil ich überhaupt nicht einschätzen konnte, wie das funktioniert. Nun liegen die ersten Erfahrungen vor. Erfreulich ist, dass die Kernzielgruppe der Veranstaltung (Studierende des Studiengangs Medien und Kommunikation) sich zu ca. 70% an der Wiki-Arbeit (in Partnerarbeit) bislang beteiligt haben. Wie zu erwarten war, erwies sich die erste Wiki-Runde allerdings noch in vielen Dingen als verbesserungswürdig: Trotz Instruktionen und Hinweise vorab wurden z.B. viele ähnliche Fragen doppelt oder mehrfach gestellt (und beantwortet). Mitunter passten die Antworten nicht oder zu wenig zu den Fragen. Manche Fragen waren so gestellt, dass sehr viele Antworten möglich wären, was in einer Klausur nicht funktionieren kann. Verschiedene Fragetypen zu produzieren, wurde noch kaum bewerkstelligt. Sehr viele Fragen rankten sich um Details, die ich niemals abfragen würde (und wenn ich es täte, hätte ich eine aufgebrachte Menge von Studierenden vor mir).

Nach Schließen der ersten Runde habe ich alle Beiträge im Wiki ausführlich kommentiert, die Probleme aufgezeigt und Alternativen angeboten. Auf einer zweiten Wiki-Seite habe ich dann ein korrigiertes Set an Fragen und Antworten zur Verfügung gestellt. Die zweite Runde lief daraufhin bereits wesentlich besser. Viele Fehler, auf die ich hingewiesen hatte, wurden weniger gemacht. Langsam fingen die Studierenden auch an, sich gegenseitig zu verbessern – ein Aspekt, der in der ersten Runde noch kaum auftrat. Dennoch zeiget sich auch in der zweiten Runde noch großes Verbesserungspotenzial. Also habe ich auch diese zweite Runde ausführlich online kommentiert und wiederum eine verbesserte Fassung zur Verfügung gestellt. Das ist aufwändig, aber es war auch sehr interessant. Interessant nämlich ist zu sehen, wo die Studierenden Schwierigkeiten haben, was typische „Anfängerfehler“ sind etc. All das bekommt man ja normalerweise gar nicht mit und kann darauf auch entsprechend nicht reagieren. Sollten meine Kommentare gelesen werden (ich gehe schon davon aus, dass dies die aktiv Beteiligten tun), dann könnte man zumindest einen Lerneffekt erwarten, weil sich meine Hinweise direkt auf die Aktionen der Studierenden beziehen.

Heute nun hatten wir ein Präsenz-Tutorium, in dem die Herausforderungen und Schwierigkeiten noch einmal diskutiert wurden. In den kommenden beiden Wiki-Runden werde ich meinen Support etwas zurücknehmen und ganz schräge Fragen oder Fehler einfach kommentarlos löschen und nur da eigene Verbesserungen anbringen, wo ich das Gefühl habe, dass das Dinge sind, die die Erstsemester noch nicht wissen können. In der zweiten Hälfte der Themen (Thema fünf bis acht) wird diese Unterstützung weiter ausgeblendet. Ziel ist es, dass die Studierenden selbst in der Lage sind, Fragen und Antworte mit angemessener Qualität hinzubekommen. Begleitet werden sie dabei aber weiterhin von studentischen Tutoren und durch drei weitere Präsenz-Tutorien, die ich selbst mache. Am Ende jeder Runde können sich die Studierenden natürlich darauf verlassen, dass ausschließlich richtige Fragen und Antworten im Wiki stehen. Wenn die vorgeschlagenen Fragen und Antworten aber schlecht oder fasch waren und gelöscht wurden und am Ende zu wenige Fragen/Antworten im „Pool“ sind, müssen die Studiereden damit rechnen, dass ich in der Klausur eigene Fragen beisteuere. Anbei die Folien aus dem heutigen Tutorium: VL_Tutorium1

Warum mache ich das? Nun ich denke, wer nicht aktiv mitmacht und auf Auswendiglernen setzt, für den bleibt es weitgehend gleich, ob er 160 Fragen und Antworten oder 120 Folien auswendig lernt, die man normalerweise in so einer Vorlesung mindestens präsentiert. Ich hoffe aber jetzt natürlich auf einen kleineren Prozentsatz von „Auswendig-Lernern“, die sich statt dessen doch lieber mit der sehr begrenzten Textlektüre auseinandersetzen, sich am Wiki beteiligen und auf diese Weise über ca. 10 Wochen lang kontinuierlich mit überschaubaren Zeitinvestitionen „aktiv lesen“, Fragen zum Text formulieren, diese beantworten und dabei auch darüber nachdenken, was in einem Text wohl wichtig ist und was nicht, was man wissen und sich merken sollte. Wer auf diese Weise mitarbeitet, wird sich in sehr kurzer Zeit auf die Klausur vorbereiten können – immerhin hat er selbst an ihr mitgearbeitet. Einen Schaden sehe ich hier nicht – vielmehr hätte man erreicht, was man sich immer wünscht, nämlich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Lektüre, die man zum Semesterbeginn als lesenswert recherchiert und/oder für die Studierende aufbereitet hat.

Nach zwei Wochen muss ich das Experiment immerhin nicht abbrechen. Bis jetzt scheint der Weg gangbar, auch wenn die ersten Steine erst mal aus dem Weg geräumt werden mussten. Ich bleibe optimistisch und bin gespannt auf den weiteren Verlauf. Jedenfalls zeigen mir die ersten Wochen, dass es sinnvoll ist, die Studierenden dazu anzuregen, selbst Fragen zu stellen – das ist nämlich, wie jetzt viele feststellen, gar nicht so einfach, aber man kann es lernen!

Vom Peer Review zur Umerziehung?

Ich weiß, dass man das an sich nicht macht. Ich mache es trotzdem – einen abgelehnten Forschungsantrag online stellen. Warum? Man kann es als Beitrag zum Wissensmanagement (allgemeine Infos hierzu z.B. hier) im Wissenschaftsbereich sehen: Neben „Best Practices“ können Fehlschläge ebenfalls einen Lerneffekt nicht nur für einen selbst, sondern auch für andere (Nachwuchs-)Wissenschaftler haben – also durchaus eine Form von Wissensteilung. Man kann es vielleicht auch als einen Aspekt von „öffentlicher Wissenschaft“ interpretieren, wie es Christian Spannagel vertritt. Vor allem aber möchte ich damit anregen, über ein Problem nachzudenken und zu diskutieren, das man ansonsten gerne in seiner privaten Schublade verstaut (weil man es halt AN SICH nicht öffentlich macht).

Aber zum Inhalt: Es handelt sich um einen Antrag, in dem wir unsere Erfahrungen und bisherigen praktischen Versuche wie auch theoretischen und empirischen Arbeiten zum Thema „Emotion und Lernen“ einerseits sowie „Assessment und Feedback“ andererseits heranziehen und darauf aufbauend eine Studie (im Feld) durchführen wollten. Maßgeblich an diesem Antrag beteiligt war Silvia Sippel (die mit diesem Blog-Beitrag einverstanden ist).

Ein (kürzeres) Gutachten bewertet den Antrag positiv, moniert aber die beantragten Ressourcen. Dies ist einsichtig und hätte bei einer Überarbeitung auch entsprechend geändert werden können. Auch andere Änderungsvorschläge hätten wir gerne berücksichtigt – unser Vorhaben ist/war sicher nicht frei von Mängeln. Ein zweites (langes) Gutachten dagegen kommt zu einem weitgehend vernichtenden Urteil. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Bei einem Peer Review-Verfahren ist das nun einmal so und wenn man sich in dieses „Spiel“ begibt, hat man es zu akzeptieren, was selbstredend auch für mich/uns ist (Gedanken zum Thema in diesem Blog siehe auch hier, hier und hier). Allerdings bestärkt mich dieses (eigene) Beispiel mal wieder, dass es unter (sicher nicht allen, aber doch) bestimmten Bedingungen fruchtbar wäre, ein „open peer review“ durchzuführen. Ich würde zu diesen Bedingungen z.B. die Situation zählen, in der verschiedene methodische Auffassungen, letztlich auch erkenntnistheoretische Positionen aufeinanderprallen. Obschon wir bei diesem Antrag versucht haben, den Schwerpunkt auf einen quasi-experimentellen Vergleich zu legen, beinhaltet der Antrag doch auch entwicklungsorientierte Aspekte (wie ich sie z.B. hier und hier versucht habe, theoretisch zu begründen). Diese Richtung bedingt eine an mehreren Stellen andere Vorgehensweise als dies z.B. in der klassischen psychologischen oder pädagogisch-psychologischen Forschung favorisiert wird. Es wäre daher schon spannend gewesen, mehrere Meinungen auf diesen Antrag einzuholen und eine Chance zu haben, genau diese strittigen Punkte unter Peers (!) zu diskutieren. Nun gut, das Verfahren ist eben nicht so, aber man kann es ja immer wieder mal anregen, zumindest darüber nachzudenken, wo und wie man Peer Review-Verfahren auch anders gestalten bzw. Alternativen zur gängigen Praxis in unserer Disziplin ausprobieren könnte.

Kein Verständnis habe ich dagegen für einen speziellen Ablehnungsgrund, der auch im anschließenden Urteil (auf der Basis der Gutachten) formuliert wurde: Dieser Grund ist meine Publikationspraxis und die Feststellung, dass ich kaum in referierten Zeitschriften publiziert hätte, wobei gleich deutlich wird, dass hier ein recht enger Begriff von „Peer Review“ herangezogen wird (nämlich double blind reviews in fast ausschließlich englischsprachigen Journals). Unabhängig davon, dass man bereits darüber streiten kann, ob der Begriff des Peer Review in dieser Enge adäquat ist (zudem: ich mache viele Beiträge online zugänglich, sodass jeder, der es will, ein „Review“ durchführen kann), wundere ich mich schon: Habe ich ein persönliches Stipendium beantragt oder die Finanzierung eines Forschungsprojekts? Geht es um die Förderung meiner Person oder die einer Sache? Darf die Art der Publikationen (wohl gemerkt: nicht die Vorarbeiten, sondern der Ort deren Veröffentlichung) eines Antragstellers wirklich ein Kriterium für die Beurteilung der Qualität eines Forschungsantrags sein? Mir wird geraten, mich im Hinblick auf weitere Anträge diesbezüglich mehr zu engagieren. Gut gemeinter Tipp! Leider aber sind viele dieser Journals ja auch wieder so gestrickt, dass die meisten meiner Arbeiten darin eher keinen Platz finden. Ich müsste also meine Arbeit auf die Zeitschriftenpraxis abstimmen (als Wissenschaftler meint ja erst mal ganz naiv, es sollte umgekehrt sein). Was soll das werden? Ein Umerziehungsprogramm? Das macht mich schon ein bisschen nachdenklich und auch ratlos. Hier der Antrag:

Forschungsantrag

Unangenehmer Schritt mit angenehmen Folgen

Im Juli 2009 habe ich in meinem Blog (hier) kurz über einen unangenehmen Schritt berichtet, nämlich die Rückgabe meiner Herausgeberschaft für das Themenheft „Assessment im Hochschulunterricht“ der Zeitschrift für Hochschulentwicklung (kurz: ZFHE). Ich konnte mich mit dem Ablauf und meiner Rolle, in der ich an sich kaum aktiv werden konnte, nicht mehr wohl gefühlt und dies auch dem wissenschaftlichen Beirat mitgeteilt. Nun bin ich vor kurzem darüber informiert worden, dass man das Verfahren der Einreichung und Begutachtung sowie die Rolle des Herausgebers überarbeitet hat. Darüber kann man sich auf der Web-Seite der Zeitschrift hier informieren. Es ist natürlich sehr erfreulich, dass diese Entscheidung im Sommer, die mir sehr schwer gefallen war, doch noch positive Folgen hatte. Daher bin ich dann auch der Bitte nachgekommen, die Herausgeberschaft wieder aufzunehmen. Zu den letztlich fünf Beiträgen, die in das Themenheft aufgenommen wurden, habe ich ein kurzes Editorial verfasst. Es wird nächste Woche online gehen.

Editorial Assessment im Hochschulunterricht

Experiment mit ungewissem Ausgang

Diese Woche ist es soweit: Mein „Experiment“ zur Podcast-Vorlesung startet an diesem Mittwoch (28.10.2009), an dem ich die Einführung mache und den Studierenden das Konzept erkläre (hier die Folien: Einfuehrungsfolien). Am Donnerstag dann wird der erste Themen-Podcast hochgeladen. Aktuell kann man schon mal den Einstiegspodcast (hier) anhören – zur Rahmung der Story sozusagen.

Ich habe in diesem Blog bereits mehrfach über die Podcast-Vorlesung, ihre theoretischen Grundlagen (hier und hier) und das Konzept (hier) berichtet. Zum Vorlesungsblog, auf dem die Podcasts abzurufen sind geht es hier. Natürlich werden wir diesen Versuch wissenschaftlich begleiten. Ich bin selbst sehr gespannt, was am Konzept funktionieren wird, wo wir nachbessern müssen und an welchen Stellen (hoffentlich wenige oder keine) negative Effekte auftreten.

Ich habe für dieses Vorhaben mehrere Helfer: Christian Jocher-Wiltschka ist unser Podcast-Experte und wird mit seiner Abschlussarbeit in die wissenschaftliche Begleitung einsteigen. Unterstützt wird er dabei nicht nur von mir, sondern auch von Marianne Kamper. Beide werden zusammen mit Tamara Specht die Studierenden zudem tutoriell begleiten. Das in die Vorlesung integrierte Tutorium zum wissenschaftlichen Arbeiten übernimmt Hannah Dürnberger. Und ohne Frank gäbe es keinen Podcast – er hat sich mutig auf die „Vorlesungsgespräche“ eingelassen, die uns letztlich beiden viel Spaß gemacht haben. Jetzt gilt es zu hoffen, dass sie auch beiden Studierenden positiv ankommen und vor allem ihren Zweck erreichen.

In widersprüchlichen Anforderungen verstrickt

Semesterbeginn im Herbst – das ist meistens eine turbulente Sache, aber dieses Jahr erscheint es mir besonders turbulent. Wir sind dieses Semester für den Bachelor (BA) und Master (MA) „Medien und Kommunikation“ mit einer neuen Studien- und Prüfungsordnung gestartet. Der Hintergrund ist der, dass unser „alter“ BA und MA (gestartet im Wintersemester 2001/02) den jetzt geltenden Vorstellungen insbesondere von Akkreditierungsagenturen nicht gerecht werden würde (zu frei, zu flexibel). Also haben wir nun „nachgebessert“, manche Löcher gestopft und – wie so viele andere auch – mehr Pflichtbereiche definiert und Vereinbarungen mit Nebenfächern etc. getroffen. Ich finde, unser Studiengang ist bisher recht gut gelaufen, auch wenn wir viel improvisiert haben. Damit aber ist jetzt Schluss, was aber nicht nur an der neuen Prüfungs- und Studienordnung liegt, sondern auch an wachsenden Ansprüchen an „rechtsgültigen Leitlinien“. Ich will mich hier nicht über Details auslassen, aber ich empfinde vor allem Folgendes als zeitraubend (vor allem in der Rolle als Vorsitzende des Prüfungsausschusses) und auch als belastend: Einerseits sollen wir als Fachvertreter die Gleichwertigkeit von Leistungen feststellen, wenn diese außerhalb des regulären Curriculums erbracht wurden – also z.B. im Ausland, in einem Fach, das an sich nicht vorgesehen war, aber jetzt eine durchaus passende Veranstaltung anbietet, bei der Virtuellen Hochschle Bayern usw. Andererseits aber gibt es permanent Probleme in der Verwaltung, wenn diese Veranstaltungen nicht schon Wochen oder Monate vorher erfasst, im Prüfungsamt aufgelistet u. ä. werden. Noch schwieriger wird es, wenn z. B. im Nebenfach Master-Studierende auch mal eine BA-Veranstaltung besuchen wollen, weil der Inhalt für sie neu ist und sie eben auch im Master noch ihren Horizont erweitern wollen.

All das ging bisher durch genaue inhaltliche Prüfung (passt es im einzelnen Fall?) relativ problemlos und in meinen Augen war genau das „Bologna-konform“: nämlich die Anerkennung von Leistungen, die man nicht zu einer bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort erbracht hat (nur nebenher: das ist auch die Voraussetzung für Mobilität). Nun aber wird immer deutlicher, dass dieser Freiheit viele Grenzen gesetzt sind – überall herrscht in der Verwaltung Angst vor Klagen seitens der Studierenden: Wenn man großzügig etwas anerkennt, beim nächsten Fall aber Bedenken hat (weil der Einzelfall halt anders ist), könnte letzterer klagen. Also besser nichts anerkennen, was nicht eindeutig und vorher festgelegt worden ist. Genau das aber nimmt einem jede Flexibilität und das führt auch das Grundprinzip ad absurdum, dass an sich der Fachvertreter entscheiden sollte, ob etwas gleichwertig ist oder eben nicht.

Ich will da gar nicht die Verwaltungen oder gar einzelne Personen „anklagen“, denn aus der juristischen und administrativen Logik mögen die jetzige Vorsicht und die daraus resultierenden restriktiven Folgen gerechtfertigt sein. Vielmehr haben wir da einen ganz gewaltigen grundsätzlichen Webfehler, der mir ehrlich gesagt nicht nur Zeit, sondern bald auch den letzten Nerv raubt. Natürlich ist es erstrebenswert, Studierende vor der Willkür etwa einzelner Professoren zu schützen (z.B. in Anerkennungsfragen). Ich habe aber den Verdacht, dass sich die Studierenden bald nach genau diesen Entscheidungen von Professoren zurücksehnen werden, nämlich dann, wenn das unpersönliche Kontroll- und Sicherungssystem so undurchschaubar wie das Steuersystem geworden ist, das keiner mehr richtig durchblickt. Wenn es also in nächster Zeit etwas stiller in diesem Blog werden sollte, dann schlage ich mich wahrscheinlich mal wieder mit Anerkennungsanträgen und Rechtfertigungen vor dem Prüfungsamt herum oder habe mich vollends in widersprüchlichen Anforderungen verstrickt.