Dozierwahn und Hochschuldidaktik

„Aktionsfelder der Hochschuldidaktik. Von der Weiterbildung zum Diskurs“ – dieses Buch erscheint demnächst im Waxmann Verlag, herausgegeben von Mitarbeiter/innen (und ehemaligen Mitarbeiter/innen) an der Universität Zürich im Bereich Hochschuldidaktik. Anlass war/ist der Wechsel des Leiters, Peter Tremp, an eine andere Wirkungsstätte. Da ich dank Peter Tremps Programmen und Fürsprache schon oft in Zürich war, war ich natürlich gerne bereit, für das Buch, das ihm gewidmet ist, einen Beitrag zu liefern. Mein Titel (im Buch etwas verkürzt wiedergegeben) lautet: „Förderung von Lehrkompetenz in der wissenschaftlichen Weiterbildung: Ausgangslage, Anforderungen und erste Ideen“. Hier der Preprint und die Buchankündigung:

Preprint_Lehrkompetenz_wiss_Weiterbildung

Weil, Schiefner, Eugster, Futter-1

Bei der Gelegenheit möchte ich auch endlich mal auf einen älteren, aber aus meiner Sicht lesenswerten Beitrag über die Entwicklung der Hochschuldidaktik von Ludwig Huber aufmerksam machen: „Hochschuldidaktik als Theorie der Bildung und Ausbildung“. Der Beitrag ist von 1983 (z.B. hier als Volltext herunterzuladen) und dennoch hochaktuell. Sehr schade ist nur, dass diese Geschichte der Hochschuldidaktik bislang nicht fortgeschrieben wurde! Ich finde den Beitrag sehr informativ; er  macht u.a. gut deutlich, dass weder die Diskussion um die vermeintliche oder tatsächliche „Pädagogisierung der Hochschule“ noch der Streit um Reformen (z.B. zur Verringerung des „Dozierwahns“, S. 121) eine neue Erscheinung ist. Dass sich für Huber Hochschuldidaktik immer auch mit Hochschulpolitik verbindet (S. 116), ist vor dem Hintergrund seiner historischen Skizze mehr als nachvollziehbar – und wer sich in diesem Feld ernsthaft engagiert, wird das selbst auch immer wieder zu spüren bekommen.

Verständigung auch ohne den Kompetenzbegriff?

An sich gehen mir ja diese Kompetenzdiskussionen allmählich auf die Nerven. Ich frage mich, ob wir uns nicht auch verstehen würden, wenn wir von Wissen, Können und Haltungen sprechen würden, meinetwegen auch von Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen. In der eingesparten Zeit könnten wir uns stattdessen mehr Gedanken darüber machen, welche Bildungsziele wir eigentlich verfolgen, was für eine Idee (oder Ideen) von Bildung wir für welche Gesellschaftsbereiche warum bevorzugen, welchen Beitrag die Hochschulen dazu leisten, was überhaupt „Hochschulbildung“ ist etc. Ich denke mir das z.B. immer wieder, wenn ich diese formalisierten Kompetenzdarstellungen in Modulhandbüchern lese, die sich immer mehr wie Stellenangebote lesen. Und doch kommt man da nicht raus – z.B. dann nicht, wenn man selbst seine Module beschreiben soll, und auch dann nicht, wenn man gebeten wird, einen Beitrag für ein Handbuch zur Informationskompetenz zu schreiben: Meine Aufgabe war es, einen kurzen Handbuchartikel darüber zu verfassen, in welcher Beziehung das persönliche Wissensmanagement zur Informationskompetenz steht. Hier der Preprint:

Preprint_Informationskompetenz und persönliches Wissensmanagement

Ob es auch ohne den Kompetenzbegriff gegangen wäre?

Nachtrag am 13.08.2011: Leider muss ich den Preprint vom Netz nehmen, weil der Verlag dies nicht möchte. Erst ein Jahr nach Erscheinen des Bandes ist dies wieder möglich.

15 Kilo Wissen

Nun wird es aber Zeit, dass ich endlich auch mal ein paar Worte über das Ende und den Neuanfang unserer Arbeit im Kontext „digitale Medien in der Fahrlehreraus- und -weiterbildung“ verliere. Im Mai haben wir das EU-Projekt „Driver Instructor Education 2.0“ abgeschlossen. Sowohl Tamara (hier) als auch Frank (hier) haben darüber bereits ausführlich berichtet (zum Projektüberblick mit weiterführenden Links siehe hier). Auch im digitalen Zeitalter gilt es nach wie vor, die Ergebnisse zu materialisieren. Herausgekommen sind „15 Kilo Wissen“ (in Form zweier Pakete mit dicken Aktenordnern an die EU): Was für eine schöne Möglichkeit der Quantifizierung von Forschungsoutput … mich wundert es, dass man das noch nicht als reguläres Maß eingeführt hat. Fast nahtlos können wir nun ab Juni im Rahmen eines bmbf-Projektes die kommenden eineinhalb Jahre auf diesem Gebiet weitermachen. Unter dem Titel „Partizipative Qualitätsentwicklung in Fahrlehrerausbildungsstätten zur videobasierten Förderung von Lehrkompetenz“ soll das Erfahrungswissen von Ausbildern zum Einsatz von Video in der Fahrlehrerausbildung in einer virtuellen Community gesammelt, zum gegenseitigen Nutzen ausgetauscht und dabei auch neue Vorgehensweisen entwickelt werden.

Mich persönlich interessieren Kontexte wie die Fahrlehrerausbildung vor allem vor dem Hintergrund, wie sie sich z.B. von akademischen Kontexten unterscheiden, welche besonderen Herausforderungen sie stellen und was man daraus generell für das Lehren und Lernen lernen kann. Für Tamara freue ich mich, dass sie nun ihre in den letzten eineinhalb Jahren aufgebauten Kenntnisse und Fähigkeiten auf diesem Feld ausbauen und bald als unsere „Fahrlehrer-Expertin“ fungieren kann :-). Den Sog, solche Anschlussprojekte nicht nur ausschließlich aus inhaltlichen Gründen, sondern AUCH deswegen zu akquirieren, dass man den wissenschaftlichen Nachwuchs weiter fördern kann, spüre ich seit einigen Jahren in hohem Maße. Während das einerseits durchaus motivierend sein kann und man dabei eben auch neue Dinge lernt, die dazu gehören, wenn man Führungsaufgaben in kleineren oder größeren Teams übernimmt, erhöht es andererseits zumindest langfristig die Gefahr sich zu verzetteln. Ganz schnell kann es dann zudem passieren, dass man – bildlich gesprochen – das „Gewicht“ des eigenen Outputs in den Vordergrund rückt – als könne man wissenschaftliche Erkenntnis tatsächlich abmessen wie Industrieprodukte.

Didaktik als überflüssiger Ballast?

Immer wieder stelle ich bzw. stellen wir (also auch meine Mitarbeiter und Doktoranden) fest, dass es große Abneigungen gegenüber „didaktischen Maßnahmen“ gibt. Das beginnt schon an der Hochschule, an der man immerhin meinen könnte, dass die dort verankerte Lehre offen für einen didaktischen Blick ist. Dass man didaktische Erkenntnisse sehr gut auch außerhalb klassischer Bildungsinstitutionen nutzen kann – nämlich in all den vielfältigen Situationen, in denen Menschen einander etwas beibringen, zeigen, weitergeben etc. wollen –, ist noch einmal schwerer zur „vermitteln“. Umgekehrt schaut man gerne auf andere Disziplinen wie z.B. Informations-, Medien- und Kommunikationswissenschaft, von denen man offenbar leichter Rat in Sachen „Wie kann ich das erklären oder zugänglich machen?“ annehmen kann und will. Jedenfalls muss ich darüber sehr oft nachdenken – logischerweise immer dann, wenn wieder mal so eine Erfahrung im Raum steht, bei der Didaktik als ziemlich überflüssig empfunden wird (übrigens auch bei vielen Erziehungswissenschaftlern). Herausgekommen ist jetzt endlich mal als „Auftakt“ eine Forschungsnotiz – wobei die fast schon ein bisschen zu lang geraten ist, um noch als „Notiz“ durchgehen zu können. In dieser gehe ich der Frage nach, ob der Begriff „Vermittlungswissenschaft“ nicht ein fruchtbarer Anker wäre, um (unter anderem) didaktische Erkenntnisse zum einen „attraktiver“ zu machen und zum anderen für die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen zu öffnen, die sich auch mit Vermittlungsfragen im weitesten Sinne beschäftigen.

forschungsnotiz_2011_09

Ich hoffe jetzt, dass für interessierte Leser die Forschungsnotiz noch kompakt genug ist, um sie zu lesen. Jedenfalls würde mich über Rückmeldungen freuen.

Wo sind die kreativen Intellektuellen?

Seit einigen Tagen liegt die Veröffentlichung der Studie „Der Wandel des Hochschullehrerberufs im internationalen Vergleich” auf meinem Schreibtisch, die ich endlich gelesen habe. Mandy hat (hier) bereits ausführlicher einige – speziell für Fragen der Lehre interessante – Resultate zitiert (sie war schneller als ich ;-)), was ich von daher an der Stelle nicht zu wiederholen brauche. Seltsam ist, dass zwischen der Veröffentlichung und der Befragung selbst vier Jahre liegen. Ich vermute, dass sich in diesen vier Jahren wieder einiges verändert hat. In der Summe kommt die Studie beim Thema Lehre zu dem Schluss, dass deutsche Hochschullehrer im internationalen Vergleich verschiedene Defizite aufweisen und allem voran von den digitalen Medien zur Verbesserung der Lehre eher wenig wissen wollen – also: sehr wenig! Auch die Entwicklung von Lehrmaterialien scheint nur eine Minderheit der Lehrenden an deutschen Hochschulen zu interessieren. Innovationsfreude in Sachen Studiengangentwicklung – so die Interpretation der Autoren der Studie – sei wenig vorhanden. Außerdem ein Ergebnis: Allenfalls ein Drittel der Hochschullehrer sehen einen Einfluss von Lehrevaluationen auf ihre Lehre in dem Sinne, dass diese zu Verbesserungen führen. Okay – „nur“ ein Drittel, aber ich war fast überrascht, dass es immerhin ein Drittel ist: So wie viele Lehrevaluationen erfolgen – mit oft unpassenden standardisierten Items und in Form einer Zwangsmaßnahme – finde ich dieses Ergebnis fast schon positiv.

Überhaupt sollte man den Zusammenhang zwischen Lehrqualität und der Art der Evaluation genauer betrachten. Meiner Ansicht nach wirken sich Evaluationen, wenn sie als zentralistisches Kontrollinstrument verstanden und durchgeführt werden, eher kontraproduktiv auf die Lust der Lehrenden aus, „innovationsfreudiger“ zu werden – was ja die Studie als Mangel feststellt. In manchen Unis wähnt man sich schon im Besitz eines „Konzepts zur Lehrqualität“, wenn man sich für ein technisches Erhebungsinstrument entschieden hat. Auf den Trend, hier mehr mit Vorgaben statt mit Vertrauen auf die Expertise der Hochschullehrer zu arbeiten, weisen auch die Autoren der Studie hin, wenn sie auf folgende Veränderung der Rahmenbedingungen für Hochschullehrer aufmerksam machen: „Mehr Dispositionsspielräume für die einzelnen Hochschulen gegenüber staatlichen Vorgaben, mehr Evaluation, ein machtvolleres Hochschulmanagement, mehr Anreiz- und Sanktionsmechanismen, sowie stärkere Erwartungen, die Qualität, Relevanz und Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit zu demonstrieren.“ Wer hier ein gewisses Unbehagen spürt, dem kann ich die Abschiedsvorlesung von Heiner Keupp aus dem Jahr 2008 (also einem Jahr nach der Befragung) empfehlen, der es gut versteht, dieses Unbehagen auf den Punkt zu bringen – allem voran mit dem Hinweis, dass die Universität als Teil eines „marktradikalen Gesellschäftsmodells“ immer mehr „die Figur des kreativen Intellektuellen“ ersetzt, „der seine gedankliche Unabhängigkeit gerade dadurch erweist, dass er nicht von fremdgesteuerten Geldströmen abhängig ist“ (Keupp, 2008, S. 8). Vielleicht hätte man in die Studie zum Hochschullehrerberuf auch eine Frage in diese Richtung einbauen können – nämlich, ob und inwieweit sich Hochschullehrer noch als unabhängig empfinden und an einem Ort wähnen, der „gesellschaftliche Verantwortung übernimmt“ und an dem „die wichtigsten Zukunftsthemen unserer globalen Welt“ (Keupp, 2008, S. 13 f.) öffentlich und kritisch diskutiert werden.

Autonomie der Zerstörung

Eine Universität wehrt sich – statt sich zu beugen und aus einer Angstmotivation heraus im vorauseilenden Gehorsam umzusetzen, was aus unerfindlichen Gründen gerade mal wieder postuliert oder angekündigt wird: Die Universität Hamburg – schon vor ca. knapp zwei Jahren in den Schlagzeilen, als die Dekane den Aufstand gegen das Präsidium wagten (erfolgreich!) – nimmt öffentlich (hier) zu den angekündigten Kürzungen von bis zu 10 Prozent Stellung. Die Folge wären, so wird vorgerechnet, ein „Wegfall von 60 Professuren (unter der Annahme, dass eine Professur inkl. Ausstattung im Schnitt etwa 300.000 EUR kostet)“ und die „Schließung von bis zu 30 kleinen und mittelgroßen Fächern.“ Große Worte (z.B. in diversen Reden von Leitungspersonen an Unis und Verbänden) kennt man ja, aber erfreulicherweise wurden gleich ganz konkrete Maßnahmen beschlossen; u.a. wird die Entwicklung eines Internationalisierungskonzepts ebenso ausgesetzt wie die des Strukturentwicklungsplans; auch Veranstaltungsbeteiligungen der Uni werden abgesagt. Da hat man das Gefühl, dass die Universitätsleitung hinter ihren Mitgliedern steht und nicht nur Handlanger der Politik ist. Gut so! Die Begründung für den Widerstand ist knapp und nachvollziehbar: „Das Präsidium tritt für eine Autonomie der Gestaltung ein, nicht für eine Autonomie der Zerstörung.“

Auf die Füße getreten

76 Kommentare in zwei Tagen auf einen ZEIT-Artikel – das ist durchaus beachtlich. Geschafft hat das ein Beitrag über die Studie ZEITLast, deren Ergebnisse nun in einem Buch erscheinen (Rolf Schulmeister, Christiane Metzger (Hrsg.): Die Workload im Bachelor: Zeitbudget und Studierverhalten. Eine empirische Studie. Waxmann 2011). ZEITLast möchte Transparenz in den tatsächlichen Zeitaufwand Studierender bringen und den vielen Vermutungen vor allem zum Zeitstress der Studierenden in den neuen Studiengängen objektive Zahlen entgegenhalten. Anders als viele andere Studien schätzen die Studienteilnehmer/innen ihren Zeitaufwand hier nicht retrospektiv, sondern erfassen laufend, wofür sie wie viel Zeit aufwänden.

Der Beitrag ist – wie das journalistische Texte zu speziellen Themen oft sind – stellenweise etwas unglücklich formuliert, enthält auch Fehler (Rolf Schulmeister wird zum Informatiker gemacht) und ist durch die Art der Darstellung schon etwas darauf angelegt zu polarisieren. Der wohl intendierte Effekt wurde denn auch erreicht – teilweise zeugen die zahlreichen Kommentare von erzürnten Reaktionen. Es wäre sicher ganz interessant, die Beiträge inhaltsanalytisch auszuwerten: Manche rechnen da ihr eigenes Zeitkonto nach, viele verweisen auf die (in der Studie ebenfalls festgestellten) Unterschiede zwischen Disziplinen und Fächern, einige bemängeln die Studienmethode (über die der Beitrag allerdings gar nicht viel sagt), ein paar machen auf den Unterschied zwischen Zeiterleben und faktisch gebrauchter Zeit aufmerksam (ein Punkt, der auch aus meiner Sicht sehr interessant ist) und sehr viele fühlen sich offenbar persönlich angesprochen und in der Folge massiv auf die Füße getreten.

Unabhängig von diesem Beitrag im Speziellen frage ich mich bei Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln über wissenschaftliche Ergebnisse oder Ereignisse (siehe auch die Plagiatsaffäre hier, hier und hier in diesem Blog) oft, ob die Relation zwischen dem damit erzielten Nutzen (breite Aufmerksamkeit für ein Thema) und dem potenziell angerichteten Schaden (verkürzte und/oder verfälschte – weil nicht richtig verstandene – Aussagen) noch ausreichend ausgewogen ist. Ich bin ja der Meinung, dass Wissenschaftler selbst mehr für die Verbreitung gesellschaftlich relevanter Erkenntnisse tun könnten und dies nicht nur den Journalisten überlassen sollten – digitale Medien haben dies immerhin sehr erleichtert. Allerdings – das liegt natürlich auf der Hand – erreicht man damit nach wie vor niemals eine solche Breite wie ein Beitrag etwa in Spiegel oder Zeit online. Aber drüber nachdenken könnte man ja mal.

Promotion mit 40 plus?

Seit April 2011 läuft wieder unser Doktoranden-Frühjahrszyklus (hier versuche ich einigermaßen regelmäßig darüber zu berichten). Gesten hatten wir einen Workshop zu Online-Communities mit zwei interessanten Gästen: Swapna Kumar und Markus Marquard. An mehreren Stellen in der Diskussion sind wir auf die Frage des Alters in Bezug zu Lernen, Erfahrungsaustausch, aber auch Studium gekommen: Lernen Menschen jenseits des jungen Erwachsenenalters (wo man das festmacht, ist jetzt schwierig) anders? Interessierter? Mit mehr Erfahrung im Hintergrund? Wie ist das, wenn man jenseits der 40 promoviert? Lernt man anderes, weil man z.B. andere Fragen stellt? Und wie ist das, wenn man jenseits der 60 erstmals Wikipedia-Artikel schreibt? Das Thema stand gestern nicht im Zentrum , es schein nur ab und zu durch – vor allem deswegen, weil uns Markus Marquard einen Vortrag über das Projekt „Third Age Online“ gehalten hat, und da geht es um Online-Communities für ältere Menschen. Immer wieder aber kamen wir auf das Thema Alter zurück, und ich halte es für ein sehr wichtiges Thema, das uns schon in früheren Arbeiten zum Wissensmanagement immer wieder einmal beschäftigt hat: Insbesondere der Erfahrungsreichtum, der mit den Jahren steigt, ist ein Punkt, der in unserer Gesellschaft nach wie vor zu wenig gesehen und genutzt wird. Stattdessen neigen wir dazu, in nahezu allen Bildungsinstitutionen mit homogenen Gruppen zu lernen (in Graduiertenkollegs gilt das auch für Doktoranden, wo sich wahrscheinlich selten jemand mit 40 plus verirrt). Besonders ausgeprägt ist das auch an der UniBw München: Hier sitzt immer EIN Jahrgang in den Veranstaltungen und man hat kaum Möglichkeiten, die Jahrgänge zu mischen. Ich muss mir mal Gedanken machen, wie man das dennoch durchbrechen kann: Wir lernen definitiv zu wenig voneinander. Und wenn man mal die Gelegenheit dazu hat, merkt man, wie unerfahren wir damit sind, denn: Ich glaube nicht, dass allein das Zusammenbringen von Menschen aus verschiedenen Generationen ausreichend ist, um fruchtbare Austausch- und Lernprozesse in Gang zu setzen. Vielmehr denke ich, dass man das geschickt initiieren, begleiten und nachbereiten muss.

Studierende als Untergattung des Schwamms

„Mach was du willst …. und da habe ich eigentlich erst gelernt zu studieren“ – so beginnt ein Film zum Thema Hochschullehre mit dem Titel LehreN (das Projekt LehreN ist ein Gemeinschaftsprojekt der Alfred Töpfer Stiftung, der Universität Hamburg und der Nordmetall Stiftung). Der Film soll die Ergebnisse aus mehreren Workshops (mit Beteiligten aus einem Netzwerk aus Hochschullehre, -leitung, -management, und -didaktik) kompakt zusammenfassen und vor allem die Entwicklungspotentiale für die Lehre an den Hochschulen deutlich machen. Das Eingangszitat stammt von Ulrich Wickert, der von seinen Studienerfahrungen berichtet, und ob das so glücklich gewählt ist, wenn man auf die Notwendigkeit hochschuldidaktischer Bemühungen hinweisen will, sei dahingestellt (angesichts der vielen „Bologna-Zwänge“ freut man sich erst einmal über solche Aussagen – auch ich – und nickt zustimmend, aber wenn man es zu Ende denkt …). Auch Schüler kommen im Film kurz zu Wort: „In der Schule ist alles kurzlebig. Man bearbeitet ein Thema zwei Wochen lang und dann kommt das nächste. Wenn man einfach nur auswendig lernt, reproduziert und danach wieder vergisst, kommt man damit sehr weit in der Schule.“ Der Schüler, der diesen traurigen Umstand treffend feststellt, hofft auf die Hochschule – dass es dort anders sein möge. Anders aber könne es langfristig nur werden, so Dieter Lenzen im Film, wenn bei Lehrenden und Lernenden die Bereitschaft da ist, Experimente zu machen. Recht hat er (aus meiner Sicht): Nur haben das Akkreditierungsagenturen und Ministerien noch nicht verstanden, denn: Kontrollwahn lässt sich mit Experimenten in der Lehre genau nicht vereinbaren. Nicht vereinbar wäre dies auch mit der Haltung, dass Studierende eine „Untergattung des Schwamms“ sind, die „Wissen in großen Mengen aufsaugen, um es bei Bedarf wieder abzusondern“ – so die Comic-Darstellung im Film. Wollen wir hoffen, dass alle die Ironie in dieser Darstellung auch klar erkennen.

Rettungsanker zur Evaluation

Eher spontan aus einem praktischen Anlass heraus ist ein neuer (allerdings relativ kurzer) Studientext zum Thema Evaluation entstanden. Im Herbst 2010 hatte ich ein Evaluationsseminar (für Studierende im zweiten Studienjahr) angeboten, das mit drei „Input-Sitzungen“ (und einem Lektüre-Reader im Hintergrund) begann, bevor die Studierenden selbst ein eigenes (kleines) Evaluationsprojekt durchführen sollten. Mein Eindruck (der sich dann in der Seminarevaluation bestätigt hat) war, dass meine mündlichen Ausführungen inklusive Folien (und Reader) nicht zu dem gewünschten mentalen „Grundgerüst“ geführt hatten, das mir aber für die eigenen Evaluationsversuche der Studierenden notwendig erschien. Zur gleichen Zeit saß ich für ein Projekt an der Sichtung aktueller Evaluationsliteratur, sodass ich beides gut zu einem eigenem Text verbinden konnte (eine Vorversion haben die Studierenden dann VOR Ihren Projekten erhalten). Den nun in einer offiziellen Version fertigen Studientext stelle ich – wie die Studientexte zum Wissensmanagement und zum Didaktischen Design – wieder online und damit zur Nutzung in der Lehre gerne zur Verfügung: nämlich hier.

Der Studientext zur Evaluation erwies sich im Rahmen des genannten Seminars als hilfreich. Die Kürze mag auf der einen Seite etwas gefährlich sein (viele Dinge werden logischerweise nur angerissen und/oder nicht in der Differenziertheit dargelegt, in der man sie in der wissenschaftlichen Literatur findet). Auf der anderen Seite zeigte der Text seine Stärke als „Rettungsanker“ im besagten Seminar, sodass ich hoffe, dass er anderen auch noch dienlich sein kann.