Nicht irgendwie gemacht oder entstanden

Lang ist es schon wieder her …, als ich auf Paul Hoyningen-Huene getroffen bin, der mal zu einem Gespräch an der Zeppelin Universität war (ich meine, es war 2014). Eingeladen hatte Alfred Kieser und ich war gerne bei diesem Gespräch dabei, weil meine Recherchen im Vorfeld ergeben hatten: Das ist ein sehr interessanter Mann! Ursprünglich Physiker, war er bis 2014 an der Leibniz Universität Hannover vor allem für Wissenschaftsphilosophie zuständig und beschäftigte sich u. a. intensiv mit den Arbeiten von Thomas Kuhn und Paul Feyerabend. Und was dazu kommt: Viele seiner Texte sind gut verständlich – auch für aufmerksame Leser außerhalb der Philosophie (und das ist ja bekanntlich nicht selbstverständlich). Nun bin ich wieder auf einen Text von Hoyningen-Huene mit dem einfachen Titel „Was ist Wissenschaft?“ (von 2011) gestoßen, der erfreulicherweise online hier abgerufen werden kann.

„Nicht irgendwie gemacht oder entstanden“ weiterlesen

Was akademisches Lehren und Lernen so besonders macht

Was kennzeichnet das akademische Lehren und Lernen und damit auch die Hochschuldidaktik im Vergleich zu anderen Didaktiken? Aus meiner Sicht ist das die Wissenschaft als Medium und Gegenstand des Lehrens und Lernens. Und in genau diese Richtung geht auch ein aktueller Artikel von Rüdiger Rhein mit dem Titel „Hochschulisches Lernen – eine analytische Perspektive“, erschienen (als Open Access!) in der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung. Die Zeitschrift (siehe hier) lief viele Jahre über den Bertelsmann Verlag. Jetzt ist (hier) Springer am Zug – und gibt die Artikel frei, was mich ehrlich gesagt ziemlich überrascht hat.

Mich hat an Rheins Artikel jetzt nicht so sehr interessiert, wie und warum die Hochschuldidaktik auch Teil einer „Erwachsenenbildungswissenschaft“ sein kann – ein Begriff, den ich hier übrigens zum ersten Mal gelesen habe. Vielmehr interessiert mich, wie der Autor das akademische Lernen und Lehren spezifiziert. Im Kern betrachtet der Text dann aber vor allem das akademische Lernen (und weniger das Lehren), das – so die wesentliche Eigenschaft – Wissenschaft zum Gegenstand habe (S. 358).

„Was akademisches Lehren und Lernen so besonders macht“ weiterlesen

Ungewöhnliche Worte

Wenn man diesen Monat das aktuelle Heft von Forschung & Lehre aufschlägt, liest man Ungewöhnliches über die deutsche Sprache (online hier). Man solle das Deutsche auch als überregional nützliche Sprache nicht zu früh abhaken. Als Sprache der Integration, als Sprache des Zugangs zu und des Aufstiegs durch Bildung werde Deutsch wieder wichtiger. Und dann gäbe es da noch die geniale Wortbildung und den elastischen Satzbau im Deutschen – so die Worte von Roland Kaehlbrandt. Ungewöhnlich sind diese Worte, weil man eher umgekehrt inzwischen zunehmend rechtfertigen muss, wenn man in deutscher Sprache publiziert. Es ist zum Manko geworden, zum Defizit, das man beseitigen muss. Dafür gibt es gute Gründe – das ist mir bewusst. Umso schöner, wenn es auch mal für das Deutsche ein paar gute Gründe gibt 😉

Gier 4.0

Joachim Wedekind stellt (hier) fest: Alle beanspruchen plötzlich für sich die Version 4.0 – auf Gipfeltreffen, IT-Konferenzen und in Berichten über die Entwicklung unserer Wirtschaft und Gesellschaft. An mehreren Beispielen zeigt er, wie einfallslos die als Innovation deklarierten Entwicklungen sind – weit weg davon, die relevanten Probleme zu lösen, die wir haben und weiter auf uns zukommen. Wedekind kritisiert: Die Digitalisierung wird als alternativlos bezeichnet (ein Thema, das ich auf der Campus Innovation 2014 kurz aufgegriffen hatte, weil ich diesen Eindruck regelmäßig z.B. beim jährlichen Horizon Report habe: siehe hier) – und alle nicken: Erfolgreiche Lobbyarbeit, wie Wedekind treffend darstellt. Es würden falsche Prioritäten gesetzt und alte Denkmuster in die digitalisierte Welt fortgeschrieben. Am Ende dürfte vor allem eines in der mindestens vierten Version vorliegen: die Gier.

„Gier 4.0“ weiterlesen

Von der Meinungsvielfalt zum kohärenten Konzept

Unter dem Stichwort „Pädagogische Hochschulentwicklung“ ist kürzlich (Dezember 2015) ein Band von Taiga Brahm, Tobias Jenert und Dieter Euler herausgegeben worden. Die Beiträge des Bandes beschäftigen sich mit Fragen der Gestaltung von Lehrveranstaltungen ebenso wie mit Fragen der Studiengang- bzw. Programmentwicklung und der Implementierung von Programmen in der Organisation Hochschule. Es wird schnell deutlich, dass hier der Versuch gemacht wird, ein enges hochschuldidaktisches Verständnis zu weiten und dies mit dem Begriff der Hochschulentwicklung zu verknüpfen, was letztlich an ältere, ebenso umfassende, Auffassungen von Hochschuldidaktik erinnert (siehe dazu hier).

Im Augenblick ist für mich vor allem der Teil des Buches interessant, der als „Ebene der Studienprogramme“ umschrieben ist. Der Grund dafür ist, dass wir seit September 2015 intensiv an einer Weiterentwicklung des postgradualen und berufsbegleitenden „Master of Higher Education“ arbeiten. Dazu zunächst ein paar Infos zum besseren Verständnis.

„Von der Meinungsvielfalt zum kohärenten Konzept“ weiterlesen

Bildung für Digitalisierung

„ .. gibt es eine ´digitale Bildung´ und wie sollte sich diese von ´analoger Bildung´ unterscheiden? Lässt sich ernsthaft von ´digitalem Lernen´ sprechen, wenn man Lernen mit digitalen Medien meint?“ , fragt Michael Kerres in seinem aktuelle Text „E-Learning vs. Digitalisierung der Bildung: Neues Label oder neues Paradigma? – als Preprint online hier abrufbar. Im Mai 2014 hatte ich mir diese Frage auch schon mal (allerdings nur als Blogbeitrag hier und nicht systematisch aufbereitet) gestellt und mein Unbehagen an der „Digitalisierung der Bildung“ kurz erläutert. Kerres kommt zu dem Schluss, dass es sich wohl nur um Hilfsbezeichnungen handeln könne, die verschwinden würden, „sobald die Digitalisierung und die damit verbundenen Umwälzungen der Bildungsarbeit vorangeschritten (abgeschlossen?) sind, also sobald digitale Medien in der Bildungspraxis selbstverständlich geworden sind“. Insofern seien die Bezeichnungen nur Signale für einen Veränderungsprozess, der erstens alle Lernorte, zweitens alle „Geschäftsprozesse“ und drittens alle „Produkte“ betreffe.

„Bildung für Digitalisierung“ weiterlesen

Kern akademischer Hochschulbildung

Kürzlich habe ich noch einmal die aktuellen Empfehlungen des Wissenschaftsrats (2015) zum Verhältnis von Hochschulbildung und Arbeitsmarkt (online hier) zur Hand genommen (es handelt sich um den zweiten Teil einer Empfehlungsreihe, die sich speziell der Arbeitsmarktrelevanz von Studienangeboten widmet). Nachdem ich das Dokument schon mal im November kursorisch durchgesehen hatte, habe ich es jetzt noch einmal unter der Frage gelesen, welchen Stellenwert der Wissenschaftsrat in diesem Papier der Persönlichkeitsbildung beimisst. Um diese Frage beantworten zu können, fasse ich zunächst ein paar aus meiner Sicht relevante Inhalte (selektiv!) zusammen:

„Kern akademischer Hochschulbildung“ weiterlesen

Implizite Suchbewegung

„Darüber bin ich zufällig gestolpert“ – ich beobachte, dass ich das öfter mal sage, wenn ich auf Texte stoße, an denen ich hängenbleibe, obwohl ich eigentlich etwas anderes machen wollte. Und da ich (so glaube ich jedenfalls) nicht an dieser mysteriösen Krankheit der Prokrastination leide (früher formulierte man die Diagnose vielleicht auch ein wenig freundlicher als „Bummelei“), gehe ich mal davon aus, dass es einen Grund gibt, warum ich hängen bleibe. Und dieser Grund kann nur darin liegen, dass Aufmerksamkeit und Interesse in einem Maß geweckt werden, das ausreicht, um andere, zunächst scheinbar wichtigere Dinge, mal ein, zwei Stunden (oder länger) liegen zu lassen. Das ist mir heute Morgen um 5.00 (sowieso eine der besten Zeiten des Tages) mit einem Text von Günter Rexilius passiert (online hier zu lesen).

„Implizite Suchbewegung“ weiterlesen

Ein gutes Jahr

Seit sich der Soziologe Hartmut Rosa kritisch mit der Zeitalter der Beschleunigung auseinander gesetzt hat (hier), scheint er sich vermehrt dagegen wehren zu müssen, als Entschleunigungsguru angesehen zu werden. Das jedenfalls kann man in einem aktuellen Interview (hier) hören, das sich um den „ewigen Steigerungszwang“ dreht. Ausgangspunkt der Überlegungen von Hartmut Rosa ist die Feststellung, dass Menschen immer mehr bestimmte Dinge nicht um ihrer selbst willen tun, sondern um damit etwas zu erreichen bzw. um das ökonomische Kapital, das soziale Kapital, das kulturelle Kapital, ja sogar das Körperkapital zu steigern. Auch die Hochschulen ticken inzwischen so: „An Hochschulen zum Beispiel heißt es, es war ein gutes Jahr, wenn wir mehr Studierende haben, mehr Doktoranden, mehr Drittmittel, mehr internationale Publikationen usw.“ (was unter anderem an die Erkenntnisse von Richard Münch erinnert – siehe z.B. hier). Und genau das werde dem Menschen zum Problem, ohne dass er es aber alleine lösen könnte: „Es ist ganz wichtig zu sehen, dass man nicht einfach nur entschleunigen kann oder solche Oasen für alle schaffen, während gleichzeitig das System weiterhin ein Steigerungssystem ist.“ Das sei der kritische Punkt, denn moderne kapitalistische Gesellschaften setzen auf Steigerungen, weshalb man letztlich Systemreformen brauche; oder anders formuliert: Die große Sehnsucht der Menschen nach Langsamkeit und Resonanz sei unter den Bedingungen des Steigerungszwanges nicht möglich.

„Ein gutes Jahr“ weiterlesen

Hauptsache Hochglanz

Hochglanzbroschüren und findige PR-Abteilungen gab es früher nur in der Industrie. An der Universität schaute man manchmal neidisch, oft aber auch erleichtert auf den einen oder anderen Kooperationspartner in der Wirtschaft und nahm staunend die dortigen umtriebigen Aktionen der Marketing-Leute zur Kenntnis. Heute sind diese auch an Universitäten angekommen. In der November-Ausgabe von Forschung und Lehre ist (hier) das Thema PR und Wissenschaft ebenfalls aufgegriffen – durchaus kritisch und das erscheint mir auch dringend nötig, denn Forschung und Lehre sind keine Ware – Wissenschaft, Forschung und Lehre folgen einer eigenen Logik. Nun macht Karsten Gäbler (Universität Jena) in einem Gastbeitrag auf der Plattform von Hochschulform Digitalisierung darauf aufmerksam, dass zwischen der aktuellen PR zur Digitalisierung einerseits und der Realität an deutschen Hochschulen andererseits eine erhebliche Lücke klafft:

„Hauptsache Hochglanz“ weiterlesen