Durchgestylte Podiumsdiskussion

Mit Podiumsdiskussionen kann man es niemandem Recht machen: Entweder sie sind langweilig, weil sich endlose Monologe ohne gegenseitige Bezugnahme aneinanderreihen, oder die Diskussion gerät aus dem Ruder, was – die richtigen Diskussionspartner mal vorausgesetzt – mitunter noch den höchsten Unterhaltungswert hat. Beides fand während der abschließenden Podiumsdiskussion auf der GMW 2009 dank einer dominanten und durchgestylten Diskussionsleitung nicht statt: Die Moderatorin (Verena Metze-Mangold) hatte die Diskutanten ziemlich im Griff und zudem selbst einen recht hohen Redeanteil. Das ist schade, zeigten sich doch in den einzelnen Aussagen von Heidi Schelhowe, Horst Niesyto, Peter Baumgartner, Oliver Vornberger und Thea Payome durchaus recht unterschiedliche Positionen, die man durch geschickte Fragen (die man halt spontan hätte stellen müssen) aus meiner Sicht durchaus deutlicher hätte herausarbeiten können. Dann wäre wohl auch ein beträchtliches Streitpotenzial zum Vorschein gekommen, das einen zumindest gedanklich etwas weiter gebracht hätte. Ein paar Beispiele:

  • Dass niemand was gegen Medienkritik als eine Komponente von Medienkompetenz hat, dürfte klar sein. Welchen Stellenwert das aber heute in Schule und Hochschule tatsächlich hat und inwiefern das von gesellschaftlichen Gruppen (u.a. von Vertretern der Wirtschaft) wirklich gewünscht und gefördert wird, ist sicher alles andere als klar.
  • Keiner hat nachgehakt, was Peter Baumgartner denn eigentlich genau unter „user-generated context“ versteht: Ist das jedem klar gewesen? Mir nicht – aber das Publikum hat leider keine Chance erhalten, selbst Kommentare oder Fragen zu formulieren.
  • Lernen aus der Praxis – so ein Motto auf die Frage, wie denn der optimale „virtual classroom“ aussieht (wobei man die Frage selbst schon hätte auseinandernehmen können) – schien konsensfähig zu sein. Aber ist das das wirklich? Gleichzeitig nämlich wurde betont, wie wichtig „Orientierungswissen“ ist: Was ist denn das für ein Wissen und in welchem Verhältnis steht es zur Praxis? Wissen wir das? Ich weiß es nicht. Ich frage mich das bei jeder Lehrveranstaltung, die ich mache, aufs Neue: Was sollte man nur mal gehört haben, was sollte man zumindest wiedererkennen und was sollte man wirklich in dem Sinne „wissen“, dass man es artikulieren und anwenden kann? Orientierungswissen – das sagt sich so leicht, klingt gut und scheint uns von der Mühe zu entlasten, inhaltlich zu werden.
  • Auch in der Diskussion wurde klar, dass wir didaktischen Anforderungen kaum mehr ohne gleichzeitigen Blick auf die bildungspolitischen Rahmenbedingungen begegnen können. Folgerichtig fiel auch das Stichwort von der „Ökonomisierung der Bildung“ – eine Steilvorlage, die mehr als eine spannende Nachfrage ermöglicht hätte. Man begnügte sich mit der Klage, dass der Begriff Bildung im „Kanzlerduell“ kaum eine Rolle spielte und der Bachelor nur mehr zur Berufsausbildung diene.
  • Es klang an, dass die Hochschullehrer daran nicht ganz unschuldig sind (was auch stimmt): Sie würden keine Lobbyarbeit betreiben (man könnte nachfragen: Sind wir Politiker?) und sie würden sich unverständlich artikulieren (man könnte nachfragen: Sind wir Journalisten)? Ja, natürlich wär es super, wenn wir Forscher, Lehrer, Politiker und Journalisten in einem wären. Manche bekommen das ja auch hin – aber ist das eine flächendeckende Lösung für Probleme in der Hochschullandschaft? Dazu hätte ich gerne die Meinung der Diskutanten gehört – unter anderem.

Ich will jetzt die Podiumsdiskussion und vor allem auf keinen Fall die Teilnehmer/innen schlecht machen, die meiner Ansicht nach sorgfältig ausgewählt waren. Gute Podiumsdiskussionen sind vielleicht auch ein Glücksfall – zu viele Faktoren müssen stimmen, damit das wirklich gelingt. Worauf ich aber hinweisen wollte, sind die aus meiner Sicht nicht eben wenigen offenen Fragen, die man hätte aufgreifen und als Anker für einen weiterführenden Meinungs- und Ideenaustausch hätte nutzen können, wenn (a) etwas mehr Zeit gewesen wäre, (b) die Moderatorin etwas sensibler und zurückhaltender gewesen wäre und (c) am Ende noch Raum für Publikumsfragen gewährt worden wäre.

GMW 2009 – altmodischer Rückblick

Noch letztes Jahr und vor allem die Jahre zuvor gab es Live-Blogging zur GMW-Tagung, mindestens aber sehr zeitnahe kürzere und längere Kommentare und Reflexionen in diversen Blogs. Heute – während und jetzt kurz nach der GMW 2009 – müssen wir uns mit Kurznachrichten via Twitter begnüngen, wo uns Michael Kerres mit einem „Good buy, see you next year“ veraschiedet (aber immerhin gerade eben zusätzlich einen Blogbeitrag beisteuert ;-)), Christian Spannagel nachts verrät, wo es die besten Cocktails in Berlin gibt, und Wolfgang Neuhaus verkündet, dass die IT-Industrie ein Klotz am Bein ist. Bislang kann ich mich dafür eher wenig erwärmen, auch wenn es ganz nett ist, all die Kommentare zu lesen. Ob man wirklich von Partizipation sprechen kann, wenn der eine oder andere Kommentar dann in „realen Diskussionen“ aufgegriffen wird, bezweifle ich. Ich bleibe „altmodisch“ und werde in den kommenden Tagen ein paar Dinge kommentieren, die mir auf der GMW 2009 aufgefallen sind und wohl in Erinnerung bleiben werden (neben der professionellen Organisation und dem schönen Wettter).

Froh bin ich, dass mein „Vortragsgespräch“ mit Tobias Jenert geklappt hat und ich habe mich gefreut, dass wir viele aufmerksame Zuhörer hatten. Danke an alle, die so interessiert zugehört haben! Eine tolle Überraschung war freilich auch der Publikumspreis an das imb-Projekt, das unser Medienlabor-Leiter Ulrich Fahrner zusammen mit einer ganzen Reihe von Mitarbeitern an unserem Institut beim MedidaPrix eingereicht hatte. Es ist eine sehr schöne Anerkennung für die gemeinsame Arbeit der letzten Jahre, bei der wir von Anfang an versucht haben, die Studierenden möglichst intensiv in die Entwicklung von Ideen, Konzepten und Produkten rund um Wissen, Lernen und Medien einzubinden. Ich bin manchmal selbst ein bisschen erstaunt, wie sich das verselbständigt hat, was an den höchst motivierten studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeitern liegt – auf die ich natürlich schon ein bisschen stolz bin 🙂 (es sei mir verziehen).

Nachtrag: Auch Mandy und Matthias bleiben dem Blog treu und ziehen hier in gewohnt reflektierter Art ihr Resümee zur Tagung. Inzwischen sind auch einige andere gefolgt. Ich werde meine Reflexion auf die kommenden Tage noch ein wenig „strecken“ und schrittweise posten.

Weitere Reflexionen zu einzelnen Inhalten von der (gelungenen!) GMW 2009 habe ich hier, hier und hier gepostet.

Schlafmützen, Pampers und Professoren … der Kaffepod ist gestartet

Für das Wissenschaftsjahr 2009 hat es nicht gereicht (Bericht dazu hier), aber nun hat es der Kaffeepod immerhin in die nächste Auswahlrunde der Initiative Generation-D geschafft (also unter die nun fest stehenden 20 Projekte, aus denen dann die Finalisten ausgewählt werden). Natürlich ist es besser, wenn man die Projektidee nicht nur am Konzept, sondern anhand der ersten Umsetzungen beurteilen kann, die nun vorliegen: Die erste Folge schildert ein paar Grundlagen, die jedem der ein paar Semester studiert hat, schon sonnenklar sind, aber am Anfang durchaus Probleme machen können (Folge 1: Von Koffein und Studium: Lernen und Lehren an einer Universität). Die zweite Folge nimmt sich bereits einem spezifischen Thema an, nämlich der Herausforderung, den Nachwuchs in sein Studium zu integrieren bzw. besser umgekehrt: das Studium in ein neues Leben mit Kind zu integrieren (Folge 2: Zwischen Pampers und Laptop: Studieren mit Kind). Ich finde, das Kaffeepod-Team hat hier bereits zum Projekt-Start eine tolle Arbeit geleistet und mal wieder gezeigt, dass wir genug Kreativität an unseren Universitäten haben – man muss sie nur zum Vorschein kommen lassen.

Forschendes Lernen

Hier nun wie versprochen die Schriftfassung meines Vortrags auf dem Fernausbildungskongress in Hamburg 2009. Ich hoffe, dass der Beitrag ein paar Leser/innen findet, denn: Zuhörer/innen gab es eher wenige. Auch muss ich selbstkritisch sagen, dass der Beitrag wohl eher wenig in die „Kongresslandschaft“ gepasst hat, obschon ich mich sehr wohl an einem der drei Schwerpunkte des Kongresses, nämlich „Theorie praktisch denken“ orientiert habe. Leider war der Kongress doch eher auf besondere Anliegen der Bundeswehr ausgerichtet (so jedenfalls mein Eindruck); zumindest war das wissenschaftliche Publikum spärlich (vor allem am letzten Kongresstag) und folglich die Passung meines Vortrags vor ebenso spärlicher Zuhörerschaft eher nicht so hoch ;-). Ein Grund war sicher auch die etwas unglückliche Platzierung des Beitrags, was mir aber auch erst hinterher aufgefallen ist. Nun ja, man hat ja auch als Referent keinen Einfluss auf die Agenda. Meine „beratende Funktion“ im Programm-Kommittee beschränkte sich auf eine Rückmeldung der inhaltlichen Ausrichtung, die über die drei Schwerpunkte erfolgte. Verweisen möchte ich noch auf Franks nette Interpretation meines Vortrags (hier).

Für mich selbst war der Theorie-Beitrag quasi eine Fortsetzung des Vortrags im Juni (ebenfalls in Hamburg), der sich auf die Frage beschränkte. Was wir in puncto forschendes Lernen (und wissenschaftliches Prüfen) seit 1970 alles (nicht) erreicht haben. Auf einem in diesem Jahr dann aber wirklich letzten Hamburg-Vortrag auf der Campus-Innovation im November folgt dann Teil 3: E-Portfolios für das forschende Lernen. Es ergeben sich durch diesen „Fortsetzungsroman“ einige Überlappungen, damit die Beiträge auch für sich stehend verständlich bleiben. Ich hoffe aber, dass die verschiedenen Akzente erkennbar sind (bzw. sein werden), nicht langweilen und ein paar Impulse für eine Diskussion um das forschende Lernen in Zeiten von Bologna bilden.

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In der Fahrschule gelandet

Heute startet der Fernausbildungskongress der Bundeswehr. Ich werde ab morgen dort sein und erst am dritten (also am letzten) Tag einen Vortrag halten (Blogbeitrag dazu dann am Freitag). In meinem Vortrag werde ich unter anderem kurz auf ein Beispiel eingehen, das wir kürzlich in einem Arbeitsbericht vorgestellt haben: Digitale Medien in der Fahrausbildung (hier gleich direkt zum pdf). Wie ich zu diesem Thema komme? Durch Frank und ein neues EU-Projekt, das jetzt im Herbst starten wird (Frank hat hier bereits darüber berichtet). Ja, in der Tat: Es hat endlich wieder mal geklappt mit Fördergeldern – wurde aber auch Zeit.

Das Thema interessiert mich vor allem als Beispiel für eine Lernform, die viele Kontraste etwa zum akademischen Lernen umfasst. Genau dieses Merkmal (das natürlich nicht das einzige ist) werde ich auch im oben genannten Vortrag nutzen. Der neue Arbeitsbericht zeigt, wie wir das Lernen mit digitalen Medien in der Fahrausbildung theoretisch einordnen und gibt einen Einblick in mögliche praktische Implikationen. Manch einem wird diese Domäne vielleicht komisch vorkommen: Wenn man sich allerdings die Literatur speziell zu den lerntheoretischen Neuerungen der 1980er und 1990er Jahre anschaut (vor allem zum situierten Lernen), fällt auf, dass auf den ersten Blick ungewöhnlich klingende Beispiele gar nicht mal so selten den Ausgangspunkt für weiterführende Konzepte gebildet haben. Für mich ist die Domäne Fahrschule neu und ich bin gespannt, was sich daraus noch entwickeln wird.

Peer Reviews: (keine) Zeitverschwendung?

In der Community „(Bildungs-)Wissenschaftler 2.0“ hat Joachim Wedekind auf einen sehr interessanten Blogeintrag von George Siemens zum Thema Peer Reviews aufmerksam gemacht. In unserer Community geht es ja unter anderem um die Frage, wie man ein öffentliches Peer Review etablieren könnte, was natürlich auf kritischen Urteilen und einige Unzulänglichkeiten des klassischen Peer Reviews aufbaut. Dass das nicht leicht ist, habe ich an anderer Stelle (hier) bereits erörtert. Nun schildert Siemens seine Erfahrungen mit dem Peer Review und vieles von dem, was er sagt, kann ich nur bestätigen. Ich empfehle, den Beitrag ganz zu lesen, und möchte nur hervorheben, was ICH besonders bemerkenswert fand:

  • Erstens die Gründe, weshalb klassische Peer Reviews einen mitunter unzufrieden machen: Peer Review-Verfahren sind in der Regel sehr langsam; ihre Qualität ist abhängig davon wie treffend die Auswahl der Gutachter zum Thema des Beitrags ist; und sie sind nicht auf Entwicklung (der Beiträge und ihrer Autoren) ausgerichtet.
  • Zweitens die Beispiele: Siemens beschreibt, wie lange er an Artikeln, aber auch an deren Begutachtung sitzt. Die angegebenen Zeiten kann ich gut nachvollziehen. Selbst außerhalb offizieller Review-Verfahren sitze ich z.B. am Gegenlesen und Kommentieren von Texten meiner Mitarbeiter (bei ca. 12 Seiten) bis zu drei Stunden. Für ein ordentliches Review für eine Zeitschrift, benötige ich ca. vier Stunden – je nachdem wie gut oder schlecht der Text ist: Je mehr Kritik, umso länger dauert es natürlich.
  • Drittens die Unzufriedenheit mit schlechten Reviews: Auch das kann ich bestätigen. Teilweise gibt es Gutachten, über die man sich nur aufregen kann, deren Inhalt deutlich zeigen, dass der Reviewer keine Ahnung vom Thema hat oder aber keine Lust hatte, den Text richtig zu lesen geschweige denn vernünftig zu kommentieren. Aber es gibt auch Gegenbeispiele (die Siemens ebenfalls schildert) – Beispiele, die zeigen, dass Reviews sowohl für den Reviewer als auch für den Autor keine verschwendete Zeit sein müssen.
  • Viertens der Hinweis darauf, dass die skizzierten Probleme vor allem bei interdisziplinären Themen wie Wissen oder Lernen mit digitalen Medien weitgehend ungelöst sind. Auch da kann ich nur zustimmen. Auch wir an der Professur wissen oft nicht, in welcher Zeitschrift ein Beitrag gut aufgehoben wäre. Darüber wurde in der Community im Übrigen auch schon kurz diskutiert. Wir behelfen uns oft damit, dass wir einfach einen Arbeitsbericht daraus machen. Das geht schnell, ist online greifbar, aber leider (auch wenn mir hier mein Blog-Kommentator Her Dr. Graf wieder widersprechen wird ;-)) nicht sonderlich förderlich für die wissenschaftliche Karriere – na ja, vielleicht NOCH nicht förderlich.

Noch haben wir in unserer Community keinen systematischen Austausch von Vorschlägen für eine Entwicklung von Review-Prozessen. Joachims Link aber ist schon mal ein erster Schritt. Der Beitrag von Siemens jedenfalls umfasst ein paar Eckpunkte, an denen man ansetzen kann. Ich nehme mir auf jeden Fall vor, das Thema weiterhin oben auf der Agenda zu haben.

Endlich: Kooperation mit Intel dokumentiert

Bereits gegen Ende 2008 habe ich (hier) darauf verwiesen, dass unsere vierjährige Kooperation mit Intel (Intel® Education) im Zusammenhang mit Blended Learning in der Lehrerbildung zu Ende gegangen ist. Kurz darauf haben wir uns entschlossen, diese Zusammenarbeit doch noch einmal abschließend und kompakt zu dokumentieren. Im März 2009 waren wir fertig. Leider hat es dann mit Verlagssuche, Satz und Korrekturschlaufen doch noch lange gedauert, aber jetzt ist das kleine Buch fertig:

Reinmann, G., Florian, A., Häuptle, E. & Metscher, J. (2009). Wissenschaftliche Begleitung von Blended Learning in der Lehrerfortbildung. Konzept, Methodik, Ergebnisse, Erfahrungen und Empfehlungen am Beispiel „Intel® Lehren – Aufbaukurs Online“. Münster: MV-Wissenschaft.

Man kann es für einen überschaubaren Preis bestellen (hier), aber auch online (hier) lesen. Unser langjähriger Kooperationspartner hat eine Veröffentlichung finanziert, die auch einen Open Access bietet. Darüber sind wir natürlich sehr froh. Wir hoffen, dass die gemachten Erfahrungen auch für andere Kooperationsprojekte nützlich sind.

Vom Meer zur Meta-Analyse

Bild_Amrum09Es ist der 1. September und ich melde mich zurück. Erst zwei Wochen Urlaub ohne Netz und dann zwei Wochen mit etwas weniger Geschwindigkeit Vorbereitungen für nahende Termine und Deadlines – so könnte man rein formal meine Blog-Pause im August beschreiben, die ich nun jedes Jahr machen werde. Zwei bis drei Posts in der Woche kosten durchaus Zeit, zumal da es genau nicht mein Ding ist, Minibeiträge oder ausschließlich kommentierte Links zu publizieren (daher auch meine Twitter-Abstinenz). Da tut es ganz gut, sich mal vier Wochen aus der aktiven Blogosphäre auszuklinken. Aber jetzt ist es auch gut ;-).

Immerhin habe ich die letzten beiden Wochen zumindest Blogs rezipiert und da ist mir natürlich auch die vom U.S. Department of Education in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Evaluation of Evidence-Based Practices in Online Learning A Meta-Analysis and Review of Online Learning Studies“ aufgefallen, auf die bereits Jochen Robes und Michael Kerres aufmerksam gemacht haben. Michael äußert sich hierzu aus meiner Sicht zu Recht kritisch sowohl zur Anlage der Meta-Analyse als auch zur Interpretation der Ergebnisse. Grundsätzlich finde ich eine Zusammenschau verschiedener Studie eine ganz wichtige Sache! Auch Meta-Analysen, die traditionsgemäß eine solche Zusammenschau ausschließlich vor dem Hintergrund der Berechnung statistischer Effekte betreiben, sind nützlich. Allerdings bedeutet letzteres natürlich eine massive Einschränkung der Art von Studien, die man bei der Analyse überhaupt berücksichtigt – so auch bei dieser Studie: Es wurden ausschließlich experimentelle oder (immerhin) quasi-experimentelle Vergleichsstudien herangezogen, die ein „objective measure of students“ sicherstellen.

Es wurde (hier) schon darauf hingewiesen, dass man in der Fach-Community an sich inzwischen zu der Ansicht gelangt ist, simple Vergleiche zwischen Medium A und Medium B oder zwischen medial und face-to-face  gehörten der Vergangenheit an, denn: Ein Medium nimmt immer auch Einfluss auf die Methode, zumal wenn es um komplexere Lehr-Lernszenarien geht. Auffällig, aber symptomatisch ist auch die Suche nach „objektiven Maßen“, also nach Beweisen, die sich politisch nutzen lassen. Diese Tendenz lässt sich auch bei uns schon lange beobachten: Statistiken und Zahlen müssen geliefert werden (vgl. PISA und Hochschul-Rankings) und werden dann als Entscheidungsgrundlage oder Impuls für neue Vorschläge im Kontext der Bildung gerne genutzt – vor allem von denen, die von empirischer Bildungsforschung eher wenig oder keine Ahnung habe (weil es z.B. eben keine Forscher sind). Schlimm ist, wenn das von Leuten unterstützt wird, die diese Ahnung durchaus haben! In diese Reihe passt wohl auch die US-amerikanische Meta-Analyse, die nebenbei bemerkt, zu Ergebnissen kommt, die keinen erstaunen werden:

(a) Blended Learning-Angebote erweisen sich als vorteilhafter als reine Online-Angebote. (b) Lernen mit Online-Angeboten führt im Vergleich zum Präsenzlernen dazu, dass Lernende mehr Zeit in Aufgaben investieren und daher besser lernen. (c) Die Effektivität solcher Angebote steht in einem engen Zusammenhang mit inhaltlichen Merkmalen und solchen, die die Lernenden mitbringen. Tja, wer hätte das gedacht!

Konservativ im Web 2.0?

In den letzten beiden Wochen habe ich viel gelernt – nämlich im Austausch mit einigen Mitgliedern unserer „Versuchs-Community“ mit dem vielleicht etwas groß aufgehängten Titel „Wissenschaftler 2.0“. Wie meine ich das bzw. was genau habe ich gelernt?

  • Ich habe erstens gelernt, dass ich auf Polemik im unmittelbaren Dialog empfindlich reagiere: Ich verliere dann offenbar die Freude an der Diskussion. Ich bin schon auch ganz gern mal polemisch – z.B. in Vorträgen, wenn ich niemanden direkt anspreche, quasi als rhetorische Figur. Im Dialog bin ich konservativ – ich versuche, dem anderen Respekt zu zollen, fordere das aber offenbar auch ganz massiv ein.
  • Ich habe zweitens gelernt, dass es schwer ist, zwei Logiken oder Paradigmen, oder wie immer man das bezeichnen will, zusammenzubringen. Also, eigentlich weiß ich das, denn ich habe mir an solchen Dingen schon öfter die Zähne ausgebissen, aber nun habe ich ein Beispiel mehr: Der Versuch, überhaupt die Idee zu verbreiten, Vorteile eines klassischen Peer-Reviews mit Vorteilen neuer Formen des digital unterstützen Wissensaustausches zu verknüpfen, gelingt zumindest nicht auf Anhieb.
  • Ich habe drittens gelernt, dass die verschiedenen Wege, etwas Neues anzustoßen, auf unterschiedliche Gegenliebe und Interpretationen stoßen: Vom Primat des Tuns über das Nachdenken (im Sinne von Theorien Aufstellen) über die Vorrangstellung des Nachdenkens vor dem Tun bis zum Versuch, beides parallel oder zumindest in sehr kurzen Zyklen zu betreiben. Da gibt es persönliche Vorlieben und Überzeugungen (ich neue zu letzterem).
  • Ich habe viertens gelernt, dass sich schnell Gemeinschaften – ich hätte jetzt fast gesagt „zusammenrotten“, aber vielleicht sage ich besser: zusammentun, ohne dass an sich klar ist, welchen Beitrag man da als Einzelner leisten könnte. Ich bin unerfahren, was Online-Communities außerhalb der Lehre betrifft, und war der irrigen Annahme, dass man diesen nur beitritt, wenn man einen unmittelbaren Zweck damit verfolgt (z.B. Feedback einholen und geben in Bezug auf Artikel oder Ideenskizzen, wie es die Grundidee oder erste Idee der oben genannten Community ist). Welche Folgen es hat, dass das offenbar anders läuft, weiß ich noch nicht.

Der für meine Arbeit wichtigste Lerneffekt (den ich wohl gemerkt ohne die Community NICHT hätte!)  ist aktuell der, den ich an zweiter Stelle genannt habe: Ich sehe es als große Herausforderung, die Vorteile des bisher praktizierten Peer-Reviews mit den neuen Chancen eines öffentlichen Peer-Reviews unter Nutzung aktueller digitaler Medien und der damit mitschwingenden „2.0-Philosophie“ genauer zu beleuchten, Lösungsideen zu entwickeln und natürlich auch zu erproben. Ich sehe hier auch eine Parallele zur momentanen Assessment-Diskussion, denn in gewisser Weise ist ein Review ja auch ein Assessment, nämlich bisher eines, das stark auf Selektion ausgerichtet ist, während ich mir eines vorstelle, das viel stärker auch einen Lerneffekt hat. Da werde ich nächster Zeit (bald ist Urlaub!) mal intensiver drüber nachdenken. Ich hoffe dann natürlich auch, dass ich das Ergebnis des Nachdenkens in konstruktiver Weise in unsere Wissenschaftler 2.0-Community einfließen lassen kann.