Neue Adresse für das e-Denkarium

Gesagt – getan. Ab sofort hat das e-Denkarium ein neues Zuhause und ist erreichbar unter: http://gabi-reinmann.de

Ich bitte also alle Blogleser und die, welche auf das e-Denkarium verweisen, die Adresse zu ändern. Ein Vorteil ist, dass das jetzt auch in Bezug auf den Server ein rein privates Blog ist – man weiß ja nie, was noch kommt (ich denke nur an die einen oder anderen in der Blogosphäre diskutierten Zensurversuche). Manchmal wandert man besser präventiv auf neutralen Boden aus. Ich hoffe, die Unterbrechungen, wie sie vor allem in der letzten Woche auftraten, werden jetzt seltener.

Kopfzerbrechen über Qualität, Kompetenz und Assessment

Was könnte man vor und während Ostern alles machen? Eier anmalen, Kuchen backen, Zeitung lesen, gemütliche Kafferunden …. man kann sich aber auch den Kopf über Qualität, Kompetenz und Assessment beim E-Learning zerbrechen – wenn man will. Ich habe im Eifer des Gefechts dieses Thema für die Tagung „Interdisziplinäre Zugänge zu technologiegestütztem Lernen“ bzw. da für die Session „Qualität und Kompetenz“ vorgeschlagen und wäre in den letzten Tagen fast verzweifelt daran, weil man vom Zehnten ins Tausendste kommt und sich zudem auch noch rasch im Kreis dreht. Nun habe ich einen Artikel dazu weitgehend fertig, aber es wäre zu früh, ihn online zu stellen. Zudem muss ich daraus erst noch einen Vortrag basteln, denn es ist leider ziemlich komplex geworden. Was ich aber gerne machen kann, ist schon mal die Einführung und damit auch eine Art Abstract sowie den Anhang in Form von zwei Tabellen verfügbar machen. Vielleicht regt es ja zur Diskussion an. Im Juni kommt dann ein vollständiger Preprint.

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PS: Unsere Uni-Server sind in den letzten Tagen hoffnungslos überlastet. Darunter leidet auch mein Blog. Ich bitte das zu entschuldigen. Ich denke, ich werde in Kürze umziehen, um das in Zukunft zu vermeiden.

Intellektueller Kapitalismus

Seit knapp zwei Wochen gibt es von Richard Münch ein neues Buch: „Globale Eliten, lokale Autoritäten, Bildung und Wissenschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey und Co„. Nachdem in seinem letzten „Beststeller“ vor allem die Forschung im Vordergrund stand (mir hatte das Buch zur „Akademischen Elite“  recht gut gefallen; ich habe hier darüber berichtet – mein Gott, wie die Zeit vergeht), widmet sich Münch nun stärker der Bildung und stellt Dinge fest, die an sich seit Jahren in zahlreichen Artikeln z.B. der Zeitschrift „Forschung und Lehre“ immer wieder zu lesen sind: Die Problematik von Bologna mit der dazugehörigen Bürokratisierung, die Schwierigkeit der schleichenden Ökonomisierung über Marktprinzipien und den viel beschworenen Wettbewerb etc. An Münch sieht man, wie wichtig es ist, dass man mit diesen Aussagen nicht in der „eigenen Community“ (wie bei oben genannter Zeitschrift) verbleibt, innerhalb derer man zwar viel Konsens erzielt, der aber außen nicht gehört wird. Von diesem „Außen“ sind Wissenschaft und Lehre an der Hochschule nun eben abhängig. Auch wenn Münch also aus einer bestimmten Perspektive über die „Wissenschaftsstars“ schimpft, die man sich an die Hochschulen holt, während man dann an vielen anderen Ecken sparen muss, zeigt er doch, dass diese Stars aus einer anderen Perspektive wieder wichtig sind – z.B. als Sprachrohr wie er selbst. Und er zeigt, wie essenziell der richtige Zeitpunkt für Kritik ist: Erst der Zusammenbruch der globalen Wirtschaft infolge der Bankenkrise hat das Feld dafür geebnet, dass mehr Leser überhaupt geneigt sind, ihm (oder vielleicht auch den vielen anderen) zuzuhören. Das ist natürlich auch ärgerlich: Denn was bleibt von der Kritik, wenn sie schon fast wieder Mainstream ist?

Ein guter Beitrag zu Münchs neuem Buch findet sich im Deutschlandfunk (hier). Weniger gelungen finden ich den Beitrag in der SZ (hier): Der Autor wirft hier ein bisschen viel durcheinander – allerdings natürlich auch angeregt durch Münchs Aussagen, der an manchen Stellen übers Ziel hinausschießt. So habe ich z.B. den Eindruck, dass die Bedeutung des Wissens für unsere Gesellschaft (Wissensgesellschaft) und damit auch für Ökonomie und Arbeit (Wissensökonomie und Wissensarbeit) verkürzt dargestellt wird. Diese Entwicklungen sind ja keinesfalls so zu verstehen, dass damit auch jeglicher Umgang mit Wissen wirtschaftlichen Prinzipien zu unterwerfen ist. Im Gegenteil: Die wachsende Bedeutung des Wissens für Ökonomie und Arbeit macht die Rolle von Bildung und Lernen ja besonders deutlich! Die Antwort darauf kann also genau nicht ein „intellektueller Kapitalismus“ sein, sondern – wie in diesem Blog (hier) ja bereits ausführlich diskutiert – eine „Aufklärung 2.0“. Aber da ist Münch noch nicht. Ich hätte es sehr spannend gefunden, wenn sich ein erfahrener Wissenschaftler wie Münch bei einem solchen Buch mit jüngeren Co-Autoren zusammengetan hätte, die in unserer kapitalistischen Welt Nischen gefunden haben, in denen Ansätze einer solchen „Aufklärung“ aufscheinen.

Trotz dieser (kleinen) Kritik: Toll wäre es, wenn man Münch an diesem „Improve-Kongress“ (ich habe einigermaßen erschüttert vor nicht allzu langer Zeit hier davon berichtet) die Eröffnungsrede halten ließe – dann würde ich auch hingehen.  🙂

Informationskompetenz, Medienkompetenz, digitale Kompetenz oder noch was anderes?

Alexander Botte vom DIPF (die Abkürzung für Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung bzw. auf der neuen Web-Seite heißt es: Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) hatte auf dem Internationalem Symposium für Informationswissenschaft (ISI) gestern zu einer Diskussion eingeladen mit dem Titel „Informationskompetenz früh und nachhaltig fördern“. Diskutiert haben Helga Hofmann von der Stadtbibliothek Frankfurt, die sich viel im Kontext Schulbibliotheken und Kooperationen mit Schülern kümmert (siehe z.B. hier), Benno Hohmann von der Universitätsbibliothek Heidelberg, der u.a. zahlreiche Online-Schulungen anbietet (siehe z.B. hier), Dr. Andreas Vogel vom BMBF, Prof. Christian Wolff von der Uni Regensburg und ich. Eingelassen habe ich mich auf die Diskussion (diese Diskussionen sind ja meist nicht so erhellend und ich meide sie daher eher), weil das DIPF immerhin ein neues Modul von Tech Pi und Mali Bu – nämlich zur Informationskompetenz – finanziert hat und es ja nun auch um dieses Thema gehen soll (wobei Tech Pi nur indirekt zur Sprache kam – schade eigentlich, denn ich finde, es ist gelungen: Man überzeuge sich selbst, nämlich hier). Der Diskussion zugrunde lag die Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis zur Förderung der Informationskompetenz im Bildungssektor. Welche Diskussionsergebnisse kann man festhalten?

Wir waren uns alle in einem Punkt recht einig: Wenn es um die Schule geht, dann setzt die Förderung von Informationskompetenz (im Sinne der oben genannten Denkschrift) vor allem entsprechende Kompetenzen bei den Lehrern voraus, und dafür sorgt man (in der Lehrerausbildung) bis dato zu wenig. Frau Hoffmann meinte, der Lehrer könne sich ja nicht um alles kümmern, daher wären ja auch die Partnerschaften mit Bibliotheken so wichtig. In diesem Punkt aber gab es heftigen Widerspruch, denn: Neben der Recherche von Fachinformation mit digitalen Werkzeugen gehören zur Informationskompetenz sehr grundlegende Dinge: unter anderem ein Informationsbedürfnis zu haben, zu erkennen und genau zu beschreiben (was voraussetzt, dass man Fragen hat) und dann die Informationsqualität auch zu beurteilen – und das sind genuine Bildungsaufgaben, die man nicht auslagern kann. Dennoch seien natürlich solche Kooperationen wünschenswert, nur eben nicht als Ersatz für Lehrerkompetenz und deren Engagement.

Herr Vogel plädierte konsequenterweise für eine Verbindung des Begriffs Informationskompetenz und Medienkompetenz. Da könnte man auch gleich die „digitale Kompetenz“ mit dazu nehmen, meine ich, um die es in der Diskussion auf dem D21-Kongress im November 2008 ging (ich habe hier davon berichtet). Es bringt einfach nicht viel, zig Kompetenzen zu postulieren, um auf diesem Wege jeden Fachverband zufriedenzustellen. Vielleicht sollten wir da sogar noch radikaler sein und einfach alle 10 Jahre besser klären, was wir von der Bildung erwarten, welche „Handlungskompetenz“ wir im Auge haben, zu der dann natürlich auch alle IuK-Technologien gehören.

Ein interessanter Punkt in der Diskussion war aus meiner Sicht die Verbindung mit der Didaktik: Obschon speziell von Herrn Botte postuliert wurde, dass es ein Basismodell zur Informationskompetenz geben müsse, das über alle Fächer und Disziplinen hinweg gilt, sollte diese doch disziplin- und fachbezogen vermittelt werden. Wenn man sich darin einig ist, dann heißt das, dass man die Förderung von Informationskompetenz auch mit didaktischen Aufgaben verknüpfen muss. Insbesondere die erste „Stufe“ der Informationskompetenz, nämlich überhaupt Fragen zu haben und einen Informationsbedarf zu erkennen, kann ja wohl nur erreicht werden, wenn die Lernumgebungen Lernende genau dazu auch einladen bzw. veranlassen (Frank hat mir da für die Diskussion mit seinem Zuhörerbeitrag einen guten Anker geliefert). Ob und inwieweit die aktuelle Output-Orientierung in Schule und Hochschule für „eigene Fragen fördernde Lernumgebungen“ günstig oder hinderlich ist, darüber herrschte keine so rechte Einigkeit: Ich habe die Auffassung vertreten, dass die Output-Orientierung an sich eine tolle Sache ist, aber das Problem besteht darin, dass man diesen Output nun auch ständig erfassen muss. Dann sind wir wieder mal beim Assessment-Thema und bei dem Problem, dass Kompetenz auf einmal vor allem das ist, was man erfassen kann. Und genau das kann es ja wohl nicht sein.

Wie gut ist ein Forscher in den Geistes- und Sozialwissenschaften?

Wie gut ist ein Forscher? So gut wie seine Publikationsliste. Aber natürlich nicht jede Liste! Das Gericht in einem Fünf-Sterne-Lokal erfordert ja auch erlesene Zutaten (aber wer weiß eigentlich schon, ob sich da nicht auch Discounter-Ware einschleicht?) und die kommen eben nicht irgendwo her. So ist das mit den Publikationen auch. Allerdings besteht wenig Konsens darin, was die „erlesenen Quellen“ sind und was man meiden muss – jedenfalls in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Der Unmut darüber, dass sich schon seit längerem in den Geistes- und Sozialwissenschaften Beurteilungspraktiken breit gemacht haben, die aus den Naturwissenschaften kommen, war und ist groß. Umso erfreulicher sind Vorstöße, hier differenzierter zu werden und die Besonderheiten der Disziplinen sowohl in der Forschung als auch in der Art der Veröffentlichung Rechnung zu tragen. Hierzu gibt es aktuell bei der DFG einen interessanten Hinweis (hier):

Die DFG spricht sich gegen den European Reference Index for the Humanities (ERIH) aus – einen Ansatz zur Bewertung von Zeitschriften als Publikationsorten für geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungsergebnisse. Kritisiert wird zum einen, dass auch dieser Ansatz erneut allein Zeitschriften im Blick hat (und z.B. nicht Monografien und Sammelbände), und zum anderen, dass ad hoc zusammengesetzte Expertenpanels die Klassifizierung dieser Zeitschriften vorgenommen hätten. Das Ergebnis sei unterkomplexen und lade zu Missbrauch ein. Zusammen mit drei anderen Förderorganisationen aus Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden hat die DFG daher bereits Ende 2008 ein „Project Board unter Leitung von Professor Ben Martin, Universität Sussex“ initiiert – woher da jetzt die Experten kommen und wieso die nicht ad hoc zusammengesetzt sind, steht leider nirgendwo. Positiv aber ist folgendes Versprechen für die Arbeit dieser Gruppe (ich zitiere):

„Dabei sollen sowohl die Diversität europäischer Wissenschaftssprachen als auch die spezifischen Kommunikations- und Publikationsformen der einzelnen Disziplinen als besondere Herausforderungen mit bedacht werden. Beispielhaft sind hier die in vielen Fächern zentralen Publikationsformen der Monografie und des Sammelbandes zu nennen …“.

Schade, dass z.B. Lehrbücher und andere Lehrmaterialien wiederum NICHT berücksichtigt werden, obschon dies für den Transfer von Wissen und Wissenschaft und für die viel beschworene Einheit von Forschung und Lehre ja wohl auch SEHR wichtig wäre. Ein gutes Lehrbuch schreiben zu können, wäre das nicht auch eine wichtige Qualität eines Forschers? Wäre das nicht eine viel sinnvollere Initiative im Zuge einer höheren Wertschätzung der Lehre als ständig diese „Exzellenz-Wettbewerbe“? Ich frag ja nur …

Andere Zeitschriften, andere Sitten

Ende des Jahres 2008 hatte ich mich (siehe hier) davon überzeugen lassen, dass es sinnvoll ist, ein Themenheft zum Assessment für die Zeitschrift für Hochschulentwicklung (ZFHE) herauszugeben. Es war schon ein bisschen eine Feuerwehraktion und ich bin sehr froh, dass es doch ausreichend Einreichungen (wenn auch nicht übermäßig viele) gegeben hat. Danke an alle, die sich da beteiligt haben! (Bei der Gelegenheit: Der Call für Abstracts zum E-Assessment bei der Zeitschrift für E-Learning läuft bis Ende Juni: siehe hier). Aber zurück zur ZFHE:

Hier stand ich ein bisschen auf der Leitung und habe eine Weile gebraucht, bis ich verstanden habe, dass das Prozedere etwas anders abläuft. Die Redaktion der ZFHE hat mich da jetzt auf Nachfragen etwas genauer aufklärt: Die ZFHE versucht, so die Erklärung an mich, zwei tendenziell widersprüchliche Anforderungen unter einen Hut zu bringen: nämlich das Konzept der „Ausgabe“ oder „Nummer“ einer Zeitschrift als abgeschlossenes Werk (wie bei reinen Papier-Formen) und die schnellst mögliche Publikation eines fertigen Beitrags (als Vorteil der Online-Publikation). Daher werde jeder Beitrag sofort online gestellt, sobald er den Review- und Produktionsprozess positiv durchlaufen hat. Eine konkrete Nummer werde dagegen erst dann fertiggestellt, wenn alle Einzelbeiträge online sind oder zumindest bekannt ist, welche (nach positivem Review und ggf. Überarbeitung) in diese aufgenommen werden. Jetzt habe ich es verstanden! Die Begründung ist nachvollziehbar. Wie es die Leser sehen, weiß ich nicht. An sich sage ich jetzt mal spontan, dass es da nichts dagegen einzuwenden gibt. Nun gut, also mit so etwas wie einem Editorial muss ich natürlich warten, bis alles da ist. Ich habe zwar alle eingereichten Beiträge gelesen, um mir ein Bild zu machen, die dann aber an je zwei Gutachter gegangen sind.

Es gilt also, noch ein bisschen zu warten. Ich freue mich aber ganz besonders, dass Silvia (mit der ich gerade an einem DFG-Antrag sitze) mit ihrem Beitrag bei den Reviewern ohne nennenswerte Beanstandungen erfolgreich UND schnell war und nun sogar den Beginn zur „Themenreihe (?) Assessment“ macht: Ihr Beitrag ist bereits online (hier).

Wirkungen und Nebenwirkungen

Erst mal vielen Dank an Christian, die hier einen langen Kommentar zur Entwurfsmuster-Diskussion geschrieben hat, die unter anderem auch (hier) bei Peter weitergeführt wird.

Christian räumt ein (Zitat): „Zunächst muss ich zustimmen, dass auf den ersten Blick der Muster-Begriff nicht viel Neues bringt. Wir alle sehen und erkennen Muster rund um die Uhr und überhaupt der gesamte Wissenschaftsbetrieb ist ja darauf ausgerichtet, Muster (z.B. als Gesetze oder Prinzipien) zu entdecken. … Muster im Allgemeinen sind meiner Meinung nach die natürliche Ordnungsform der Dinge in der Welt – auf Mikro wie auf Makroebene.“

Was ihm (und nicht nur ihm, nehme ich an), aber fehlt, sind expliziten Musterbeschreibungen, um ein besseres Verständnis von guter Lehre zu erlangen, um von Erfahrungen anderer zu lernen. Bei diesem Satz habe ich mir gedacht, dass meine Assoziation zu Methoden des Wissensmanagements ja gar nicht falsch war, auch wenn wir hier eine empirisch (leider) eher schlecht untersuchte und bisweilen auch recht unreflektierte Praxis vorfinden. Was Christian fordert ist eine „leicht zugängliche Aufbereitung des handlungsrelevanten Wissens“ – das ist aus meiner Sicht eine absolut berechtigte Forderung an die Bildungswissenschaft. Nur, genau hier liegt ein gravierendes Problem auf vielen Ebenen, was erst mal nicht viel mit dem Muster-Ansatz zu tun hat:

  • Da haben wir zunächst einmal das Wissenschaftsverständnis, das keineswegs bei allen Teildisziplinen und Fächern, die sich mit Lernen, Bildung und Erziehung beschäftigen, gleich ist und einen Nutzen für die Praxis durchaus nicht immer beinhaltet.
  • Dazu gesellt sich dann (davon abhängig) das methodologische Verständnis und verschiedene Auffassungen, welche Aktivitäten überhaupt als wissenschaftliche Aktivitäten gelten dürfen und welche Methoden zu bevorzugen sind.
  • Und schließlich würde ich noch die Publikationspraxis anführen: Eine Aneinanderreihung von englischen Artikel mit Peer-Review, die soldatenmäßig nach dem gleichen „Muster“ 😉 gestrickt sind, helfen der Karriere, aber nicht demjenigen, die an sich gerne mit bildungswissenschaftlichen Erkenntnissen die Praxis verbessern will. Wer sich z.B. berufen fühlt, genau das zu tun, was Christian vorschlägt, nämlich zu „analysieren, welche Redundanzen sich in den beschriebenen Gestaltungs- und Handlungsformen befinden“, die man auch in der wissenschaftlichen Literatur findet, und die sich dabei (hoffentlich) herausschälenden Heuristiken explizit beschreibt, der sollte seine wissenschaftliche Karriere möglichst schon beendet haben und keine Fördergelder mehr benötigen – um es mal ein bisschen überspitzt zu formulieren.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich halte das nicht für einen Wohltätigkeitsakt, sondern ich halte das auch für essenziell auf dem Weg zu mehr Erkenntnis im Bereich Lernen und Lehren! Aber diese Position ist kein Mainstream. Würden wir es uns z.B. zum Prinzip machen – ich sage es jetzt mal neudeutsch -, ganze „Workflows“ (Christian bringt als Beispiel die Konzeption von Multiple Choice-Fragen) zu gestalten, zu beschreiben, in klar beschriebenen Kontexten erproben, umzugestalten und wieder (in weiteren Kontexten) zu erproben etc., dann könnte man das (unter bestimmten Voraussetzungen) auch zu Forschungszwecken sehr gut nutzen.

Christian bringt eine gute Analogie, um zu erklären, was er sich von einem Entwurfsmuster erwartet. Ich zitiere: „Entwurfsmuster haben eine bestimmte Abstrahierungsform, die einerseits keine Beliebigkeit der Form zulässt (wie etwa bei allgemeinen Prinzipien), sondern konkret sagt, welche Formklasse gemeint ist: Wenn ich von „Fahrzeug“ spreche, dann ist keine Generativität mehr gegeben, denn damit könnte sowohl ein Fahrrad als auch ein Flugzeug gemeint sein. Wenn ich also sage „Lass uns ein Fahrzeug bauen“ kann man nicht sagen, was dabei später herauskommt (ein Fahrrad oder Flugzeug?). Wenn ich dagegen von der Gestaltung eines „Autos“ spreche, ist klar, dass am Ende kein Boot oder Skateboard herauskommen sollte. Das Muster „Auto“ besitzt also jene Generativität ebenso wie die spezielleren Formen „Cabriolet“ oder „Kombi“. Es gibt Millionen verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten und doch wissen wir etwas über die Form. Dagegen ist das Muster „Twingo“ kein Entwurfsmuster mehr, da es eine zu spezifische, nicht mehr genügend variable Form, beschreibt: Man hat keinen Entwurfsspielraum mehr. Der „Twingo“ ist nur noch eine Schablone. Übertragen auf die Pädagogik könnte die Forderung nach Generativität bedeuten: „Test“ wäre zu abstrakt, da es keinen Gestaltungsraum beschreibt. „Multiple Choice“ ist dagegen ein Entwurfsmuster, da es einen Gestaltungsraum beschreibt. Die Führerscheinprüfung dagegen lässt keinen Gestaltungsspielraum mehr; die Fragebögen sind nur noch Exemplare einer festgelegten Schablone.“ Diese Analogie bringt das berechtigte Bedürfnis seitens der Bildungspraxis sehr gut auf den Punkt. Die Frage ist also, wie wir dahin kommen. Für mich ist es nur eine nebensächliche Frage, ob wir das Entwurfsmuster oder anders nennen. Hier teilen sich natürlich auch wissenschaftliche Interessen: Dass uns nämlich z.B. emergente Prozesse aus den Naturwissenschaften (wie Peter meint) viel weiterhelfen, glaube ich nicht. Ich meine, es ist eher eine Frage der forschungsmethodischen Herangehensweise: Wir müssten viele, viele Einzelfälle sammeln und nach konsensfähigen Dimensionen beschreiben, die man beachten muss, wenn man guten Unterricht hinbekommen will.

Ich bringe dazu auch mal eine Analogie: Wir kennen alle die langen Beipackzettel bei Medikamenten mit der endlosen Liste von Nebenwirkungen, die zustande kommt, weil in einer klinischen Studie vielleicht 1000 völlig verschiedene Personen das Medikament genommen haben und alle zusammen eben zahlreiche Nebenwirkungen und natürlich auch ganz verschiedene erwünschte Wirkungen bei sich bemerkt haben. Die Wirkung (und Nebenwirkungen) des Medikaments beziehen sich also auf einen Durchschnittspatienten, der real nicht existiert. Wie das Medikament bei einem konkreten Patienten wirkt, kann der Arzt also nicht sagen. Hätte man dagegen die tausend Probanden einzelne mit ihren besonderen Merkmalen (Alter, Größe, Gewicht, Geschlecht, Vorerkrankungen, und was man eben sonst noch für wichtig hält) erfasst und in einer Datenbank gespeichert, könnte der Arzt für den konkreten Patienten nach „ähnlichen Mustern“ suchen (also das von Christian genannte „Pattern Mining“) und bei einer zwar viel kleineren Bezugsgruppe viel genauere Hinweise auf die zu erwartenden Wirkungen und Nebenwirkungen geben. Das wären für mich völlig plausible Muster, die Wirkungen (und Nebenwirkungen) kommen sicher emergent zustande, wir könnten konkrete Ratschläge geben und würden darüber hinaus noch eine ganze Menge über die Wirkungsweise lernen. Stellt euch vor, wir hätten so etwas für Fragen, wie man guten Unterricht macht! Dann wäre ich ein Fan der Entwurfsmuster.

Da brauchen wir (k)einen Mann

Bahnsteige sind geradezu ein Marktplatz für kleine, unscheinbare Ereignisse, die es manchmal (z.B. auch hier) vielleicht doch wert sind, erzählt zu werden.  So auch dieses:

Es zieht am Züricher Bahnsteig – vor allem wenn trotz Frühlingsanfang ein Schneesturm tobt, den man allenfalls im Januar erwarten würde. Da steht man nicht gerne herum, sondern sucht sich schnell seinen Platz im EC nach München. Ich auch. Ich steure die nächste Tür an, vor der eine alte Dame mit einem ziemlich großen Koffer steht und suchend um sich blickt. Sie wirkt ein wenig beunruhigt und will offenbar in den Zug mit ihrem Ungetüm. „Soll ich Ihnen mit dem Koffer helfen?“, frage ich sie. „Nein, da brauchen wir einen Mann!“ Ihre Antwort kommt schnell und bestimmt. „Ach was,“, ist meine spontane Reaktion, „… da brauchen wir keinen Mann!“ Ich stelle meine Tasche zur Seite und greife nach dem Koffer. Doch die alte Dame ist alles andere als überzeugt und geht dazwischen: „Der ist schwer. Da brauchen wir einen Mann!“ Sie ist nicht davon abzubringen. Aber so schnell lasse auch ich mich nicht überzeugen. „Wenn wir immer auf die Männer warten würden … so weit kommt es noch“. Nun bin ich schneller und packe den Koffer, bevor sie einschreiten kann. Der ist in der Tat ziemlich schwer. Die erste Grifftechnik versagt. Das geht aber natürlich jetzt gar nicht, nachdem ich den Mund so voll genommen habe. Das Ding muss in den Zug. Ich packe das Monstrum anders und hieve es über die steilen Stufen in den Waggon. Ich bin erleichtert, denn es wäre mir jetzt schon schwer gefallen, auf einen Mann zu warten. Die alte Dame ist auch erleichtert und schenkt mir ein Lächeln, das entweder Be- oder Verwunderung ausdrückt. „Danke – also da haben Sie mir jetzt wirklich sehr geholfen“. Sie steigt ein und ist sichtlich zufrieden. Womit, das weiß ich natürlich nicht: damit, dass der Koffer endlich drin ist, oder damit, dass wir keinen Mann gebraucht haben.

Form und Inhalt

Zwei Wochen liegt die Fachtagung „Personal Learning Environments in der Schule“ an der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz in Goldau nun schon zurück. Leider war ich nicht auf der Tagung und auch einige meine Mitarbeiter, die an sich da sein wollten, sind an der „personal moving environment“ gescheitert und mit einem kaputten Auto liegen geblieben (Gott sei Dank ist sonst nichts weiter passiert). Man kann aber (hier) die Keynote-Vorträge per Video anschauen und anhören (freilich nur ein kleiner Trost für den gescheiterten Besuch). Wer Zeit hat, sollte sich alle Vorträge anhören. Wer wenig Zeit hat, der sich sollte unbedingt Beat Döbelis Vortrag zu Gemüte führen. Warum? Weil ich niemanden kenne, der es besser hinbekommt, Inhalt und Form eines Vortrags so gut aufeinander abzustimmen.

Beats Vorträge sind Kunstwerke, in die er mit Sicherheit viel Zeit steckt. Und wie es sich „für ihn gehört“, bringt er das Handy (bzw. i-Phone) zum Einsatz, wenn es im Vortrag um das Handy geht. Er bringt Anschauungsmaterial mit, das er erwähnt, und setzt im Vortrag exemplarisch ein, um was es ihm geht. Diesen Vorträgen kann man folgen; sie bleiben in Erinnerung; sie verbinden Inhalt und Form. Sicher ist das nicht die einzige Art, gute Vorträge zu machen – das will ich gar nicht sagen. Es gibt verschiedene Ziele und damit auch verschiedene Formate und verschiedene Möglichkeiten, wie man die Form gestaltet (z.B. via Abstimmung auf den Inhalt à la Beat oder eben anders). Fest steht für mich allerdings, dass nur sorgfältig vorbereitete Vorträge ihr Ziel erreichen – Vorträge, bei denen man sich eben AUCH über die Form (zu der z.B. aus meiner Sicht auch die Struktur gehört) ausreichend Gedanken gemacht hat.

Aktualisierungen

Das doch recht komplexe und vor allem unübersichtliche Thema Wissensmanagement Novizen nahezubringen, ist nicht leicht. Ihnen als Einstieg eine geeignete Textgrundlage zu geben, die eine Orientierung ermöglicht, erst recht nicht – vor allem nicht, wenn man nicht verlangen oder erwarten kann, dass mal eben ein paar Bücher gelesen werden. Studierende sind klare Rechner geworden – jede Seite lesen und verstehen geht in den „Workload“ ein und fast jedes freiwillige „Add-on“ kann man sich an sich von vornherein sparen. Aus diesem Grund habe ich bereits vor einigen Jahren einen Studientext verfasst, der Basis eines Grundkurses ist. Das war 2004. Fünf Jahre später ist es dringend an der Zeit, diesen Studientext komplett zu erneuern und zu aktualisieren.

Ich hatte dafür ca. acht volle Tage eingeplant. Aber die haben leider nicht gereicht, denn es ist in weiten Teilen ein neuer Text entstanden: Es ist unglaublich, wie wenig ich guten Gewissens stehen lassen konnte, was mehrere Gründe hat: Es hat einerseits faktisch insbesondere über den Web 2.0-Boom viele Neuerungen, vor allem aber auch wieder viel neue Literatur gegeben. Andererseits haben sich aber auch meine Einschätzungen und Urteile ein wenig geändert und auch wenn ich einen sachlichen Überblick und Einstieg in das Wissensmanagement geben möchte, so sind doch mein Wissen und meine Überzeugungen lenkend für die Auswahl, Anordnung und Art der Darstellung. Aus diesem Grund war es in den letzten Tagen auch etwas ruhig in diesem Blog (und nicht nur da), weil ich diesen Studientext nun endlich zu Ende bringen muss. Anbei – wen es interessiert – das Inhaltsverzeichnis: Inhaltsverzeichnis WM-Studientext

Bis auf das letzte Kapitel, das wohl erst während des Semesters entstehen muss, ist das „Werk“ weitgehend fertig. Übersichtstabellen oder lernerleichternde Abbildungen fehlen allerdings auch noch – vielleicht werde ich die einfach zusammen mit den Studierenden erarbeiten. Mal sehen. Im Laufe des Sommers werde ich den Text öffentlich zugänglich machen, wobei mir neben einem Open Access auch eine günstige Book-on-Demand-Variante vorschwebt – immerhin ist es schöner, einen kleinen 120-Seiten Band ordentlich gebunden in der Hand zu halten als einen Zettel-Salat.