Schreibkompetenz oder lieber weiter im Nichtangriffspakt?

Forschungsnahes Lehren und Lernen gehört derzeit zu den wichtigsten Themen meiner Arbeit. Unser BMBF-Projekt FideS (Forschungsorientierung in der Studieneingangsphase) ist kürzlich angelaufen (dazu bald mal mehr); das Thema Prüfungen habe ich unter dieses Dach gestellt (siehe z.B. hier) und ich hoffe, dass ich bald einen Publikationsort für einen übergreifenden Text zur „Bildung durch Wissenschaft“ finden werde, in dem ich die Hochschuldidaktik eng mit dem Anspruch verbinde, Lehren, Lernen und Forschen aufeinander zu beziehen.

Letzteres halte ich allerdings nur für möglich, wenn man nicht ausschließlich das forschende Lernen im engeren Sinne im Blick hat: Hier führen Studierende eigene Forschungen durch – und das möglichst so, dass der ganze Zyklus eines Forschungsprojekts durchlaufen wird. Andere Gruppen forschungsnaher Lernformen habe ich in den letzten Texten als „Forschen verstehen lernen“ und „Forschen üben“ bezeichnet. Unter „Forschen üben“ fallen nicht nur Methodenübungen, sondern auch das Einüben wissenschaftlichen Schreibens. Und genau dazu gibt es von Stefan Kühl einen aus meiner Sicht sehr interessanten Text zur „publikationsorientierten Vermittlung von Schreibkompetenzen“ – dankenswerter Weise online verfügbar hier.

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Mal eben einen Kommentar machen

Nach 10 Jahren e-teaching.org präsentiert sich das Portal für digitale Medien in der Hochschullehre in einem neuen Gewand (Meldung dazu hier). Die Inhalte sind nun auch für mobile Geräte besser zu nutzen. Wenn man das Portal bisher viel zu Rate gezogen hat, muss man sich schon ein klein wenig umstellen, aber an der grundsätzlichen Struktur wurde nichts geändert. Und so gibt es unter anderem nach wie vor Themenspecials; das aktuelle lautet „Social Media – Social Learning“ (hier).

Frank (Vohle) hat e-teaching.org ein Interview gegeben, denn wenn seine Arbeit etwas auszeichnet, dann die „soziale Komponente beim Einsatz von Videotechnologie“ – so nenne ich das mal. Das passt natürlich sehr gut in das Themenspecial, zumal man bei Video nicht unbedingt sofort an „soziale Lernformen“ denkt. Im Interview mit Philip Meyer erläutert er, wie sich nicht nur die Technologie, sondern vor allem die Methode dahinter entwickelt hat: „Social Video Learning“ (SVL). Gemeint ist damit ein soziales Lernen mit Videos, das im Kern auf situationsgenauen Videokommentaren aufbaut. Der wichtigste (wenn auch nicht alleinige) Kontext für Frank und sein Team ist der Sport bzw. die Trainerausbildung. Aber auch drei Dissertationen, die ich betreue, laufen zu diesem Thema – eine ist gerade abgegeben worden. Die Kontexte variieren hier: Musik – Fahrschule – Lehrerbildung.

Natürlich hat e-teaching.org vor allem Interesse am Einsatz des SVL in der Hochschule. Im Podcast erläutert Frank zunächst einmal, dass und warum SVL relativ voraussetzungsreich ist: Mal eben einen Kommentar machen wie bei Facebook & Co, darum geht es (ihm) nicht. Kommentare folgen in der Regel einer entsprechend gestalteten Aufgabe, sollen nicht nur die Reflexion des Lernenden über relevante Inhalte im Video anregen, sondern auch für den Dialog in der Gruppe genutzt werden. Selber habe ich gute Erfahrungen mit dem Einsatz des SVL in der Doktorandenausbildung gemacht (Stichwort Erklären können – siehe hier).

Am besten das Interview einfach mal anhören, und zwar hier.

Generation Z – und das war es dann hoffentlich?

Digital Natives …. Wer dachte, nach Rolf Schulmeisters mehrfach aktualisiertem Werk „Gibt es eine ´net generation´?“ (online hier) sei Schluss mit der Debatte um die „Digitalen Eingeborenen“, die sich wie Muttersprachler quasi ohne Anstrengung durch die digitale Welt bewegen, wird immer wieder aufs Neue eines Besseren belehrt. Ich habe mich in den letzten Tagen mal ein wenig umgeschaut, ob und wenn ja, was es aktuell zu diesem Thema gibt. Mein erstes Fazit: immer noch viel undifferenzierte plakative Verlautbarungen, ein paar interessante Studien und die gleichen eher ratlosen Schlussfolgerungen. Warum ich überhaupt danach gesucht habe? Für Anfang Juni bin ich an die Universität Wien eingeladen: zu einem Vortrag im Rahmen der Veranstaltung „Tag der Lehre 2015“. Und genau dieser steht unter dem Motto „Lehren und Lernen mit Digital Natives“. Mein anfänglicher Versuch bei den Organisatoren, mit meinem Vortragsthema von dem gewählten Motto abzulenken, schlug leider fehl.

Also muss ich mir mal wieder Gedanken über die „Digital Natives“ machen – und das in der festen Überzeugung, dass dieses Bild auch 15 Jahre nach dessen Kreation nicht sinnvoller geworden ist. Und siehe da, es gibt sie tatsächlich noch: etliche Texte zu den digitalen Eingeborenen, die nun aber nicht mehr uneingeschränkt positiv daherkommen – plakative Texte für die Praxis, aber auch der eine oder andere wissenschaftliche Text. Ich bringe hier mal nur zwei Beispiele.

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Am falschen Ort

Mehrfach ging in der letzten Zeit das Thema „Anwesenheitspflicht“ an der Hochschule durch die Fachpresse – sogar durch die Massenmedien. Anlass sind diverse Regelungen einzelner Länder oder Hochschulen, die die Anwesenheit der Studierenden an Lehrveranstaltungen zur Pflicht machen, sodass Fehlzeiten ab einer bestimmter Anzahl zu negativen Konsequenzen bis hin zu fehlenden Credit Points führen. Ende Januar titelte die ZEIT (hier) z.B. „Studenten, bleibt zuhause“ und forderte das Recht auf leere Stuhlreihen und das Recht darauf ein, auch mal faul sein zu dürfen. In einem Gastbeitrag kontern zwei wissenschaftliche Mitarbeiter (hier), die Uni dürfe kein Kindergarten für Faule sein und liefern Gründe für die Anwesenheitspflicht: Unter anderem weisen sie darauf hin, dass die Veranstaltungsplanung aus den Fugen gerate, wenn man nie genau weiß, wie viele Studierende etwa in einem Seminar anwesend sein werden. Und weiter stellen sie fest: „Absurd wird es, wenn zu Semesterbeginn 80 Studierende für ein Bachelorseminar angemeldet sind, zur ersten Sitzung 40 erscheinen und sich zu den einzelnen Seminarsitzungen einige Wenige mit den Dozenten die Zeit vertreiben“. Nicht nur die Lehrenden hätten eine Bringschuld gegenüber den Studierenden, sondern auch die Studierenden hätten eine Holschuld vor allem in auf Diskurs angelegten Lehrformen wie Seminaren – und das erfordert nun einmal Anwesenheit.

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Bildung erfolgreich verhindern

Vor wenigen Tagen landete ein Buch in meiner Post: „Forschungsgeleitete Lehre in einem Massenstudium“, herausgegeben von Rudolf Egger, Cornelia Wustmann und Anke Karber (Wiesbaden: Springer VS, 2015). Schon allein der Titel ist eine Provokation: Massenstudium klingt nach notwendig effizienter Massenabfertigung in der Lehre – prinzipiell schlecht vereinbar mit dem unsicheren und zweitaufwändigen Prozess des Forschens. Die Beiträge des Buches beschäftigen sich vor allem mit der Lehrerbildung und anderen bildungs- und erziehungswissenschaftlichen Studiengängen, beinhalten aber auch einige übergreifende Themen, die wohl für alle Disziplinen relevant sein dürften.

An einem Beitrag bin ich besonders hängen geblieben: „Unterricht an Universitäten? Systematische Überlegungen zum intradisziplinären Transfer“ von Claudia Gerdenitsch.

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Dem Unsinn ein Ende machen

Mit dem Deutschen Philologenverband hatte ich bisher nichts zu tun. Nun aber bin ich zu einer Tagung des wissenschaftlichen Beirats dieses Verbands eingeladen und es geht um Prüfungen. Der Titel der zweitägigen Veranstaltung (am 10. und 11.10.2014) in Berlin ist: „Leistungsstandards und Leistungsbewertung am Gymnasium und an der Universität“. Der Blick auf die Unis ist der Grund, warum auf dieser Veranstaltung auch hochschuldidaktische Impulse gefragt sind. Weil ich schon seit längerem fest davon überzeugt bin, dass Prüfungen ein zentrales Thema gerade auch für Fragen des Lehrens und Lernens an Universitäten sind, habe ich die Anfrage gerne angenommen.

Die Veranstaltung ist in vier Blöcke gegliedert: Block 1 beschäftigt sich mit der „Passung von Leistungsstandards und Leistungsbewertung an Gymnasien und Universitäten“. Block 2 ist den „Herausforderungen und Konsequenzen der Orientierung an Kompetenzen und Leistungsstandards für die Prüfungspraxis an Gymnasien und Universitäten gewidmet“. Hier ist auch mein Beitrag (20 min Impulsvortrag) eingeordnet. Block 3 ist umschrieben mit „Stärken und Schwächen traditioneller und veränderter, erweiterter Prüfungsformate mit Bezug auf kompetenz- und standardorientierter Leistungsbewertung an Gymnasien und Universitäten“. An sich hätte ich zu diesem Thema mehr sagen können, aber ich habe es als Herausforderung genommen, mir nochmals grundsätzlichere Gedanken zu den Konsequenzen der sog. Kompetenzorientierung zu machen. Block 4 schließlich beschäftigt sich mit der Notengebung: „Note sehr gut – aber im Bezug worauf? Notwendige Umorientierung in der Notengebung an Gymnasien und Universitäten?“

An der Stelle kann ich eine Textfassung (also kein Vortragsmanuskript) des Beitrags verfügbar machen, da dieser bereits parallel entstanden ist. Und wer den Titel des Blogposts verstehen will, müsste jetzt den Text lesen 😉

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Aufgeklärte Fremdbestimmung auf Zeit

François Bry hat einen interessanten Blog-Beitrag (hier) zum Thema „Verschulung“ an der Universität geschrieben. Grundlage ist keine eigene Erfahrung, sondern ein Buch von Dan Ariely, in dem er über ein Experiment in der Hochschullehre berichtet. Verglichen hat Ariely die Effekte von drei Bedingungen für Abgabefristen von drei schriftlichen Ausarbeitungen: (a) eine Einreichungsfrist (vom Dozenten festgelegt) für alle drei Leistungen am Ende des Semesters, (b) eine von Studierenden selbst festgelegt Einreichungsfrist für alle drei Leistungen, (c) vom Dozenten festgelegte verteilte Fristen für die drei Leistungen über das Semester. Das Ergebnis?

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Digitalisierte Neugier

Warum nur ist mir das Wort „Digitalisierung“ im Kontext von Hochschulbildung so derart unsympathisch? Vielleicht, weil es in Wikipedia dazu heißt: „Der Begriff Digitalisierung bezeichnet die Überführung analoger Größen in diskrete (abgestufte) Werte, zu dem Zweck, sie elektronisch zu speichern oder zu verarbeiten.“ Die elektronische Speicherung und Verarbeitung analoger Größen aber kann ja nun nicht der Zweck des Einsatzes digitaler Medien in der Hochschule – speziell in der Hochschullehre (vielleicht in der Buchhaltung) – sein!

Weshalb daher die neue gemeinsame Initiative vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, dem Centrum für Hochschulentwicklung und der Hochschulrektorenkonferenz (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung) für einen Dialog über Potenziale digitaler Medien für deutsche Hochschulen ausgerechnet „Hochschulforum Digitalisierung“ heißt, bleibt mir ein Rätsel.

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einbläuen, einpauken, einhämmern

Endlich habe ich es zu Ende gelesen – das Buch von Yehuda Elkana und Hannes Klöpper mit dem Titel „Die Universität im 21. Jahrhundert. Für eine neue Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft“ (2012).

Bei socialnet gibt es sogar zwei Rezensionen (hier und hier), die den Inhalt zusammenfassen und ein kurzes, lobendes, Fazit ziehen. Teilweise kann ich mich den Rezensenten anschließen. Insbesondere die Ausführungen zu historischen Hintergründen und internationalen Zusammenhängen und Unterschieden sind gut zu lesen und verschaffen einem auf unterhaltsame Weise einen Überblick. Zudem werden viele relevante Themen angeschnitten und auch dargelegt, dass und wie diese zusammenhängen (Beispiel: heutige Forschungs- und Förderpraxis, Lehrevaluationen, Ansprüche der Anschlusssysteme etc.). Dass Zweck und Ziele der Universität umfänglich reflektiert werden und in diesem Zusammenhang auch konkrete Beispiele angeführt werden, hat das Buch für mich auf jeden Fall lesenswert gemacht (Nebenbemerkung: Das Kapitel zur „Renaissance der Rhetorik“, Kap. V., finde ich sehr interessant; ich sehe da unter anderem eine Reihe von Anknüpfungspunkten zu Herausforderungen der Vermittlung – jenseits der platten Trichtermetaphorik).

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Oh – jetzt weiß ich wieder, warum ich Pädagogik studiere

„Bepflanzung und gutes Raumklima inkl. Farben, ein mobiles Mobiliar, ein Touchscreen sowie eine Projektionsmöglichkeit aus allen Punkten des Raumes“ – so die relativ übereinstimmende Wunschliste von Studierenden, die Martin Ebner (mit Team) 2012 zum Thema Lehr-Lernraum in Workshops hat nachdenken lassen. Nun ist an der TU Graz so ein Raum versuchsweise eingerichtet worden (Text und Bilder hier).

Leider ist das an vielen Hochschulen nicht Realität: Wenn ich an Mobiliar in Unis denke, fallen mir (aktuell z.B.) unglaublich schwere Stühle und Tische ein, bei denen man sich zweimal überlegt, ob man auch nur Kleinigkeiten umstellt (die müssen da irgendwo Blei reingegossen haben). Oder man ist mit Hausmeistern und anderen „Raumwächtern“ konfrontiert, die einen bereits als potenziellen Vandalen im Visier haben, wenn man mal die Sitzordnung ändert.

Ab und zu mache ich es dann aber doch: Ein großer Effekt entsteht bereits, wenn man die Tische entfernt (was natürlich voraussetzt, dass die Studierenden nicht zwingend mitschreiben müssen). Das irritiert erfahrungsgemäß erst einmal stark – schon allein deshalb, weil man jetzt nicht weiß, wohin mit dem Kaffeebecher und der Wasserflasche (auch die Brotzeit kann man schlecht auspacken), und es ist schwerer, hinter dem geöffneten Notebook zu verschwinden. Überhaupt: Das ist erst mal ungemütlich – ungewohnt. Dumme Sprüche („oh – jetzt weiß ich wieder, warum ich Pädagogik studiere“) muss man freilich auch hinnehmen. In der Regel lohnt es sich trotzdem: Die Aufmerksamkeit ist anders fokussiert – der Tisch als Barriere zwischen Studierenden und Lehrenden ist weg. Es entsteht mehr Nähe, die natürlich (vor allem wenn sie ungewohnt ist) auch abgelehnt werden kann. In jedem Fall zeigen die meisten Personen in solchen Situationen mehr Präsenz – und die wünscht man sich als Lehrender ja schon (was gibt es Schlimmeres als in völlig abwesende Gesichter zu blicken).

Was ich auch nicht schlecht fände, wären Stehtische. Sitzt man nicht ohnehin genug? Ich selber stehe als Lehrende zwar die meiste Zeit – aber die Studierenden: Sitzen sie nicht ohnehin zu viel? Also wären auch Stehtische an den Wänden ganz gut, z.B. um sich da dann Notizen zu machen, oder auch mal im Netz etwas nachzuschauen etc. Auf Pflanzen könnte ich dagegen verzichten (wer denkt immer dran, die auch zu gießen?), aber mehr Farben: Ja, auf jeden Fall! Überhaupt: Etwas mehr Ästhetik – das Auge lernt ja mit, oder?