Was man hört, aber nicht sieht

Sprache: Wie wichtig ist sie im Vergleich zum Inhalt – in einer Hausarbeit, Bachelorarbeit, Dissertation? Nicht so wichtig? Weil es doch auf den Inhalt und nicht darauf ankommt, wie man ihn darstellt? Ich maße mir nicht an, das für Disziplinen und Fächer zu beurteilen, von denen ich keine Ahnung habe. Aber für Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen und für Bildungswissenschaften im Besonderen halte ich die sprachliche Umsetzung der eigenen Gedanken ebenso wie die Widergabe der Gedanken anderer für sehr wichtig. Ich weiß, dass viele Studierende, vielleicht auch einige Doktoranden, das entweder nicht so sehen (und mich für kleinkariert halten) oder aber den Stellenwert der Sprache anders interpretieren. Eine solche andere Interpretation ist z.B. die, dass die Sprache nicht zwingend verständlich, sondern vor allem „wissenschaftlich“ klingen müsse. Und wissenschaftlich klinge es vor allem dann, wenn der Autor als Ich im Text nicht auftaucht (weil die Inhalte dann nicht mehr „subjektiv“ sind), wenn der Text möglichst viele Substantivierungen enthält (weil das die Argumente schwergewichtiger macht), wenn Sätze bevorzugt passiv statt aktiv konstruiert werden (weil das die notwendige Distanz erhöht) und wenn man möglichst viele Botschaften in einen Satz packt und dabei ein hohes Maß an Nebensätzen und Einschüben verwendet (weil sich das dann so ähnlich anhört wie viele der Texte von Wissenschaftlern, die man schon gelesen hat).

Verständlichkeit und Lesefreude – das scheinen für viele (auch für manche Wissenschaftler) die natürlichen Gegenspieler der Wissenschaftlichkeit zu sein. Ich sehe das anders: Wenn jemand einen Text nicht versteht, kann das zwar verschiedene Ursachen haben und natürlich auch am Leser liegen. Wenn aber fortgeschrittene Studierende, die sich anstrengen, oder Wissenschaftler selbst mit Fragezeichen vor einem Text aus ihrer eigenen Domäne sitzen, mühsam das Subjekt und Verb im Satz suchen und sich vergeblich fragen, was der Autor einem wohl sagen will, dann stimmt etwas mit dem Text nicht! Und wissenschaftlich ist es auch nicht, wenn die Verständlichkeit auf der Strecke bleibt: Von Wissenschaft erwarte ich mir Klarheit im Ausdruck und keine Nebelkerzen. Leider aber lernen viele Studierende im Studium genau das: vermeintlich wissenschaftliche, an großen (schwierig zu verstehenden) Vorbildern orientierte, aber leider schlechte Texte zu schreiben.

Ich empfehle Studierenden und Doktoranden gerne, ihre Texte laut zu lesen, bin mir aber sicher, dass es kaum jemand macht (sonst würden sie anders klingen)! Das ist schade. Denn lautes Lesen der eigenen Sätze, die man aufs Papier gebracht hat, ist sehr heilsam: Man hört eher, wie schlecht ein Satz klingt, als dass man es ihm ansieht. Und man hört auch eher, wenn Sätze ihre Botschaft verloren oder eine angenommen haben, die man gar nicht im Sinn hatte. Endlich gibt es jemanden, der meinen (ernst gemeinten, aber offenbar nicht ernst genommenen) Ratschlag teil ;-): Valentin Groebner hat ein kleines Büchlein mit dem Titel „Wissenschaftssprache. Eine Gebrauchsanweisung“ geschrieben (2012). Der Buchtitel ist etwas irreführend und aus meiner Sicht nicht glücklich gewählt. Mit dem ersten Teil des Buches kann ich auch nicht so sehr viel anfangen. Der zweite aber beschreibt sehr schön die Irrungen und Wirrungen der Wissenschaftssprache und das Problem, das Doktoranden (an diese Zielgruppe wendet sich Groebner hauptsächlich) damit haben. Er plädiert für Lesbarkeit, für das „Ich“ im Text und – ja! – für lautes Lesen: „Beim Vorlesen merken Sie … rasch, wie lange es am Beginn eines neuen Absatzes dauert, bis Sie selber verstehen, wovon eigentlich die Rede sein wird. Sie merken auch, wie rasch das bedeutungstragende Substantiv am Anfang erscheint. („Von wem ist die Rede?“) Und Sie merken, wenn Sie das Verb mit lauter Einschüben und Relativsätzen so weit nach hinten geschoben haben, dass im Satz niemand irgendetwas zu tun scheint, oder einfach zu lange damit wartet („Was passiert hier eigentlich?“). Wenn Sie Ihren Text selbst vorlesen (oder noch besser: einem geduldigen Publikum), merken Sie schließlich auch, ob am Ende die Resultate Ihrer Überlegungen wirklich deutlich werden.“ (S. 101 f.) Also: Einfach mal ausprobieren!

Education unlimited

„Change: Offene Hochschule = education Unlimited? Zwischen Humboldt und Fachkräftemangel“ – unter diesem Motto steht die diesjährige Campus Innovation in Hamburg am 22. und 23.11.1012. Zahlreiche bekannte Namen umfasst das interessante Programm (hier) und verspricht eine ertragreiche Veranstaltung. Leider ist mein letzter Besuch auf der Campus Innovation schon wieder ein paar Jahre her, aber Hamburg eben nicht um die Ecke 😉

Der Ankündigungstext klingt stellenweise recht ähnlich den Aussagen, die im Januar 2012 in Berlin als Grundlage für Vorträge und Diskussionen dienten (studium 2020: siehe hier). Das Thema „Durchlässigkeit des Hochschulsystems“ ist aber wohl komplex genug, um mehrere Tagungen dazu zu veranstalten, denn einfache Antworten wird es auf die Frage, für wen welche Hochschulen in welcher Weise mit welcher Zielsetzung offen sein sollten, nicht geben. Ich denke, speziell die Zielsetzung spielt hier eine zentrale Rolle.

Ich persönlich schwanke bei der Frage, für wen insbesondere die Universität offen sein sollte, regelmäßig zwischen einem „möglichst vielen – wäre doch toll, wenn eine wachsende Zahl von Menschen sich in und mit Wissenschaft bildet“ und einem „möglichst den Passenden – wäre doch schade, wenn wir nur noch Mittelmaß haben und die Wissenschaft in der Bildung verschwindet“. Ursache für diese Schwankungen sind eigene Erlebnisse und Erfahrungen, manchmal aber auch Bücher und Artikel.

Ich hoffe auf viele Videos und andere Einblicke in die Meinungen der Vortragenden und der Tagungsteilnehmer. Vielleicht kommen ja neue Argumente, gute Beispiele und Erkenntnisse zum Vorschein.

Bin ich hier richtig?

„Für Dozenten … ist das Referat ein beliebtes Mittel, eigene Aufgaben abzuwälzen oder zumindest auf das Nötigste zu reduzieren. Während sich vorn ein Student durch seine Gliederung quält, lässt sich ja der Fachaufsatz des Forschungskollegen lesen oder eigenen genialen Gedanken nachhängen.“ – so steht es in einem aktuellen Spiegel Online-Artikel von Jonas Leppin und Oliver Trenkamp, der sich allerdings hauptsächlich einer „Typologie“ von studentischen Referenten widmet: dem Angeber (Das Referat bin ich), dem Aufgeregten (Mir ist ein bisschen schwummrig), dem Beseelten (Lasst uns das bitte ausdiskutieren), dem Überflieger (Da ist doch nichts dabei), dem Verpeilten (Bin ich hier richtig?), dem Abgeklärten (Das schaffen wir schon), dem Nerd (Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?) und der Gruppe (Höchststrafe für alle).

Also der Artikel ist wirklich nett zu lesen – und in der Tat: Ganz falsch sind aus meiner Sicht diese Beobachtungen nicht: weder die von der ziemlich „entlastenden“ Didaktik für den Dozenten noch die verschiedenen „Typen“.

Sind Referatsseminare also überholt oder gar falsch? Das würde ich jetzt so nicht sagen! Natürlich sollte man mindestens am Ende des Studiums in der Lage sein, ein Referat zu halten, also in einem begrenzten Zeitraum mündlich und bei Bedarf visuell unterstützt einen Einblick in ein wissenschaftliches Thema zu geben, selbst dazu begründet Position zu beziehen, und das in einer Form zu tun, dass andere es verstehen und gut zuhören können und am Ende informierter sind als vorher. Und wenn man das können soll, muss man es üben – also auch in Lehrveranstaltungen. Allerdings: Wenn 70 bis 80 Prozent der besuchten Seminare für einen Studierenden in solchen Referatsseminaren bestehen, ist das natürlich nichts. Und wenn man vor allem nur schlechte Referate hält und erlebt und man aus den eigenen Fehlern und denen der anderen nichts lernen kann, weil es kein vernünftiges Feedback gibt, dann ist es erst recht nichts.

Eine Checkliste für gute Referate ist ja schon mal was, aber allein hilft das auch nichts. Es kann sogar ins Gegenteil umschlagen – ins Abarbeiten von angeblich gesetzmäßigen Regeln etwa bei der Gestaltung von PowerPoint-Folien. Also: Warum nicht ab und zu ein Referatsseminar, aber dann bitte so, dass man etwas daraus lernt (dazu muss man dann aber auch zusätzliche Zeit einplanen) und in erträglicher Dosierung. Ob sich dann die „Typen“ ändern, die Jonas Leppin und Oliver Trenkamp skizziert haben, sei allerdings dahin gestellt. Das scheinen mir doch eher Skizzen von bestimmten Haltungen von Studierenden gegenüber dem Studium und der eigenen Rolle in diesem Studium zu sein. Wäre ja mal ganz interessant, empirisch zu überprüfen (und theoretisch zu untermauern), ob sich diese Typen auch zeigen, wenn man systematisch nach ihnen Ausschau hält, wie sie verteilt sind und ob es seitens der Studierenden selbst einen Veränderungsbedarf gibt.

Ein Gerücht

„Sagen Sie mal, Herr Vohle, ich habe da das Gerücht gehört, dass Sie und Frau Reinmann …“ Ein Gerücht ist eine unverbürgte (also unklare und fragliche) Nachricht bzw. ein „umlaufendes Gerede“ (laut Herkunftswörterbuch). Ja, das hat man halt davon, wenn man nicht heiratet UND sich dann auch nicht auf den gleichen Namen (meistens natürlich den des Mannes) einigt (ich höre es schon einige sagen ;-)). Mir war gar nicht bewusst, dass da „Gerüchte“ kursieren in Fach-Communities, in denen wir uns halt so aufhalten. Das lässt sich freilich klären: Wir leben seit 13 Jahren zusammen; seit 13 Jahren kleben drei verschiedene Namen auf unserem Briefkasten: der von Frank, der von mir und der von unserem (bereits volljährigen) Sohn, der dann den dritten Nachnamen hat. Drei Namen – sozusagen eine Quelle für Gerüchte. Aber es ist ganz einfach: Wir sind eine Familie – schon lange! Das können wir verbürgen. 🙂

Die falschen Fragen

So nun war ich auch mal auf einer Fachtagung des Deutschen Hochschulverbands. Ich bin ehrlich gesagt mit etwas gemischten Gefühlen hingefahren – eben kein „Heimspiel“ (wie z.B. GMW), sondern „auswärts“ bei einem (eher Anzug-tragenden) Publikum, das sich schwer einschätzen lässt. Zudem sollte ich ein etwas unglücklich formuliertes Thema – „Digitales Denken“ (damit hatten andere Referenten auch Probleme) – aus der Sicht der Erziehungswissenschaften darstellen. Das ist natürlich fast unmöglich, weil man zig Akzente setzen kann und ob ich mit meinem Akzent („Freiheit und Zwang“) den richtigen Ton speziell für die Erziehungswissenschaften treffen würde, da war ich mir nicht sicher. Die Reaktionen aber waren positiv und am Ende war ich dann erleichtert. Der Vortrag selbst ist schon hier auf diesem Blog gepostet (Vortrag).

Schade ist, dass die Beiträge nicht als Video verfügbar sind; es soll aber Kurztexte von jedem Referenten geben, die dann in der Zeitschrift Forschung & Lehre abgedruckt werden. Na ja, besser als nichts. Es würde an dieser Stelle zu weit gehen, auf alle Vorträge im Einzelnen einzugehen. Ich beschränke mich daher auf ein paar ausgewählte „Schlaglichter“.

Sympathisch und ein schönes Gegengewicht zum Spitzer-Getöse hat der Neurobiologe Benedikt Grothe geliefert und unter anderem auf die Kategorienfehler hingewiesen, die seit dem Siegeszug der Neurowissenschaften immer wieder gemacht werden, wenn es um das Verhältnis des Menschen und insbesondere seines Gehirns zur Technik geht. Beispielhaft hat er deutlich gemacht, wie viel die Hirnforschung bereits wüsste und wie detailliert sie viele Prozesse beschreiben kann, wie schwierig bis unmöglich aber Deutungen sind, die wir alle so gerne für den (Medien-)Alltag hätten.

Der Kognitionspsychologe Gerd Gigerenzer hat sich auf die Botschaft konzentriert, dass auch psychologische Studien zu Fragen der Wechselwirkungen zwischen Mediennutzung und menschlichem Verhalten wenig aussagekräftig seien, weil sie (a) zu wenig langfristige Effekte im Blick hätten, (b) ausschließlich korrelative Zusammenhänge betrachten würden und (c) „falschen Fragen“ nachgingen. Von daher gäbe es weder für Euphorie noch für Phobie eine verlässliche „Evidenz“. Zusammen mit Grothe kommt Gigerenzer daher tendenziell zu dem Schluss, dass die Wissenschaft für die Fragen der Fachtagung eher wenig beizutragen habe.

Einen anderen Ton schlug der „Internet-Forscher“ Thomas Schildhauer an, der für die wirtschaftswissenschaftliche Sicht zuständig war: Er forscht unter anderem mit Geldern von Google und steht daher schon mal per se in Verdacht, die Phobie zu schüren – etwas anders formuliert hat er darauf auch mehrfach selbst in seinem Vortrag hingewiesen. In diesem hat er sich auf Phänomene wie „Crowd-Sourcing“, „Crowd-Funding“ konzentriert und mit zahlreichen Beispiele gezeigt, wie vor allem die vielfältigen Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten des Netzes zu neuen Formen der Ideenentwicklung, aber auch zu neuen Geschäftsmodellen führen können. Die Aktivitäten von Thomas Schildhauer werde ich mir sicher genauer ansehen; ein paar Gedanken konnten wir am Rande der Veranstaltung schon austauschen.

Die abschließende Podiumsdiskussion hat ansatzweise durchaus Potenzial gehabt. Der offenbar schwierige Beitrag der Wissenschaft zu mehr Wissen (und Können?) zu Fragen der Mediennutzung und des Medieneinflusses in unserer Gesellschaft wurde als Anker genutzt und von den Referenten gerne aufgegriffen, um die aktuelle Forschungsförderung (großer Umfang der Drittmittelforschung, Probleme beim Peer Review, kurzfristige Projektforschung etc.) sowie andere wissenschaftspolitische Probleme, aber auch innerwissenschaftliche Herausforderungen anzusprechen. Auch aus dem Publikum kamen interessante Fragen und Beiträge, die aber aufgrund der verkürzten Zeit vom Moderator stellenweise etwas brachial abgewürgt worden sind.

Was nimmt man mit aus so einer Veranstaltung? Durchaus eine ganze Menge: Interdisziplinäre Vorträge (dazu auch Franks Eindrücke aus der Veranstaltung hier) und damit andere Sichtweisen, Ansätze zu einem Dialog, der eine oder andere interessante Kontakt …. Man könnte meiner Ansicht nach mehr daraus machen: Die zusammengetragenen Inhalte weiter bearbeiten und diskutieren, fruchtbar erscheinende Kontakte weiter verfolgen, die eine oder andere erwähnte Idee daraufhin abklopfen, ob es sich lohnt, sie weiter zu verfolgen – gerne via „crowd-thinking“ … Nur hat dafür leider kaum noch jemand Zeit!

Von Freiheit und Zwang – zu starke Begriffe?

Heute bin ich im Wissenschaftszentrum Bonn auf der Fachtagung des Deutschen Hochschulverbands (DHV), welche dieses Jahr den Titel trägt „Digitales Denken: Wie verändert die digitale Revolution unser Leben?“ Insgesamt sechs Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen sollen sich aus ihrer jeweiligen Fachperspektive heraus mit dem Thema beschäftigen (hier das Programm). Mein Part ist die erziehungs- bzw. bildungswissenschaftliche Perspektive. Bei der Ausarbeitung des Beitrags bin ich bei (zu?) starken Begriffen gelandet – nämlich Freiheit und Zwang. Ich hoffe, dass meine Botschaften dennoch ankommen bzw. angekommen sind.

Wie so oft, halte ich meine Folien ohne das gesprochene Wort für wenig aussagekräftig und möchte diese folglich weder als Handout verteilen noch auf digitale Reise schicken. Stattdessen aber mache ich gerne mein Redemanuskript zugänglich – inklusive der verwendeten Literatur.

Redemanuskript_Bonn_Nov2012_DHV

Ein Rückblick auf die Fachtagung und was ich dabei alles gelernt habe, kommt in Kürze. 🙂

Gemunkel in der oberen Etage

Es wird „geraunt und gemunkelt“ in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), „es gibt Gespräche am Rande von Konferenzen und in Restaurant-Nebenzimmern, Kontakte per Telefon und sogar über anonymisierte E-Mail-Adressen, die eigens eingerichtet und später wieder gelöscht werden“ – so Armin Himmelrath in einem Bericht über die HRK vom 19.10.2012 im Magazin duz. Der Hintergrund: Unzufriedene Stimmen mit dem neuen Präsidenten der HRK und offenbar verschiedene Meinungen, was dessen Führungsstil (respektive „Basta-Stil“) betrifft. Allerdings wolle sich da niemand öffentlich zitieren lassen; alle zögen erst mal den vertraulichen Austausch vor.

Man kennt solche Prozesse ja keineswegs nur auf der „oberen Etage“ (so die Bezeichnung für die HRK von Ulla Burchardt – Vorsitzende das Forschungsausschusses im Bundestag – im Interview mit Himmelrath). Auch „weiter unten“ gibt es oft eine merkwürdige Diskrepanz zwischen formulierungsmäßig ausgefeilten Protokollen und tatsächlichen Diskussionen, zwischen öffentlichen Verlautbarungen und Diskussionsbeiträgen hinter geschlossenen Türen. Es ist zwar durchaus sinnvoll, nicht jede Kontroverse nach außen zu tragen. Aber ein wenig mehr Transparenz würde man sich manchmal doch schon wünschen – auf allen Etagen. Und Kontroversen gibt es natürlich überall – in der HRK derzeit aber offenbar besonders. Interessant ist in diesem Zusammenhang das schon genannte Interview, in dem Burchardt festhält: „Die HRK hat ein grundsätzliches Strukturproblem: Es gibt dort starke Zentrifugalkräfte die auseinanderstreben. Große Hochschulen haben andere Interessen als kleine, Universitäten andere als Fachhochschulen, Hochschulen im Westen andere als die im Osten“. Zu den heterogenen Interessen käme, dass die Hochschulen ja nun nicht die Summe ihrer Rektoren seien; doch die HRK würde sich darum wenig kümmern und sich auch in einigen anderen Dingen einer merkwürdigen Sprachlosigkeit hingeben.

Immerhin aber sagt offenbar einer namentlich ganz offen seine Meinung – nämlich der Präsident der HRK – und heizt die Kontroversen damit heftig an. Aber, so das Resümee von Himmelrath: „Die HRK hat sich für Hippler entschieden, sie hat Hippler bekommen …“ und der Mann habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass es ihm nicht um Konsens gehe. Den Konsens fände ich dagegen durchaus wichtig. Schade nur, wenn er vor allem am Rande von Konferenzen, in Restaurant-Nebenzimmern und Online-Kontakten mit anonymisierten Adressen entsteht.

(Armin Himmelrath moderiert übrigens auch die Abschlussdiskussion auf der Fachtagung des Deutschen Hochschulverbands zum „Digitalen Denken“ kommenden Mittwoch, von der ich nächste Woche berichten werde).

Es lohnt sich!

Nun ist es schon über ein Jahr her, dass ich in einem Blogbeitrag (hier) über das Format „Forschungskooperation“ der Zeitschrift „Erwägen – Wissen – Ethik“ (EWE) berichtet habe. In diesem Beitrag habe ich die Phasen der in dieser Zeitschrift neu erprobten „Forschungskooperation“ vorgestellt. Es sind insgesamt fünf und wir sind nun bei der letzten Phase angekommen. Abgeschlossen werden soll das Projekt im Februar 2013; erscheinen wird das Heft dann voraussichtlich im März 2013. Ich möchte an der Stelle nochmals diese fünf Phasen darstellen und kurz kommentieren, wie ich diese erlebt habe.

Forschungsprozess I: „Auftakt“. Dabei handelt es sich um den Ausgangsartikel, der deutlich länger ist als der übliche Zeitschriftenartikel und bis zu 90.000 Zeichen umfassen kann.

Über diesen Text, der die Möglichkeit einer interdisziplinären Vermittlungswissenschaft behandelt, habe ich vergleichsweise lange gesessen und dabei auch viel mit mir gerungen. Mir war bewusst, dass der Akzent der Vermittlung eine Art Querschläger ist und möglicherweise als Angriff auf Lerner- und Kompetenzorientierung empfunden werden kann. Ich habe eine gekürzte Fassung auch auf dem Kongress der DGFE in Osnabrück vorgetragen und hier über meine Erfahrungen berichtet.

Forschungsprozess II: „Weiterführung“. Dies sind im weitesten Sinne Stellungnahmen und Kritiken, die allerdings vor allem diskursiv gestaltet, also darauf ausgelegt sind, den im Hauptartikel begonnen Prozess fortzuführen.

An dieser Weiterführung haben sich 23 Autoren mit insgesamt 21 Texten beteiligt, die ganze 52 sehr dicht bedruckte Seiten ergeben haben. Ich muss sagen, das war eine völlig neue und höchst interessante, auch lehrreiche Erfahrung für mich. Die Beiträge stammen von Personen aus verschiedenen Disziplinen, waren sehr unterschiedlich gestaltet und umfassten auch eine große inhaltliche Breite. Ich habe aus den Texten gute Erweiterungsideen ebenso wie nachvollziehbare Kritikpunkte entnehmen können; manche Passagen konnte ich schwerer verstehen und bei einigen wurde mir mal wieder klar, wie oft wir doch Missverständnisse auch unter Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Gründen produzieren.

Forschungsprozess III: „Zwischenfazit“. Das Zwischenfazit übernimmt wieder der Autor des Hauptartikels (also eine Art Replik) und stellt eine weitere Station im Forschungsprozess dar.

Auch dieses Zwischenfazit ist bereits verfasst; es ging im Sommer an die 23 Autoren der Weiterführung. Das Zwischenfazit habe ich für eine Art Inhaltsanalyse der Texte genutzt wie auch dazu, einige meiner Vorstellungen und Ziele zum Thema Vermittlungswissenschaft zu revidieren.

Forschungsprozess IV: „Synopse“. Gemeint ist damit eine Art Wissenschaftsmediation des bisherigen Diskurses seitens der Herausgeber (bzw. einzelner Personen aus dem Herausgeberteam), in dem vergleichende Betrachtungen, Systematisierungsvorschläge und offene Fragen zusammengestellt werden.

Auch dieser Text – nämlich von Bettina Blanck – liegt nun allen Beteiligten an der Forschungskooperation seit ungefähr drei Wochen vor. Die „Erwägungssynopse“ sprengt in hohem Maße meine Erwartungen – vom Umfang her (sie ist fast sechs Seiten länger als der ohnehin schon recht umfangreiche Auftaktartikel) wie auch im Hinblick auf die Intensität der Auseinandersetzung mit dem Auftakt und der Weiterführung. Insbesondere zeigen mir dieser Text und dessen Perspektive noch einmal, wie begrenzt man oft in seiner eigenen Auffassung ist, die sich dann auch bei der Rezeption der Texte anderer Autoren breit macht.

Forschungsprozess V: „Bilanz“. In dieser Phase haben alle am Forschungsprozess Beteiligten die Möglichkeit, auf der Basis aller fertig gestellten Beiträge aus den Forschungsprozessen I bis IV noch einmal Stellung zum gesamten Prozess zu nehmen und eine Bilanz zu ziehen.

In dieser Phase nun sind wir aktuell: Jeder Beteiligte hat jetzt noch bis Februar Zeit, eine kurze Bilanz zu ziehen. Ich möchte das auf jeden Fall noch in diesem Jahr tun.

Wenn die „Forschungskooperation“ abgeschlossen ist, möchte ich den gesamten Prozess noch einmal genauer reflektieren, den ich unabhängig vom Thema, das ich gewählt hatte, äußerst fruchtbar finde. Das Prozedere ist zugegebenermaßen lang und aufwändig und man muss schon Zeit dafür freischaufeln – aber es lohnt sich! Das neue Format „Forschungskooperation“ der Zeitschrift EWE sticht aus allen mir bisher bekannten Prozessen des Austausches und der gegenseitigen Kritik deutlich hervor und bietet aus meiner Sicht und nach meinen bisherigen Erfahrungen ein großes Potenzial für den einzelnen Wissenschaftler wie auch dafür, ein Thema voranzubringen. Schade nur, dass das alles nicht offen zugänglich ist.

Hochschuldidaktik – unbelehrbar?

Fast wäre es untergegangen … Mit einigen Wochen Verspätung, aber immerhin jetzt, möchte ich einen kurzen Vortrag zum Thema Hochschuldidaktik öffentlich machen, den ich in einer kleineren Runde Mitte September 2012 gehalten habe. Wem der Inhalt zu pessimistisch vorkommt, den kann ich beruhigen: Ich bin davon überzeugt, dass die Hochschuldidaktik eine Zukunft hat. Dennoch muss man ja ab und zu der Realität ins Auge sehen 😉

Vortrag_Hochschuldidaktik_Sept2012

Was kann man an Kompetenzen schlecht finden?

Gerade ist das neue Heft der Zeitschrift für Hochschulentwicklung (Online-Zeitschrift) erschienen. Es trägt den Titel „Kompetenzen, Kompetenzorientierung und Employability in der Hochschule“ und wird herausgegeben von Niclas Schaper (Paderborn), Tobias Schlömer (Oldenburg) und Manuela Paechter (Graz). Ich habe bisher nur das Editorial gelesen und mir einen Überblick über die Beiträge verschafft, die eine gute Mischung aus grundsätzlichen und beispielhaften Texten zum Titel-Thema bereitstellen. In der Einführung verweisen die Herausgeber zunächst auf die Ziele eines Hochschulstudiums. Dieses soll dazu beitragen, dass Absolventen am Ende wissenschaftlich denken und arbeiten sowie wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden anwenden können. Des Weiteren sollen als Vorbereitung auf ein berufliches Tätigkeitsfeld Problemlösekompetenzen aufgebaut und zudem die Persönlichkeitsbildung (also soziale und personale Schlüsselkompetenzen) gefördert werden. Studium und Lehre sollen vor diesem Hintergrund kompetenzorientiert gestaltet werden; das heißt: Im Zentrum steht die Befähigung zum Handeln, und das muss man dann natürlich auch in jedem Curriculum berücksichtigen.

Diesem Tenor schließen sich auch die anderen Beiträge an – jedenfalls kann man das den Abstracts entnehmen. Und natürlich: Warum sollte man sich dem nicht anschließen? Was kann man an Kompetenzen schlecht finden? Alle wollen wir doch Absolventen, die nicht nur etwas wissen, sondern auch etwas können und Einstellungen haben, die erkennen lassen, dass sie eine Wissenschaft studiert haben. Beim Lesen von Beiträgen zum Kompetenzthema beschleicht mich trotzdem immer so ein zwiespältiges Gefühl. Es stören mich mehrere Dinge, ohne dass ich wirklich genau explizieren könnte, was es ist, das mich stört:

  • Vielleicht stört mich der implizit in der „neuen“ Kompetenzorientierung steckende Vorwurf, vor der Kompetenzwelle hätte niemand Interesse am Handeln gehabt, was man so sicher nicht stehen lassen kann.
  • Vielleicht stört mich aber auch die mit der Kompetenz- und Output-Orientierung verbundene (scheinbare oder tatsächliche?) Abwertung der Inhalte bzw. der Sache, mit der man sich in einem Studium beschäftigt bzw. beschäftigen sollte.
  • Damit zusammenhängend stört mich vielleicht auch die sich bei mir einschleichende Befürchtung, dass man in einem „kompetenzorientierten Studium“ vor allem um sich selber kreist und sowohl Inhalte als auch andere Personen letztlich nur Mittel zum Zweck (welchen genau?) werden.
  • Vielleicht stört mich darüber hinaus ein impliziter Widerspruch, nämlich der zwischen der Behauptung, dass nun alles Interesse an den Kompetenzen hafte, die als Dispositionen allerdings nicht direkt erkennbar sind, und der Forderung, alles Augenmerk plötzlich auf das sichtbare Verhalten zu lenken, das ja allenfalls ein Indikator für eine Kompetenz sein kann.

Na ja, jetzt habe ich es doch noch expliziert, was mich stört; aber es fehlen mir noch die Worte, das richtig gut zu begründen. Damit will ich die zahlreichen Beiträge zur Kompetenzorientierung keinesfalls pauschal abwerten. Ich frage mich aber, ob wir nicht genauer hinschauen sollten, was uns diese Diskussion etwa für die didaktische Gestaltung des Studiums bringt und welche versteckten Botschaften damit ausgesendet werden, die mitunter nicht (mehr) ganz konsistent oder womöglich auch schädlich sind.