Ob man das mit einem Mann auch machen würde?

Dass an Universitäten Raummangel herrscht, ist nichts Neues. Dass vorzugsweise bestimmte Disziplinen davon besonders betroffen sind, während es andere da besser haben, ist auch ein allgemein bekanntes Phänomen. Dass Fakultäten wegen des Kampfes um Räume im Dauerstreit leben (wobei die Räume oft Symbole der Macht sind – vor allem deren Größe und Lage), soll es ja auch geben. Dass man mit seinen Mitarbeitern aber ganz ohne Räume bleibt und irgendwie nicht absehbar ist, wie lange dieser Zustand anhält, kommt mir doch ungewöhnlich vor. Ich bin ja aus Augsburg in dieser Hinsicht schon einiges gewöhnt …. und ich frage mich: Würde man das eigentlich mit einem Mann auch machen? Ein Gender- oder doch eher ein Charakter-Effekt? Oder ist es purer Zufall und ich habe in punkto Räume einfach Pech? Es bleibt das Prinzip Hoffnung …

Aber vielleicht besser kein Raum als ein maroder, der krank macht? Zufällig bin ich über einen Fotowettbewerb vom AStA der Universität des Saarlandes gestolpert mit dem Titel „Marode Hochschule“ – auch schön anzusehen, nämlich hier. 😉 Ein Glück, dass der Staat ja schon vor einiger Zeit die Bildungsrepublik Deutschland ausgerufen hat – da wird das bestimmt alles bald besser …  also falls nicht wieder eine Euro- oder Bankenkrise dazwischenkommt.

Redlich und praktisch

Mandy Schiefner und Peter Tremp (mit Mitarbeiter) von der Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik an der Universität Zürich beschäftigen sich in zwei aktuellen Artikeln mit zwei aus meiner Sicht sehr wichtigen Themen, die eher nicht allzu oft und intensiv diskutiert werden, wenn es um Hochschullehre geht: nämlich wissenschaftliche Redlichkeit und Praktika im Studium.

Im Beitrag von Mandy Schiefner (hier online) geht es um die wissenschaftliche Redlichkeit: Im Zentrum steht zwar (vor allem laut Überschrift) das Plagiatsproblem. Der Text reflektiert aber darüber hinaus weitergehende Aspekte einer wissenschaftlichen Haltung und stellt sich die Frage, wie man diese im Studium vermitteln kann. Besonders gefallen hat mir der Ansatz, nicht nur nach Möglichkeiten zu suchen, Plagiate zu entdecken und zu sanktionieren, sondern sie zu vermeiden. Im Prinzip hat das Thema viel mit dem breiteren Konzept der Informationskompetenz zu tun. Dabei besteht hier die Chance, den Blick nicht nur auf trainierbare Fähigkeiten zu heften, sondern eben auch auf Einstellungen und Werte – weshalb die Bezeichnung „wissenschaftliche Redlichkeit“ recht treffend gewählt ist.

Im Beitrag von Markus Weil und Peter Tremp (hier online) werden Praktika im Studium näher beleuchtet. In der Lehrpraxis bleiben – so meine Erfahrung – oft keine Lehrressourcen übrig, um Studierende darin zu unterstützen, Erfahrungen aus dem Praktikum sinnvoll in das Studium einzubinden bzw. hierfür Unterstützung zu geben. Dies liegt womöglich auch daran, dass man sich bisher – von Ausnahmen einmal abgesehen – zu wenig um diese Verknüpfung gekümmert hat oder vielleicht keinen Bedarf gesehen hat, hier etwas zu unternehmen. Je größer aber der Ruf nach Praxisorientierung wird (wobei der Sinn dieser Forderungen durchaus hinterfragt werden sollte), umso wichtiger wird eine explizite curriculare Einbindung von Praktika. Hierzu bietet die Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik auch ein noch umfangreicheres Dossier an (online hier).

Blogs – bloß nicht in Unternehmen?

Dass es mit Weblogs in Unternehmen nicht immer ganz einfach ist, vor allem, wenn man den Bloggern Autonomie zugestehen will, dürfte allgemein bekannt sein. Trotzdem bewirbt man diese Web 2.0-Anwendung gern als mögliches Wissensmanagement-Instrument. Karsten Ehms hat sich in mehrjähriger Arbeit den Spekulationen um die Möglichkeiten und Grenzen von Blogs in Unternehmen empirisch, aber auch theoretisch gewidmet und Ende des Jahres 2009 seine Dissertation dazu abgeschlossen. Nun endlich ist sie auch online zugänglich, nämlich hier.

Ich freue mich sehr darüber, dass diese Arbeit positiv abgeschlossenen werden konnte. Berufsbegleitende Promotionen sind keine einfache Sache; inzwischen ist mir klar, dass das viele auch unterschätzen. Da braucht man schon Durchhaltevermögen – Karsten hat es bewiesen. Herzlichen Glückwunsch Dr. Ehms! 🙂

Studientext Didaktisches Design

Ähnlich wie beim Studientext Wissensmanagement wurde es auch beim Thema Didaktisches Design wirklich Zeit, meine Textgrundlage für die Lehre grundlegend zu überarbeiten. An anderer Stelle (hier) hatte ich bereits darauf hingewiesen. Nun kann ich den Studientext online verfügbar machen. Die auf der zweiten Seite genannte URL ist allerdings erst in einigen Wochen aktiv. Ich bitte, dies zu beachten. Auch ein eigenes Logo bzw. einen eigenen Header haben wir noch nicht. Das jetzige Deckblatt fungiert als Übergang.

Ich hoffe, der Studientext trifft auf ein ähnlich positives Echo wie der Studientext Wissensmanagement. Es würde mich jedenfalls freuen. Auch hier gilt: Der Text ist die Grundlage für Veranstaltungen! Es handelt sich also nicht um ein Selbstlernangebot, sondern einfach um klassische Lektüre. Ich freue mich natürlich über Rückmeldungen.

Studientext_DD_April10

Ich bin dann mal weg

Viele Dinge glaube ich immer erst, wenn sie auch wirklich eingetreten sind. Ernennungen gehören auch dazu. Jetzt habe ich sie in der Hand: exakt zum 01.04.2010 und keinen Tag früher – nämlich die Ernennungsurkunde. Wer denkt, es sei ein Leichtes, aus einem Beamtenverhältnis in ein neues zu treten, der irrt – offenbar liegen vor allem zwischen Bund und Ländern auch in dieser Hinsicht Gräben, die es zu überschreiten gilt. Phasenweise hätte ich am liebsten über den Graben geschrien, dass ich auf den ganzen Zirkus jetzt doch lieber verzichte. Aber nun ist es geschafft (ich habe nicht geschrien): Ich bin ab heute offiziell an der Universität der Bundeswehr München tätig und habe dort eine W3-Professur für Lehren und Lernen mit Medien an der Fakultät für Pädagogik. Vor wenigen Wochen habe ich bereits unseren Studierenden in Augsburg eine entsprechende Nachricht zukommen lassen (hier) – und ein Geheimnis ist ja längst nicht mehr, aber offiziell eben tatsächlich erst jetzt.

Ich weiß, dass nicht alle in meinem näheren und weiteren Umfeld meine Entscheidung nachvollziehen können: Ich habe einen Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg auf eine Professur für Lerninnovation (zugegebenermaßen die kürzeste und beste Bezeichnung) sowie einen Ruf an die Universität Hamburg auf eine Professur für „Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Hochschuldidaktik unter besonderer Berücksichtigung der Hochschulentwicklung, Organisationsentwicklung und Personalentwicklung“ (begrifflich so ungefähr das Gegenbeispiel zu Lerninnovation) und ein Bleibeangebot in Augsburg abgelehnt, um den Münchner Ruf anzunehmen. Es gibt zwei Universitäten der Bundeswehr in Deutschland: eine in Hamburg und eine München. Für deren Gründung hat sich Helmut Schmidt eingesetzt, weshalb die in Hamburg geschickter Weise „Helmut-Schmidt-Universität“ heißt. Das ist ein Jammer, dass man sich da für München nicht was ähnlich Attraktives in der Namensgebung hat einfallen lassen. Langjährige Professoren an der UniBw München (so die Abkürzung) haben mir leider versichert, dass der Rechtfertigungsdruck, auf SO EINER Uni zu sein, nicht aufhört – was aber hauptsächlich nur für die gelte, die nicht mit einem zusammenarbeiten und das Innenleben sowie die Forschungs- und Lehrbedingungen dort kennenlernen. Nun, ich lasse mich überraschen. Zuständig bin ich in München mit neun anderen Professoren/innen für den Studiengang „Bildungswissenschaft, insbesondere interkulturelle, Medien- und Erwachsenbildung“. Konzentrieren kann ich mich da auf das Lehren und Lernen mit Medien.

Neben den vielen rationalen Gründen, die man bei so einer Entscheidung monatelang hin- und her wälzt, sind es letztlich auch „Bauchgründe“, von denen man nur ahnt, dass es sie gibt, ohne sie richtig in Worte fassen oder gar anderen wirklich verständlich machen zu können. Wenn ich jetzt sage, ich habe keine Ahnung, was mich erwartet, dann ist das einerseits falsch, weil ich mich selbstverständlich sehr intensiv mit jeder zur Debatte gestandenen Universität, der jeweiligen Professur und der Stadt beschäftigt habe. Es ist aber andererseits auch richtig, denn was man dann, wenn man vor Ort ist, mit Kollegen, Studierenden, Unileitung und Umfeld tatsächlich erlebt, welche Gestaltungsfreiheiten man hat, was man bewirken kann etc., lässt sich letztlich kaum verlässlich vorhersehen. Wie ich mich auch entschieden hätte, es wäre immer ein Restzweifel geblieben, ob es die richtige Entscheidung war.

Was Räume betrifft, ziehe ich immer einen besonderen Joker – vielleicht nehmen mich die Leute schon „semivirtuell“ wahr und verdrängen die Raumfrage (auch gut): In Augsburg waren wir immer 3 plus x in EINEM Raum. Was erst völlig unakzeptabel erschien, hat sich zu einem Lebens- und Arbeitskonzept entwickelt – über acht Jahre lang – acht Jahre, die ich auf keinen Fall missen möchte. Nun gut, während die einen zu Ostern Eier suchen, suchen die anderen eben Räume 😉 – aber das wird schon und wurde mir auch heute nochmal versichert. Ich glaub mal dran.

Gestern war mein letzter Tag in Augsburg. Ich habe noch einige Prüfungen gemacht und den Schlüssel abgegeben. Es ist dann doch ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man allenfalls noch einmal zu Besuch kommen wird. Wichtige Wegmarken schwirrten mir gestern mehrfach durch den Kopf: Eine für mich damals (2001/02) unglaublich große Fachschaft, mit der ich mich anfangs jede Woche getroffen habe, weil die Probleme so groß waren. Es galt, einen völlig überfüllten Magisterhauptfach-Studiengang allein ohne festen Mitarbeiter irgendwie abzuwickeln. Erst allmählich lichtete sich die Dichte der Lehraufgaben und ich konnte mit engagierten und netten studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeitern langsam ein ausgesprochen arbeitsfähiges und kreatives Team aufbauen. Die Doktorandengruppe wuchs und die Kolloquien haben immer auch ein paar Gäste zu uns gelockt. Das hat immer Spaß gemacht – auch am Freitag Nachmittag! Der Bachelor und Master „Medien und Kommunikation“ hat allerdings auch viele Ressourcen gefressen, aber es entstand im Gegenzug ein anerkannter Studiengang. Bis zum Schluss allerdings habe ich mit dem Problem gekämpft, dass die meisten an sich am liebsten ausschließlich Kommunikationswissenschaft studieren würden. Dann 2007 die Gründung des Instituts für Medien und Bildungstechnologie – das war ein Kraftakt, weil nicht gerade jeder in der Fakultät/Universität von dieser Idee begeistert war. Dass das imb im September 2009 den Publikumspreis beim MedidaPrix gewonnen hat, war aus meiner „scheidenden Perspektive“ natürlich ein toller Abschluss. Da fragt man sich: Ist das ein guter oder ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um zu gehen? Aber die Frage ist müßig, denn nun BIN ich weg. Das „Heimweh“ werden Silvia, Alex, Tamara und eine kurze Zeit auch Marianne ebenso lindern helfen wie der größte Teil meiner Doktoranden, die den Sprung über den Graben ebenfalls wagen (und Frank natürlich auch!).

Ciao, Augsburg!

Muss Uni so trocken sein?

Jetzt wird freilich die Antwort „Nein“ erwartet und dann kommt ein lebendiges Beispiel. Das ist gut so, denn anders als in der Schule haben wir – auch in Zeiten von Bologna – an den Hochschulen viel mehr Möglichkeiten in der Lehre, Neues und Ungewöhnliches auszuprobieren, was die „Trockenheit“ vergessen lässt. Die jährliche w.e.b.Square-Tagung, von der ich in diesem Blog bereits mehrfach berichtet habe (z.B. hier und hier) ist so ein Beispiel. Nun haben die Studierenden unter Sandras Leitung noch einen Film dazu gemacht, der wirklich sehr ansprechend geworden ist. Man kann ihn hier anschauen. Allerdings ist der Weg zu solchen Veranstaltungen und Ereignissen kein leichter: Das werden Sandra und die beteiligten studentischen Mitarbeiter/innen denen, die das genau wissen wollen, sicher berichten können. Das Glück bei solchen Veranstaltungen ist, dass sie in der Regel freiwillig besucht werden können und entsprechend engagierte Studierende anzieht. Beispiele wie diese sind ausgesprochen wichtig, um zu zeigen, dass mit Engagement und Begeisterung VIEL geht. Sie sind weniger geeignet, um zu zeigen, wie der der Lehralltag an Universitäten generell aussehen sollte. Generell nämlich kann es nicht Ziel und Zweck sein, vor allem Events zu organisieren (oder deren Organisation anzuleiten), um die Uni „weniger trocken“ zu machen (auch wenn dieses Motto für den Einstieg sicher geeignet ist). Vielmehr muss es uns gelingen, auch für das scheinbar Trockene oder zumindest für Ausschnitte aus genuin wissenschaftlichen Erkenntnissen (theoretischer und empirischer Art), die zunächst trocken wirken mögen, Interesse zu wecken – für Wissenschaft zu begeistern. Veranstaltungen wie w.e.b.Square sind dafür auf jeden Fall geeignet – aber eben als Einzelereignis (z.B. einmal im Jahr). Und was passiert bis zum nächsten Jahr?

Ich meine wir müssen die Möglichkeiten an unseren Unis viel mehr komplementär sehen – die Vorlesungen und Seminare, die Projekte und Events, die Lehrenden, die gut erzählen können, und die mit immer neuen Ideen etc. Es erscheint mir wenig sinnvoll, das eine gegen das andere auszuspielen. Stellt man auf Tagungen oder Workshops Beispiele vor, läuft man oft Gefahr, in dieser Hinsicht falsch interpretiert werden: nämlich als wolle man mit seinem Beispiel nun die Lehre reformieren. Das ist doch Quatsch. Niemand will nur Vorlesungen hören, niemand will immer nur Projekte machen und wenn es sechs studentische Tagungen im Jahr gäbe, würde das niemanden mehr interessieren. Ideal wäre es, wenn jeder Studierender von ALLEM etwas mitbekäme, alles kennenlernen und die verschiedene Wege, sich mit Wissenschaft zu beschäftige, erfahren könnte. Leider aber haben wir genau das bis jetzt nicht hinbekommen!

Hellseher gesucht

Vor kurzem habe ich an einer Expertenumfrage teilgenommen, bei der man zwar nicht hellsehen, aber doch irgendwie in die Zukunft schauen und seine Einschätzung abgeben muss, wie sich eine bestimmte Technologie bis zu einem bestimmten Jahr in einem bestimmten Bereich entwickeln wird. Gut ist ja schon mal, dass es dabei schon lange nicht mehr digitale Technologien an sich geht, sondern dass verschiedene Technologiegruppen unterschieden werden. Auch werden die Bereiche eingegrenzt: z.B. Schulen, Hochschule, Unternehmen.

Trotzdem: Mir ist da nie wohl dabei. Erstens ist auch die genannte Differenzierung immer noch viel zu grob. Kann man z.B. Mittelstandsfirmen mit großen Konzernen in einen Topf werfen, eigentümergeführte Betriebe mit AGs vergleichen? An den Hochschulen wissen wir, wie groß die Unterschiede zwischen den Disziplinen sind sowohl in Bezug auf die Lehre als auch in Bezug auf die Forschung – ist es sinnvoll, das in einem Atemzug zu behandeln bzw. zu bewerten? Zweitens mischen sich bei Antworten innerhalb von Umfragen ja doch immer wahrscheinliche und erwünschte Szenarien. Wenn ich mich da selbst beobachte, merke ich, dass ich das beim Antworten nicht immer ganz auseinanderhalte – ja vielleicht auch gar nicht auseinanderhalten will, denn: Wenn etwas zwar unwahrscheinlich, aber immerhin wünschenswert ist, können ja die Wünsche einer kritischen Masse von Experten auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen oder? Meinungen konstruieren Wirklichkeit zumindest mit. Drittens frage ich mich, was das eigentlich bringt: Ist das verkappte Marktforschung, damit zur rechten Zeit die rechten Produkte platziert werden? Oder glaubt jemand im Ernst, dass anhand solcher Ergebnisse Curricula umgeschrieben und Lehrende fortgebildet werden?

Meine Skepsis gegenüber diesen Studien nimmt auch den „Horizon Report“ nicht aus, der – einige Blogger haben bereits darauf verweisen – auch in deutscher Sprache vorliegt (kann man hier abrufen). Positiv ist, dass der Report am Ende eine recht genaue Beschreibung des Vorgehens liefert, also zumindest Transparenz schafft, wie die Ergebnisse zustande kommen. Die Resultate dieses Berichts wirken nicht eben sonderlich überraschend: Open Content und mobile Rechnernutzung – so die Vorhersage – werden sich kurzfristig in Lehre und Forschung durchsetzen. Elektronische Bücher und einfache Formen der „augmented reality“ (will heißen: Verschmelzung digitaler und realer Aktivitäten) werden mittelfristig wichtiger werden, und die visuelle Datenanalyse sowie gestenbasiertes Computing (im Unterhaltungsbereich bereits existent) stehen am langfristigen Zeithorizont. Mal ungeachtet davon, dass es meines Wissens schon eine ganze Reihe von Forschern gibt, die mit der visuellen Datenanalyse in Forschung und Lehre arbeiten, kann ich mir eher nicht vorstellen, dass sich Hochschulen in zwei bis drei Jahren (das gilt heute schon als langfristig) mit spielkonsolenähnlichen Geräten ausstatten werden. Vielleicht sollten wir uns manchmal mehr um die Gegenwart und darum kümmern, wie wir die aktuellen Probleme lösen könnten.

Irgendwas zwischen Worten und Taten

Auf der Learntec 2010 war ich ja dieses Jahr nicht, dafür aber zwei halbe Tage auf der didacta, die nach eigenen Angaben die „größte Fachmesse für Lehrkräfte aller Bildungsbereiche in Europa und die wichtigste Weiterbildungsveranstaltung der Branche“ ist. Sie findet dieses Jahr in Köln statt und läuft noch bis zum 20. März. Wenn man so durch die Hallen geht, hat man ein bisschen den Eindruck, dass Bildung nach wie vor auf zwei Säulen ruht: auf Büchern (denn die Verlage machen ganz offensichtlich den Hauptteil der Stände aus) und Tafeln – heute natürlich elektronischen Tafeln, für die es immer mehr Anbieter zu geben scheint. Ein neuer „Bildungstrend“ ist offenbar auch das Essen – im Zuge der Bewegung hin zu Ganztagsschulen sicher nicht verwunderlich.

Wer es ruhig haben will, sollte den Bereich E-Learning aufsuchen – hier kann man sich von der Hektik z.B. an der Buchausgabe für Referendare, an Ständen mit Kopiervorlagen und Arbeitsheften nicht nur virtuell erholen, denn da ist schlicht niemand … ob sich niemand hin traut, weil das Mobiliar so steril wirkt oder ob das Digitale von den Verlagen bereits zur Genüge adaptiert wurde, kann ich nicht beurteilen. Bis aufs Messer jedenfalls verteidigte Alfons Rissberger (Gründungsmitglied von D21) trotz alledem den Segen der digitalen Medien in einer Podiumsdiskussion, zu der ich auch eingeladen war. Während Rissberger zu meiner Rechten das IT-Zeitalter beschwor und sich freute, dass er die FAZ jetzt auf seinem iPod lesen kann, beklagte Roland Reuß, Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft und Initiator des Heidelberger Appells, dass auch die ZEIT und FAZ dank der digitalen Medien nicht mehr sind, was sie einmal waren. Hans Ruthmann, Schulleiter einer Gesamtschule, die auch Notebook-Klassen anbietet, hatte es infolge des starken Hochschul-Fokus (Ziel war an sich das Zusammentreffen von Schule und Hochschule; siehe z.B. hier) in der Diskussion ein bisschen schwer und auch ich habe etwas zu spät gemerkt, dass die beiden Herren an den Außenseiten phasenweise in die rhetorische Trickkiste griffen und einem rasch das Wort im Mund herumdrehten. Aber ich muss sagen: Es hat sich mal was gerührt, die Diskussion war nicht langweilig, weil doch recht verschiedene Positionen zum Vorschein kamen, auch wenn an vielen Stellen einiges durcheinander geriet. Ruthmann und ich repräsentierten offenbar den eher pragmatischen Teil der Diskussion; wahrscheinlich hat man uns bewusst in die Mitte gesetzt – da wo, wie so oft, die Praxis des Lernens mit digitalen Medien stattfindet.

An sich hätte Minister Pinkwart mitdiskutieren sollen, aber der hat in letzter Minute abgesagt – wofür didacta-Vorstandsmitglied Hartmut Becker scharfe Worte fand: Die fehlende politische Präsenz, die über ein schnelles Grußwort hinausgeht, fehlt ihm in hohem Maße, was er in einem kurzen Eingangsstatement vor der Diskussion deutlich machte. Einer „Bildungsrepublik Deutschland“ würde es in der Tat gut stehen, gerade die didacta als Forum zu nutzen, um zumindest irgendetwas zwischen Worten und Taten zu präsentieren, das einem hilft, den ewigen Sonntagsreden von der großen Bedeutung der (lebensbegleitenden) Bildung noch ein bisschen Glauben schenken zu können.

Vielleicht haben wir alles nur falsch verstanden?

Es war und ist recht still um die Bologna-Konferenz in Budapest und Wien am 11. und 12. März. Ein paar wenige Zeitungen haben darüber berichtet (z.B. die ZEIT hier) und es gibt ein kurzes Abschlusspapier (hier), in dem die Erfolge des Bologna-Prozesses allen Protesten zum Trotz beschworen werden. Deshalb wird auch an mehreren Stellen bekräftigt, dass man an den Zielen weiter festhalten wolle, die auch für die nächste Dekade gelten sollen. Was man aber verbessern müsse, ist die Kommunikation speziell mit den Studierenden und den Hochschulangehörigen, denn die – so liest es sich jedenfalls – hätten wohl einiges nicht so ganz verstanden. Also: Weiter so, aber mit besserem Marketing? Erfreulicherweise wird im abschließenden Zweiseiter immerhin die Freiheit von Forschung und Lehre eigens hervorgehoben und zumindest schriftlich festgehalten, dass Hochschulen und Wissenschaft wichtig für den Erhalt und die Weiterentwicklung einer Demokratie sind. Wichtig finde ich das als Pendant zu wirtschaftlichen Interessen, die sich wie in allen Bereichen der Gesellschaft als dominant erweisen. Aber irgendeine konkrete Idee, was man besser machen könnte, lese ich da nicht heraus. Man nimmt die Proteste aus dem Jahr 2009 zwar offiziell zur Kenntnis, reagiert aber offenbar vor allem mit der Folgerung, nicht richtig kommuniziert zu haben – wobei nicht ganz klar ist, wer da genau der Adressant ist: die Nationen, die Minister, speziell in Deutschland die Bundesländer, die Hochschulen, die Hochschullehrer oder die Studierenden?

Ich würde mir wünschen, dass man die Akkreditierungsverfahren endlich mal radikal ändert, dass man Bürokratie abbaut (die uns lähmt und nichts nützt) und dass man aufhört, jedes Merkmal in quantifizierter Form erfassen zu wollen. Gut am Bologna-Prozess ist, dass dieser die schon vorher bestandenen schlechten Rahmenbedingungen vor allem in überlaufenen Fächern so richtig manifest gemacht hat. Schlecht ist, dass trotzdem alles weitergeht wie bisher, dass sich unter anderem die Verteilung von Mitteln an anderen Kriterien festmacht als am bestehenden Bedarf. All das ist Bildungspolitik und ich würde mir erwarten, dass genau diese Punkte in entsprechenden politischen Gremien und Konferenzen – zu der ja wohl auch die Bologna-Konferenzen gehören – diskutiert werden. Oder haben wir das auch nur falsch verstanden?

Nachtrag am 22.03.2010: Seit wenigen Tagen gibt es nun auf dem Deutschen Bildungsserver ein Dossier zum Thema mit weiterführenden Informationen, nämlich hier.

Mitten in den Lehrjahren

Sind die Lehrjahre vorbei?, so lautet die Frage für das 2. Symposium „E-Learning an Hochschulen“, veranstaltet vom Medienzentrum der TU Dresden (9. bis 10. März 2010; hier das Programm). Ich habe heute – am zweiten Tag – einen Vortrag mit dem Titel „Kino fällt aus: Erfahrungen und Folgerungen aus einem Pilotprojekt zur mediendidaktischen Umgestaltung einer Vorlesung gehalten“. Mit diesem Vortrag berichte ich nun von ersten Evaluationsergebissen und Folgerungen aus meinem „Vorlesungsexperiment“, über das ich in diesem Blog bereits mehrfach berichtet habe (Konzept, Zwischenbericht, Abschluss). Eine genaue Auswertung der Ergebnisse und deren Präsentation in einem Bericht stehen allerdings noch aus. Das kommt dann im Laufe des Frühjahrs. Gerne aber mache an dieser Stelle schon mal mein Vortragsmanuskript zugänglich.

Vortrag_Dresden_Maerz10

Bezogen auf den Titel des Symposiums komme ich, was meinen Vortrag betrifft, ganz klar auf die Antwort, dass die Lehrjahre (im E-Learning) keineswegs vorbei sind. Die dauern an und sie dauern so lange an, bis wir Wege gefunden haben, eine Hochschulbildung zu praktizieren, die nicht einseitig instrumentalisiert wird – und das scheint mir eine Daueraufgabe zu sein.