Empirisch und analytisch

Wie unterscheiden sich Disziplinen in der Konsensfähigkeit ihres Wissenskanons (für die Lehre)? Wie wird in den Disziplinen geforscht? Welcher Art sind die Ergebnisse verschiedener Formen von Forschung? In welchem Verhältnis stehen Wissenschaft und Forschung? Was hat Forschung in verschiedenen Disziplinen mit Praxis, mit Diskurs, mit Ausprobieren und Konstruieren sowie mit Professionalisierung zu tun? Und was bedeutet all das für Forschungsorientierung in der Lehre und mit welchen besonderen Auswirkungen für Forschungsorientierung in der Studieneingangsphase? An anderer Stelle (hier) hatte ich bereits darüber berichtet, dass diese und weitere Fragen den Ausgangspunkt eines Expertenworkshops im März 2016 (im Rahmen unseres BMBF-Projekts FideS) bildeten. Tragend für diesen Workshop waren unsere beiden Referenten Marco Schmitt und Rüdiger Rhein.

An der Stelle möchte ich nun auf die Videoaufzeichnungen der beiden Vorträge hinweisen, die man sich hier ansehen kann. Diese sind schon länger online, weshalb ich darauf längst hätte aufmerksam machen können ;-). Die beiden Zugänge zum Thema – eher empirischer und eher analytischer Art – sind höchst verschieden und auch im Nachhinein denke ich, dass genau die Verschiedenheit bei diesem Thema notwendig ist.

Drei Tage am Stück

Drei Tage Blockkurs zum forschungsnahen Lehren und Lernen mit einer heterogenen Teilnehmer-Gruppe liegen diese Woche hinter mir. Es war nun das dritte Lehrangebot dieser Art (also drei Tage am Stück ohne E-Learning-Anteile), sodass ich inzwischen Vor- und Nachteile zumindest mal benennen kann (ich hatte hier schon mal darauf hingewiesen, dass ich mich dazu nochmal äußern würde).

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Evidenz schlägt Geschichte

Wie wichtig ist es, sich mit der Vergangenheit einer Disziplin oder Subdisziplin zu beschäftigen? Ich meine, das ist wichtig. Als ich in der zweiten Hälfte der 1980 Jahre Psychologie studiert habe, gab es immerhin eine Vorlesung zur Geschichte der Psychologie. Leider war der vortragende Professor etwas einschläfernd. Aber ich kann mich erinnern, dass ich danach öfter mal nach Literatur gesucht habe, um zu verstehen, wie das, was eine Wissenschaft aktuell ausmacht, im Laufe der Zeit geworden ist. Warum bevorzugt die Psychologie das Experiment? War das schon immer so? Von welchen Disziplinen musste sich die Psychologie emanzipieren, von welchen wollte sie sich abgrenzen und warum? Und welchen Einfluss hat das darauf, was wir heute von der Psychologie als Disziplin erwarten? Ich meine, es kann in jeder Disziplin hilfreich sein, die Gründe zu kennen, warum z.B. welche Fragen gestellt, welche Methoden verwendet und welche Standards hochgehalten werden oder welche Paradigmen im Streit sind oder waren. Mein Eindruck war schon vor vielen Jahren, dass die zugeschriebene Relevanz eines historischen Bewusstseins in meinem Studienfach, der Psychologie (damals natürlich noch Diplom), mit der wachsenden Orientierung an den Naturwissenschaften ziemlich gesunken ist. Anders in der Pädagogik: Hier setzt man sich nach wie vor mehr und intensiv mit historischen Entwicklungen auseinander, wobei auch dieses Interesse mit der „Evidenzbasierung“ durchaus zu schwinden scheint.

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Schwierige Lernprozesse

2003 schrieb Rolf Schulmeister im Vorwort eines Bandes mit dem Titel „´Master of Higher Education´. Modellversuch zur didaktischen Professionalisierung von Hochschullehrenden“, herausgegeben vom damaligen Interdisziplinären Zentrum für Hochschuldidaktik der Universität Hamburg, folgende Worte (S. 3): „Das IZHD bietet seit seiner Entstehung im Jahre 1970 didaktische Fortbildung für Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer und den Hochschullehrer-Nachwuchs an. Dies war nicht von Anfang an mit didaktisch fortschrittlichen Methoden verbunden. Auch die Hochschuldidaktiker, die alle aus anderen Disziplinen kamen, hatten anfangs schwierige Lernprozesse zu durchlaufen. Aber allmählich, vor allem in Begegnungen mit angelsächsischen, holländischen und dänischen Kollegen entwickelten sich moderne Konzepte für didaktische Workshops. Inzwischen liegen am IZHD 30 Jahre Erfahrung mit der Hochschullehrerfortbildung vor, die uns in die Lage versetzten, an die Entwicklung eines Studiengangs zu gehen“.

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Stromlinienförmige Geschäftigkeit

In einem Interview mit Zeit Campus (hier) beleuchtet der Soziologe Hartmut Rosa zum einen das heutige Lebensgefühl von Studierenden und zum anderen den Zustand unserer Universitäten, der dazu beitrage (danke an Sebastian für den Link-Tipp). Psychische Probleme und deren Folgen für das Studium führt Rosa unter anderem auf den Zeitgeist zurück, der Studium und Lehre (man könnte ergänzen: auch Forschung) seit Beginn der Bologna-Reform erfasst hat: Es werde, so Rosa, an Universitäten eine stromlinienförmige Geschäftigkeit gefördert: „Vieles läuft unter dem Begriff des Qualitätsmanagements, das Sicherstellen und Verfügbarmachen von Leistungen und Portfolio-Kompetenzen“. Die Folge sind zu viele Erwartungen, die in eine zu kurzer Zeit gepresst werden.

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Impact free

Von 1992 bis 2001 war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU München bei Prof. Heinz Mandl tätig. In dieser Zeit wurden am Lehrstuhl Mandl sehr viele Forschungsberichte, später auch Praxisberichte veröffentlicht – als „graue Literatur“ gedruckt und an unzählige Adressen versandt. Erst später konnte man die Berichte dann auch online abrufen.

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Fassadenkultur der Antragstellung

Gleich zwei – aus meiner Sicht völlig berechtigte – Aktionen von Wissenschaftlern gegen die die neuen Pläne der Exzellenzinitiative und die (inzwischen als verfassungswidrig erkannte) Form der bestehenden Akkreditierungspraxis sind derzeit online nachzulesen und können im Falle der Exzellenzinitiative durch digitale Unterschrift auch unterstützt werden.

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Wider die Entdidaktisierung

Wer im Kontext der allgemeinen Hochschuldidaktik nach theoretischen Konzepte zum Üben sucht, findet nicht viel, obschon es faktisch weit verbreitet ist: Immerhin gibt es die Übung als Lehrformat an Hochschulen, es werden immer mehr Brücken- und Vorkurse konzipiert, die in hohem Maße auf das Üben setzen, digitale Medien ermöglichen individualisiertes Üben etc. Mein Verdacht ist ja schon lange: Das eher geringe theoretische und empirische Interesse am Üben in der Hochschuldidaktik könnte unter anderem vom schlechten Ruf des Übens als Pauken, Drill-and-Practice oder Maßnahme der Disziplinierung verursacht sein. Anzunehmen ist des Weiteren, dass man das Üben im Zuge konstruktivistischer Ansätze aus den Augen verloren hat und als eine letztlich unwichtige und überholte Lernform betrachtet.

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Irgendwelchen Moden nachlaufen

Der Soziologe Rudolf Stichweh spricht in einem Interview (hier) über die Tücken der Wissenschaftsfinanzierung bzw. Forschungsförderung. Im Zentrum steht die Frage, wer sowohl die „kleinen“ Probleme als auch die großen gesellschaftlichen Herausforderungen definiert, für die Wissenschaft nach Lösungen sucht. Während Wissenschaftler bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) oder beim Europäischen Forschungsrat ERC (European Research Council) ihre Fragen selbst formulieren, sind diese mehr oder weniger detailliert vorgegeben, wenn Forschungsprogramme von der Politik oder Wirtschaft ausgeschrieben werden. Zwar werden auch für solche Ausschreibungen in der Regel Wissenschaftler beratend hinzugezogen: Skepsis gegenüber diesem Weg aber ist durchaus angebracht, wie das Interview deutlich macht. Der Wissenschaftsrat, so Stichweh, habe vor gut einem Jahr ein Positionspapier verabschiedet, mit dem er die Debatte über die sogenannten Großen Gesellschaftlichen Herausforderungen anstoßen wollte. „Ich stehe diesen Zuspitzungen mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Derlei Versuche bergen immer die Gefahr, irgendwelchen Moden nachzulaufen. Probleme, die heute vielleicht als relevant erscheinen, können schon morgen in ihrer Bedeutung von anderen verdrängt werden. Das dafür investierte Forschungsgeld verpufft.“

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Bitte so, wie man es kennt

Seit Anfang 2015 laufen im Hintergrund bereits die Vorarbeiten für eine neue wissenschaftliche Zeitschrift, die sich auf Design-Based Research in den Bildungswissenschaften spezialisiert: Educational Design Research (EDeR), die zweimal im Jahr erscheinen soll, deutsche und englische Beiträge umfasst und online sowie im Open Access-Format publiziert (hier ein Überblick über die Beteiligten).

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