Denkanstöße für die Hochschuldidaktik

Etwas länger hat es gedauert, aber schließlich hatte es irgendwann ein Ende ;-): Unser Herausgeberband (Hrsg.: Tobias Jenert, Gabi Reinmann & Tobias Schmohl) mit dem Titel „Hochschulbildungsforschung: Theoretische, methodologische und methodische Denkanstöße für die Hochschuldidaktik“ ist Ende August erschienen. Hier geht es zum Klappentext und zum Inhaltsverzeichnis. Das Buch erscheint als Print und E-Book, das Bibliotheken an Hochschulen in der Regel zugänglich machen. Wir hoffen damit auf die Möglichkeit, dass viele Interessierte (weil meist an Hochschulen arbeitend) leicht darauf Zugriff haben, es lesen und für sich nutzen können.

Im Gleichschritt

Das metrische Wir. Über die Quantifizierung des Sozialen“ – so lautet der Titel eines aktuellen Buches von Steffen Mau, erschienen 2017 im Suhrkamp Verlag. Das Buch beschäftigt sich mit der „Vermessung“ von Personen, Organisationen und Institutionen. Auch Wissenschaftler und Universitäten werden in einzelnen Kapiteln mehrfach als Beispiele aufgenommen. Die Konzentration auf Sichtbarkeit – ein Phänomen, das mir auch persönlich seit langem auf- und missfällt (siehe z.B. hier und hier) – und die Fixierung auf die Zahl werden kritisch hinterfragt. Dass wir uns mitten in einer digitalen Transformation befinden, befördert (wen wundert es) die Quantifizierung des Sozialen.

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Oberflächenkonsens

Jetzt wird es Zeit, dass ich endlich mal über den Herausgeberband von Markus Weil mit dem Titel „Zukunftslabor Lehrentwicklung. Perspektiven auf Hochschuldidaktik und darüber hinaus“ berichte. Schon zum Jahresende lag es auf meinem Schreibtisch. Tobias Schmohl und ich haben einen Beitrag zur Reform bzw. Neuentwicklung des Masterstudiengangs Higher Education beigesteuert. Der eher schmale Band enthält insgesamt elf Texte. Ich möchte exemplarisch ein paar herausgreifen – ohne dass damit eine Wertung verbunden wäre. Auswahlkriterium für diesen Blog-Beitrag sind ganz persönliche „Hängen-Bleiber“, was immer auch mit aktuellen Beobachtungen und Erlebnissen zu tun hat. Ich begrenze mich mal auf vier (sonst wird das hier auch zu lang ;-)).

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Die (Wieder-)Entdeckung des Lehrens

Gert Biesta hat nicht nur, aber vor allem die Schule im Blick, wenn er in seinem neuen Buch „The rediscovery of teaching“ eine bildungstheoretische Argumentation vorlegt, welche die Relevanz des Lehrens herausarbeitet – in einer Zeit, in der sich alles um das Lernen dreht. In der Hochschuldidaktik ist der „Shift from teaching to learning“ ein unhinterfragter Bibelspruch geworden, den man zu jeder Gelegenheit aufsagt und versichert, sich daran immerzu zu halten. Gert Bietsa hält dagegen – und das tut er an einigen Stellen seines Buches durchaus provokativ.

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Eine zu respektierende Entscheidung

Ich bin Psychologin – „von Haus aus“, wie man so schön sagt. 1990 habe ich mein Diplom gemacht. Und sogar meine Habilitation fand immerhin (2000) noch in der Psychologie statt. Aber von einer „theoretischen Psychologie“ hatte ich nie (bewusst) gehört. Psychologie war für mich immer eine „empirische Wissenschaft“. Und heute ist sie eine naturwissenschaftlich-empirische Wissenschaft, und den Dr. phil. (wie meiner noch lautet) gibt es vermutlich auch kaum noch irgendwo in der Psychologie. Und jetzt, 2016, lese ich dieses Buch von Uwe Laucken mit dem spröden Titel „Theoretische Psychologie“ – und von einem spröden Text kann nicht die Rede sein. 434 Seiten – unscheinbar gedruckt an der Universität Oldenburg, gebunden wie eine Dissertation, die vor allem dazu bestimmt ist, im Regal zu stehen. Wie schade! Denn dieses Buch hat mich beeindruckt; dieses Buch sollte genau nicht im Regal verstauben, sondern gelesen werden; dieses Buch hat mir „meine“ Psychologie wieder ein bisschen zurückgegeben.

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Ein aufmerksamer, mitdenkender, nachbohrender und kritisch konfrontierender Zuhörer

„Sehen Sie, ich bin ja mein akademisches Leben lang nur ein kleiner C2-Professor gewesen, ohne besondere Ausstattung, ohne eigene Assistenten, aber mit einem enormen Zulauf von Studenten, […]. Und es gab auch einen Kollegen, der auf eine schmunzelnde Weise hat durchblicken lassen, dass er das, was ich da tat, nicht wirklich für Wissenschaft hielt.“ (S. 46 f.). Das ist eine Selbstbeschreibung des Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun in einem Buch, das bereits letztes Jahr erschienen ist.

Pörksen, B. & Schulz von Thun, F. (2014). Kommunikation als Lebenskunst. Philosophie und Praxis des Miteinander-Redens. Heidelberg: Carl-Auer.

Schulz von Thun – wer kennt den Kommunikationspsychologen nicht. Mindestens sein „Vier-Ohren-Modell“ ist ja so bekannt wie das Es-Ich-Überich von Freud. Nun hat Schulz von Thun aber keinen neuen Beststeller geschrieben. Vielmehr ist Bernhard Pörksen auf die Idee gekommen, ein – ich nenne es mal – Dialogbuch über ihn und sein Werk zu verfassen. Das Buch ist das Kondensat vieler Gespräche (Pörksen beziffert die Mitschriften auf 600 Seiten) über große und kleinere Fragen. Die rahmende Idee lässt sich vielleicht am besten mit dem Satz umreißen, von dem Pörksen glaubt, dass er das Werk von Friedemann Schulz von Thun auf den Punkt bringt: „Die Qualität der Kommunikation bestimmt die Qualität unseres Lebens“.

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Absurde Perversion der Universitätsidee

Bildung statt Bologna!“, so lautet der programmatische Titel eines schmalen Taschenbuches von Dieter Lenzen, das verschiedene in Zeitungen und Zeitschriften bereits veröffentlichte Beiträge von Lenzen unter drei Kapitel zusammenführt: I. Bologna: Vom Scheitern einer Reform, II. Was ist Bildung?, III. Die Zukunft universitärer Bildung.

Wenn ich mal mit einem Resümee anfange, dann muss ich sagen: Ja, letztlich stimme ich Lenzen zu einem relativ hohen Prozentsatz in dem zu, was er da auf knapp 100 schnell zu lesenden Seiten zusammenstellt (auch wenn ich nicht jeden Satz unterschreiben würde): Das Kopieren des britischen Bachelor- und Master-Systems und der US-amerikanischen Abschlusstypen ohne tiefere Analyse, ob die Bedingungen passen und die Folgen gewollt sind, die Ignoranz gegenüber dem kontinentaleuropäischen Bildungsverständnis und der Idee „Bildung durch Wissenschaft“, das Elend mit der Akkreditierung sowie die Versäumnisse der Hochschullehrer selbst im Bologna-Prozess infolge von Unkenntnis, Fehleinschätzung und/oder Gleichgültigkeit – all das sind Punkte, die Lenzen aus meiner Sicht gut auf den Punkt bringt.

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Hochschuldidaktik 2014

Es nun schon wieder fast zwei Monate her, dass ich den Studientext Didaktisches Design nun das letzte Mal aktualisiert habe – allerdings nur im Hinblick auf ein paar wenige zusätzliche Literaturquellen und wieder mal die Bereinigung einiger Tippfehler.

Hier die aktualisierte Version:

Studientext_DD_April13

Ein letztes Mal aktualisiert heißt: In dieser Form werde ich den Studientext nicht mehr fortführen. Vielmehr wird der (lange gewachsene) Text der Kern einer neuen Schrift zum Didaktischen Design in der Hochschullehre werden. Zusammen mit Sandra Hofhues und Silvia Hartung soll dieses Buchprojekt (keine Sorge: auch im Open Access-Format) realisiert werden. Einen genauen Titel haben wir noch nicht, aber feststeht: Wir wollen ein hochschuldidaktisches Buch machen und damit unter anderem auch UNSER Verständnis von Hochschuldidaktik explizieren.

Heute hatten wir dazu unser „Auftakttreffen“. Wir werden das Buch allerdings nicht in drei Stunden schreiben und auch sonst keinen Geschwindigkeitsrekord an den Tag legen, aber auch kein Jahrhundertwerk daraus machen: Geplant ist, das Buch im Frühsommer 2014 fertig zu haben – ich denke, das schaffen wir. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in diesem Team mit Personen, deren Arbeitsweise mir vertraut ist. Das nämlich ist aus meiner Sicht eine ganz wesentliche Voraussetzung für ein solches gemeinsames Vorhaben, dem ich zuversichtlich entgegensehe.

Was man hört, aber nicht sieht

Sprache: Wie wichtig ist sie im Vergleich zum Inhalt – in einer Hausarbeit, Bachelorarbeit, Dissertation? Nicht so wichtig? Weil es doch auf den Inhalt und nicht darauf ankommt, wie man ihn darstellt? Ich maße mir nicht an, das für Disziplinen und Fächer zu beurteilen, von denen ich keine Ahnung habe. Aber für Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen und für Bildungswissenschaften im Besonderen halte ich die sprachliche Umsetzung der eigenen Gedanken ebenso wie die Widergabe der Gedanken anderer für sehr wichtig. Ich weiß, dass viele Studierende, vielleicht auch einige Doktoranden, das entweder nicht so sehen (und mich für kleinkariert halten) oder aber den Stellenwert der Sprache anders interpretieren. Eine solche andere Interpretation ist z.B. die, dass die Sprache nicht zwingend verständlich, sondern vor allem „wissenschaftlich“ klingen müsse. Und wissenschaftlich klinge es vor allem dann, wenn der Autor als Ich im Text nicht auftaucht (weil die Inhalte dann nicht mehr „subjektiv“ sind), wenn der Text möglichst viele Substantivierungen enthält (weil das die Argumente schwergewichtiger macht), wenn Sätze bevorzugt passiv statt aktiv konstruiert werden (weil das die notwendige Distanz erhöht) und wenn man möglichst viele Botschaften in einen Satz packt und dabei ein hohes Maß an Nebensätzen und Einschüben verwendet (weil sich das dann so ähnlich anhört wie viele der Texte von Wissenschaftlern, die man schon gelesen hat).

Verständlichkeit und Lesefreude – das scheinen für viele (auch für manche Wissenschaftler) die natürlichen Gegenspieler der Wissenschaftlichkeit zu sein. Ich sehe das anders: Wenn jemand einen Text nicht versteht, kann das zwar verschiedene Ursachen haben und natürlich auch am Leser liegen. Wenn aber fortgeschrittene Studierende, die sich anstrengen, oder Wissenschaftler selbst mit Fragezeichen vor einem Text aus ihrer eigenen Domäne sitzen, mühsam das Subjekt und Verb im Satz suchen und sich vergeblich fragen, was der Autor einem wohl sagen will, dann stimmt etwas mit dem Text nicht! Und wissenschaftlich ist es auch nicht, wenn die Verständlichkeit auf der Strecke bleibt: Von Wissenschaft erwarte ich mir Klarheit im Ausdruck und keine Nebelkerzen. Leider aber lernen viele Studierende im Studium genau das: vermeintlich wissenschaftliche, an großen (schwierig zu verstehenden) Vorbildern orientierte, aber leider schlechte Texte zu schreiben.

Ich empfehle Studierenden und Doktoranden gerne, ihre Texte laut zu lesen, bin mir aber sicher, dass es kaum jemand macht (sonst würden sie anders klingen)! Das ist schade. Denn lautes Lesen der eigenen Sätze, die man aufs Papier gebracht hat, ist sehr heilsam: Man hört eher, wie schlecht ein Satz klingt, als dass man es ihm ansieht. Und man hört auch eher, wenn Sätze ihre Botschaft verloren oder eine angenommen haben, die man gar nicht im Sinn hatte. Endlich gibt es jemanden, der meinen (ernst gemeinten, aber offenbar nicht ernst genommenen) Ratschlag teil ;-): Valentin Groebner hat ein kleines Büchlein mit dem Titel „Wissenschaftssprache. Eine Gebrauchsanweisung“ geschrieben (2012). Der Buchtitel ist etwas irreführend und aus meiner Sicht nicht glücklich gewählt. Mit dem ersten Teil des Buches kann ich auch nicht so sehr viel anfangen. Der zweite aber beschreibt sehr schön die Irrungen und Wirrungen der Wissenschaftssprache und das Problem, das Doktoranden (an diese Zielgruppe wendet sich Groebner hauptsächlich) damit haben. Er plädiert für Lesbarkeit, für das „Ich“ im Text und – ja! – für lautes Lesen: „Beim Vorlesen merken Sie … rasch, wie lange es am Beginn eines neuen Absatzes dauert, bis Sie selber verstehen, wovon eigentlich die Rede sein wird. Sie merken auch, wie rasch das bedeutungstragende Substantiv am Anfang erscheint. („Von wem ist die Rede?“) Und Sie merken, wenn Sie das Verb mit lauter Einschüben und Relativsätzen so weit nach hinten geschoben haben, dass im Satz niemand irgendetwas zu tun scheint, oder einfach zu lange damit wartet („Was passiert hier eigentlich?“). Wenn Sie Ihren Text selbst vorlesen (oder noch besser: einem geduldigen Publikum), merken Sie schließlich auch, ob am Ende die Resultate Ihrer Überlegungen wirklich deutlich werden.“ (S. 101 f.) Also: Einfach mal ausprobieren!

Angststeigernd, schreckenerregend und ernüchternd

Unter dem Titel „Der Bologna-Prozess aus Sicht der Hochschulforschung. Analysen und Impulse für die Praxis“, herausgegeben von Sigrun Nickel (erfreulicherweise online hier), gibt es eine aktuelle Zusammenstellung von insgesamt 21 Beiträgen, die aus einer Veranstaltung im Dezember 2010 hervorgegangen sind. Gruppiert sind die Text in fünf Kapitel: (1) Deutschland und Europa im Vergleich, (2) Studiengestaltung und Studierverhalten, (3) Lehrkompetenz und Kompetenzentwicklung bei Studierenden, (4) Institutionelle Rahmenbedingungen und (5) Qualitätsentwicklung und -steuerung.

Ziel des Bandes ist es, vor allem empirische Erkenntnisse zu den genannten Bereichen im Zuge des Bologna-Prozesses zusammenzutragen, um die aufgeheizten Diskussionen, in denen auch zahlreiche Wertfragen (Zweck der Universität, Beziehung zum ökonomischen System etc.) zur Sprache zu kommen, zu versachlichen. Diesem Kernanliegen kann nur zugestimmt werden, allerdings trägt die polemische Kritik an den Kritikern von Bologna eher zur weiteren Frontenbildung bei. So heißt es etwa auf Seite 3: „Wer die bisherigen Veröffentlichungen zur Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland sichtet, stößt fast ständig auf apokalyptisch-reißerisch klingende Titel wie ´Humboldts Alptraum´ (Schultheis et al. 2008), ´Endstation Bologna?´ (Keller et al. 2010) oder ´Akademischer Kapitalismus´ (Münch 2011). In zahllosen Büchern und Artikeln wird der Untergang der Universität beschworen, ausgelöst durch die Einführung gestufter Studienstrukturen, durch Kreditpunktsysteme, der Modularisierung des Curriculums, durch Qualitätssicherungsinstrumente sowie die stärkere Ausrichtung der Lerninhalte auf die Vermittlung beruflich relevanter Kompetenzen. … Während die Hochschulen für angewandte Wissenschaften die Bologna-Reformen offenbar pragmatisch-unauffällig umsetzen, ist im Universitätsbereich ein laustarker Kulturkampf zwischen Bologna-Gegner(inne)n und Bologna-Befürworter(inne)n ausgebrochen“. Dazu ist zum einen zu sagen, dass in den von der Herausgeberin genannten Büchern (z.B. dem von Münch) durchaus auch empirische Erkenntnisse berücksichtigt werden. Zum anderen frage ich mich, warum es nicht möglich sein sollte, neben der Analyse des Ist-Zustands (die in der Tat zwingend erforderlich ist) auch einen Diskurs über den erwünschten Soll-Zustand (der sich auch aus der Kritik am Bestehenden ergibt) zu führen – selbst wenn da nicht alle einer Meinung sind. Letztendlich sind dann die Beiträge aber keineswegs so, wie man auf den ersten beiden Seiten der Einführung vermuten möchte: Sie liefern ein durchaus vielfältiges empirisches Bild über den Ist-Zustand. Dazu kommt, dass die in den Texten referierten bzw. meist kurz zusammengefassten Resultate unter Nutzung sehr verschiedener empirischer Methoden zustande gekommen sind. Die Lektüre lohnt sich auf jeden Fall.

Bei drei Beiträgen bin ich aus verschiedenen, aber jeweils durch persönliche Erfahrungen angestoßenen Gründen etwas länger hängen geblieben:

(1) Der Beitrag von Metz-Göckel, Kamphans, Ernst und Funger beschäftigt sich mit dem „Mythos guter Lehre“ und der Notwendigkeit individueller Unterstützung von Lehrenden. Der Text beginnt narrativ mit folgender Episode: „´Sie waren immer das Schreckgespenst für mich´, sagte Sigrid Metz-Göckel ein kürzlich emeritierter Kollege unverblümt ins Gesicht, als sie ihm anlässlich einer akademischen Feier vorgestellt wurde, und weiter: ´Ich habe immer gegen die Hochschuldidaktik gewettert´. Diese schroffe Direktheit war verblüffend, eröffnete aber ein sehr aufschlussreiches kollegiales Gespräch. Mit ihrem Namen verband der Kollege aus den Naturwissenschaften eine ungemein angststeigernde, ja schreckenerregende Kontrolle seiner Lehre. … Seit Sigrid Metz-Göckel aus dem aktiven Hochschuldienst ausgestiegen ist, haben ihr mehrere Kollegen in informellen Gesprächen ungefragt erzählt, wie ungern sie lehren und wie schwierig es für sie sei, insbesondere die großen Vorlesungen und Pflichtveranstaltungen zu halten.“ Das bedarf keinen weiteren Kommentars: Wer sich um Hochschuldidaktik bemüht, weiß, dass diese Episode keineswegs ein Einzelfall ist.

(2) Bargel reflektiert (allerdings relativ kurz und entsprechend oberflächlich) verschiedene Fragen von Studienqualität vor und nach Bologna. Dabei macht er auf das „Problem Citizenship (öffentliche Verantwortung)“ aufmerksam. Er schreibt: „Es vollzieht sich eine nachweisbare Verarmung an sozialer, politischer und kultureller Betätigung und Verantwortlichkeit. Aber diese Entwicklung hat mehr mit dem Aussterben des Magisters und dem Verblassen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachkulturen zu tun, weshalb Eigenwilligkeit und Engagement immer mehr verschwinden, seit der Jahrtausendwende sogar verstärkt. Durch das Bachelorstudium wird dieser allgemeine Trend dann verstärkt, wenn einseitig auf die Berufsbefähigung gesetzt wird und die Fachkultur der Wirtschaftswissenschaften das dominierende Modell abgibt. Es war daher überfällig, dass von der Konferenz der zuständigen Minister aus den 47 beteiligten Nationen nunmehr auch die ´Citizenship´ als allgemeines Bildungsziel von gleichem Rang wie ´Employability´“. Ob die Ursachenzuschreibung nun so stimmt oder nicht, kann ich nicht beurteilen, aber unabhängig davon, finde ich das Thema im Rahmen eines Hochschulstudiums wichtig – als Aufgabe sowohl der curricularen als auch der methodischen Gestaltung von Studiengängen. Schade, dass es nur in diesem Text und nur so knapp behandelt wird.

(3) Und schließlich habe ich im Text von Becker, Wild, Tadsen und Stegmüller noch gelernt, was „Inplacement“ bei Neuberufenen an einer Hochschule ist. Die Autoren stellen nämlich fest, dass die meisten Hochschulen kein Inplacement-Konzept haben – will heißen, dass Neuberufene keine besondere Unterstützung erhalten, es sei denn, es erbarmt sich einer der Kollegen/innen und nimmt sich dem Neuen an. „Ob Neuberufene eine solche ´unverhoffte Unterstützung´ erfahren oder in den ersten Arbeitstagen mit chaotischen Zuständen und anderen, ernüchternden Eindrücken konfrontiert werden, hängt von zufälligen (personellen) Konstellationen und historisch gewachsenen Gepflogenheiten ab.“ Meine „Inplacement-Erfahrungen“ gehören eindeutig in die zweite Kategorie – und das fing jeweils bereits bei der räumlichen Unterbringung an: Die erste Uni, deren Ruf ich 2001 angenommen hatte, stellte mir einen Raum gefüllt mit Plunder aus dem 1970er Jahren zur Verfügung und sah sich nicht imstande, diesen zu entsorgen. Dafür habe ich dann am Ende meine Ikea-Möbel großzügig ebenfalls an Ort und Stelle gelassen. Die zweite Uni, deren Ruf ich angenommen hatte, toppte dies damit, dass ich zwei Monate gar keine Räume hatte und nur mit großer Mühe welche ergattern konnte. Im Moment liegen diese (EG-)Räume inzwischen auf einer umzäumten Baustelle, sodass die Bauarbeiter immer was zu sehen haben, denn: Auf Vorhänge oder Jalousien warten wir nun schon über ein Jahr vergeblich. Aber okay – das liegt wohl einfach am fehlenden Inplacement-Konzept! Ein Glück, dass ich auf repräsentative Räume eh keinen großen Wert lege. 😉