Geld oder Aufmerksamkeit?

Vielen Dank an Joachim, der in seinem Blog (hier) auf einen Beitrag von Hubertus Kohle zum Thema Open Access und der vor einigen Wochen in vielen Zeitungen dargestellten Streitfrage hinweist, ob das Einscannen von Büchern etwa durch Google einem Kulturkrieg gleichkommt. Der Text trifft die Problematik aus meiner Sicht auf den Punkt und bezieht klar Stellung zu den verschiedensten Angriffen auf einen offenen Zugang speziell zu wissenschaftlichen Inhalten. Ich hatte mich schon Anfang April über einige Beiträge etwa in der ZEIT geärgert (z.B. von Susanne Gaschke, die aber überhaupt ganz offensichtlich einige Probleme mit dem Netz hat), und als dann das in diesem Artikel ebenfalls erwähnte Schreiben von der VG-Wort mit der Aufforderung in der Post lag, ich solle mich mit einer Unterschrift dagegen wehren, dass man mir als Autorin meine Rechte nimmt, habe ich es weggeworfen – es hat mich NICHT überzeugt (hier die VG-Wort-Seite zu diesem Thema).

Nun drückt Kohle in seinem Beitrag aus, was mir nur diffus als Begründung für die „Nicht-Unterschrift“ im Kopf schwirrte. Kohle stellt völlig zu Recht klar, dass es bei wissenschaftlichen Büchern in der Regel um lächerliche Auflagen geht; hier verdienen die Verlage ohnehin anders das Geld als mit dem Verkauf der Bücher selbst (nämlich durch Zuschüsse und die Kosten, die viele Autoren selbst tragen). Er beschreibt ebenfalls, das klassische Dienstleistungen des Verlags oft gar nicht erbracht werden: nämlich Lektorat und Beratung. Da ist es kein Wunder, dass allein für Vertrieb und Marketing der Zulauf zu Book-on-demand-Verlagen wächst – wenn man eh alles selbst machen muss. Hier könnten Verlag umdenken und ihr Spektrum an Dienstleistungen ändern. Wissenschaftler verdienen selten an ihren Schriften und wenn dann sind das Summen, die mal für einen Ausflug oder ein paar Abendessen reichen. Sollte das wegfallen, wird das keinen umbringen. Die Entlohnung besteht halt dann in potenziell höherer Aufmerksamkeit, die ein offener Zugang mit sich bringt. Kohle berichtet auch, dass erste Erfahrungen die Hoffnung bestätigen, dass ein offener Zugriff auf ein Buch, das es auch gedruckt gibt, nicht dessen Verkauf schmälert – im Gegenteil: Es wird durch den offenen Zugang viel bekannter, sodass mehr Leute Lust haben, das Buch zu kaufen (wenn es gut ist). Ich nutze google-books sehr viel, denn es ist einfach hervorragend, wenn ich vorher feststellen kann, ob es sich lohnt, ein Buch etwa bei der BIB zu holen oder über Fernleihe zu bestellen oder eben zu kaufen. Ich kann mir vorher ein Bild machen, um dann das Buch in der Hand zu halten, das ich wirklich brauche. Gut, wer Romane schreibt und davon leben will, der befindet sich in einer andere Situation. Aber mal ehrlich: Wer liest denn einen Krimi am Rechner – am Abend – im Bett? Ich nicht. Schließlich ist der wissenschaftliche Mehrwert infolge von Open Access, den Kohle erwähnt, wichtig: Wissenschaftliche Erkenntnisse können und sollen sichtbar und kritisierbar sein und das sind sie im Netz eben viel besser und umfassender als in Bücherregalen … die bei mir trotzdem voll sind.

Außenseiter

Michael Kerres hat auf einen netten Beitrag in der SZ aufmerksam gemacht (auch Spiegel online hat es abgedruckt: hier): Warum das Bloggen in Deutschlang nicht so recht Fuß fassen kann, erklärt sich der Amerikaner Felix Salmon (bezeichnet als Wirtschaftsblogger) mit kulturellen Unterschieden in Einstellungen und Lebensstilen – wenn man das mal so umschreiben mag (hier der Beitrag). Ich denke, man muss mit den „Charakterzuschreibungen“ je nach nationaler Herkunft vorsichtig sein – intuitiv stimmt man da gerne zu. Interessant wäre es, das empirisch zu überprüfen – allerdings stellt sich dann auch die Frage, was man davon hat, wenn man weiß, ob das stimmt. Was ist meine Meinung zu den 10 Thesen? (Man kann bei Michael übrigens auch einfach nur abstimmen – ich lasse es aber ungern unkommentiert – eine Blogger-Krankheit?)

(1) Kann gut sein, dass wir in Deutschland hierarchiefixiert sind, aber meine Erfahrung ist die, dass man das auch vergleichsweise rasch auflösen kann. Klingt mir also eher nach Ausrede.

(2) Zertifizierte Sicherheit ist sicher ein Phänomen, das wir aktuell in Deutschland besonders beobachten können. Ob das typisch deutsch oder nicht auch eine Folge der manchmal seltsamen europäischen Bürokratisierung ist, wissen Soziologen vielleicht besser. Auf jeden Fall ist da was dran.

(3) Inwiefern es Unterschiede in der öffentlichen Beachtung von Blogs zwischen Nationen gibt, weiß ich nicht: Immerhin gibt es mehr Amerikaner als Deutsche, sodass allein schon aus diesem Grund mehr Beachtung wohl wahrscheinlicher ist. Vielleicht sind auch die Kommunikationswissenschaftler Schuld, die ihren Studierenden immer die Nachrichtenfaktoren einhämmern und auf diesem Wege den Status quo festigen ;-).

(4) In Zeiten wirtschaftlicher Krisen muss man aufpassen, dass man die Angst um (s)einen Arbeitsplatz nicht vorschnell mit Karriereorientierung gleichsetzt. Wenn wir mal im Feld der schon etablierten Akademiker bleiben, ist das eher eine interessante These, denn die könnten es sich prinzipiell leisten. Ansonsten möchte ich Leuten nicht mangelndes Engagement vorwerfen, die nicht wissen, wie sie nächsten Monat ihr Geld verdienen sollen.

(5) Die Angst, Fehler zu machen, ist sicher ein grundlegendes Hindernis beim Bloggen. Eine Fehlerkultur in Bildungsinstitutionen in dem Sinne, dass man sich auch mal irren darf, dass man aus Fehlern lernt, haben wir in Deutschland in der Tat nicht. Man muss beim Bloggen schon grade stehen können für das, was man schreibt (wenn man also öffentlich über fehlgeschlagene Forschungsanträge klagt, muss man damit rechnen, dass einen eine Berufungskommission darauf anspricht, warum das denn nicht geklappt hätte – da darf man dann nicht vom Stuhl fallen ;-)).

(6) Dass man nur als Liebhaber von Schnellschüssen, was die Deutschen angeblich nicht sind, zum Blogger werden kann, glaube ich definitiv nicht. Ich überleg mir schon, was ich hier reinschreibe … wenn auch nicht tagelang.

(7) Blogger sind natürliche Außenseiter und auch noch stolz darauf, womit man in Deutschland nicht weit kommt. Das ist eine interessante These, wobei es wohl darauf ankommt, was man mit „weit kommen“ meint und welches Ansehen von wem und wie vielen man anstrebt. Also das ist ein schwieriges Argument, über das ich mir noch Gedanken machen muss.

(8) Dass die Professorenschaft in Deutschland anders ist als in den USA, mag schon sein. Ich vermute aber, dass da neben nationalen Kulturen auch Fachkulturen eine große Rolle spielen. Fakt ist schon, dass man es in Deutschland nicht immer gern sieht, wenn man z.B. in Turnschuhen einen Vortrag hält – was MIR allerdings ziemlich egal ist 😉 Ausziehen musste ich sie jedenfalls noch nicht. So schlimm kann es also auch in Deutschland nicht sein.

(9) Neben Ruhm und Ansehen schielt der Deutsche aufs Geld und das verdient man beim Bloggen in aller Regel nicht. Letzteres ist zwar richtig, aber das Streben nach Geld, das würde ich doch eher als globales Phänomen betrachten.

(10) Die Liste endet mit „Der Blogger kennt keine Ferien“, auf die der Deutsche angeblich pocht. Hmm, weiß ich nicht. Mit hat Heinz Mandl mal vor ziemlich vielen Jahren, als ich gerade meine Dissertation fertig hatte und in Kürze mein Sohn zur Welt kommen sollte, gesagt: „Ein Wissenschaftler hat keine Ferien“. Diese Aussage erscheint mir näher an der Realität.

Hoffen auf Taten

Sowohl Joachim Wedekind als auch Stefan Aufenanger haben bereits auf ein medienpädagogisches Manifest hingewiesen, das von mehreren Institutionen der Medienpädagogik initiiert und ausgearbeitet wurde. Aktuell werden dazu noch Unterschriften eingesammelt – ich habe es auch unterzeichnet. Die Forderungen sind sinnvoll, allerdings schließe ich mich Stefans kritischem Hinweis an, dass es nun darauf ankommt, dieser Aktion sichtbare Taten folgen zu lassen. Ich habe angeregt, die im Manifest vor allem zum Ausdruck kommenden medienerzieherischen Aspekte noch stärker mit mediendidaktischen Aspekten zu verbinden. Der Hinweis wurde von den Initiatoren durchaus positiv aufgenommen. Im Vorstand der GMW wollen wir über dieses Manifest und die Frage noch diskutieren, wo und in welcher Weise es sinnvolle Verbindungen geben könnte. Ich denke, es ist für alle (medien-)pädagogisch tätigen Personen (in Schule, außerschulischer Jugendarbeit, Sozialarbeit etc.) wichtig, dass bereits an der Hochschule digitale Medien eingesetzt, in ihren Möglichkeiten erprobt und faktisch verwendet werden: Was nutzt es denn, über Chancen und Gefahren zu diskutieren, wenn man diese nicht selbst unmittelbar erlebt? Das kann man aber nur, indem man digitale Medien selbst nutzt, Erfahrungen sammelt etc. Und wo sollte man das tun, wenn nicht an der Universität bzw. in der universitären Ausbildung? Von daher fände ich eine Verknüpfung mehr als sinnvoll – allem voran mit Blick auf die Lehrerbildung. Schlaue Aufsätze ÜBER Medien sind für die spätere Berufspraxis in jedem Fall weniger wertvoll als eigene Erfahrungen MIT Medien, die man DANN natürlich auch theoretisch reflektieren oder zum Anlass eigener Studien machen kann.

Mobilität als Selbstzweck?

Ich frage mich immer öfter, was ich eigentlich von der viel beschworenen Mobilität halten soll. Aktueller Anlass sind einige Pressemitteilungen über die kürzlich zu Ende gegangene Bologna-Folgekonferenz in Leuven (Belgien) – mit einem entsprechenden Kommunikee. In der Pressemitteilung des BMBF heißt es: „Die Erhöhung der Mobilität von Studierenden und akademischem Personal bleibt eines der Kernziele des Bologna-Prozesses.“ Warum ist das ein Kernziel? Wenn man sich von Mobilität erwartet, dass Studierende ihren persönlichen Horizont erweitern, Sprachen lernen, Verständnis für andere Kulturen entwickeln, dann kann ich das nachvollziehen. Allerdings kostet das Zeit, die gerade im Studium infolge des allgemeinen Gehetzes keiner mehr hat. Zudem setzt das ein hohes Maß an Reflexionsfähigkeit voraus.

Ich bezweifle, dass Mobilität an sich bzw. quasi automatisch dazu führt, dass sich Studierende persönlich und fachlich weiterentwickeln. Problematisch finde ich den Umkehrschluss: Wer NICHT mobil im Sinne von Auslandsaktivitäten ist, der hat auch eine persönliche Stagnation zu beklagen. Solche Umkehrschlüsse begegnen mir häufig und erzeugen einen gewaltigen und aus meiner Sicht ungerechtfertigten Druck. Es gibt viele Gründe, NICHT ins Ausland zu gehen, stattdessen im eigenen Land ehrenamtlich tätig zu sein, sich sozial zu engagieren etc. und dabei vergleichbare Ziele einer geistigen Mobilität und Beweglichkeit, Horizonterweiterung und persönliche Entwicklung zu erfahren. Menschen sind verschieden, so auch ihre Wege der persönlichen Bildung in diesem erweiterten Sinne. Immer ist im Zug europäischer Bewegungen von Vielfalt die Rede, während im gleichen Atemzug eine seltsam „Einfalt“ propagiert wird. So gesehen ist der Aspekt der Mobilität bei Bologna möglicherweise ein typisches Beispiel für einen beständig wiederkehrenden Mechanismus: Es gibt eine für Fragen der Bildung an sich gute Idee, die potenzielle Verbesserungen in der Bildungslandschaft verspricht. Um diese Idee auch „durchzusetzen“, wird sie formalisiert (indem z.B. „quantifizierbare Ziele“ definiert werden – was erneut ausgebaut werden soll). Im Zuge dieser Formalisierung bzw. Quantifizierung beginnen sich Indikatoren oder Teile eines Ganzen zu verselbständigen und letztlich vor allem im Zuge von Kontrollverfahren skurrile Züge anzunehmen. Nichts gegen Formalisierung und Quantifizierung – aber doch immer im Bewusstsein, dass es Indikatoren für etwas sind, was sich NICHT in der Gänze formalisieren lässt, was man ergänzen sollte durch andere Formen der Überprüfung.

Erwähnenswert ist noch, dass auch die Situation des wissenschaftliches Nachwuchses verbessert werden soll. Leider ist nicht erwähnt, dass die beste Förderung darin bestehen würde, auch Stellen im Anschluss an die wissenschaftliche Qualifizierung etwa in Form neuer Professorenstellen zu schaffen. Das wäre eigentlich die wichtigste Maßnahm, denn: Was nutzt es dem wissenschaftlichen Nachwuchs, während der Qualifizierung bessere Bedingungen zu haben, um am Ende doch auf der Straße zu stehen?

Didaktische Szenarien trotz Entwurfsmuster

Die Diskussion über die Chancen und Grenzen von didaktischen Entwurfsmustern in Peters Blog (z.B. hier) geht ebenso weiter wie das Bemühen, überhaupt zu einer tragfähigen Definition und theoretischen Rahmung zu kommen. Wem das zu hoch ist ;-), der kann sich einstweilen mit einem neuen Vorschlag zur Kategorisierung didaktischer Szenarien begnügen. Das mir schon ein paar Wochen vorliegende kleine Büchlein mit dem Titel „Didaktik und IT-Service-Management für Hochschulen“ von Schulmeister et al. (2009) ist jetzt dankenswerter Weise auch online – hier – verfügbar. Der neue Kategorisierungsversuch greift einige ältere Überlegungen auf und entwickelt diese u.a. für ein Qualitätsmanagement zu mehreren Skalen weiter. Ich finde den Vorschlag sehr interessant, habe mir dazu auch so meine Gedanken gemacht und hoffe, bald etwas ausführlicher dazu Stellung nehmen zu können. Im Moment komme ich nur nicht dazu. In der Zwischenzeit aber will ich es nicht versäumen, darauf zu verweisen.

Bananenverordnung

Michael Kerres berichtet in seinem Blog (hier) von den wundersamen Wandlungen bei den Vorgaben im Akkreditierungsverfahren. Ihm fallen z.B. die wachsenden Details in den Vorgaben auf: „So darf es nach neuesten Vorgaben keine Abschlussprüfung mehr geben. … Der europäische Standardisierungsprozess sieht eine solche Prüfungsleistung nicht mehr vor. Ähnliche Vorgaben gibt es jetzt für die vorgeschriebene Modulgröße, für den Umfang von Masterarbeiten, für die Dauer von Prüfungen etc. Dabei gelten wesentliche Vorgaben von vor fünf Jahren jetzt nicht mehr. Vor fünf Jahren MUSSTE der Studiengang z.B. englisch firmieren (was ich damals für falsch hielt), nun MUSS er deutsch heißen“. Letzteres belegt zum einen, welche Nichtigkeiten da ins Visier geraten, was wohl anzeigt, dass wir uns offenbar in Richtung Bananenverordnung der EU bewegen. Zum anderen wird deutlich, dass man Dinge zur Vorschrift macht, für die es wenig stichhaltige und vor allem offenbar kaum lange haltbare Argumente gibt.

Jeans oder Anzug?

Wer ist schuld an der Bologna-Misere? Oder ist alles nur ein mieses Gerücht? Wer verbreitet es mit welcher Absicht? Die Meinungen sind geteilt, wie eine ganze Reihe von Beiträgen in der ZEIT demonstrieren – und an sich ist das ja nun wirklich nicht verwunderlich: Verschiedene Antworten kommen zustande durch verschiedene Perspektiven und dadurch, dass Lehren und Studieren in hohem Maße von einzelnen Personen abhängig ist – und die waren schon immer verschieden.

„Heute haben die Professoren die Jeans an und ihre Hiwis den Anzug“ – so die Beobachtung eines Hausmeisters an der Uni Tübingen – eine Beobachtung mit Symbolwert? Ja, das kann gut sein, wenn der „Anzug“ für Karrieredenken und die Jeans für zweckfreies Lesen, Denken und Schreiben stehen sollen. Aber so einfach ist das natürlich nicht! Sich konform zu verhalten, muss nicht Ausdruck von Denkfaulheit sein, und natürlich muss man sich hüten, sich überheblich über die Zukunftsängste junger Menschen zu erheben, keinen Job zu bekommen. Und daran ist der Bachelor schuld? Auch das wäre zu einfcah. Heinz-Elmar Tenorth findet seine Bachelor-Studierenden „wissbegierig, bildungsinteressiert und fleißig“. Eine in einem anderen Beitrag zitierte Studentin dagegen ärgert sich über Kommilitonen, die Leistungspunkte wie Rabattmarken im Supermarkt sammeln. Wer hat Recht? Die Frage ist aus meiner Sicht falsch gestellt: Jeder berichtet da aus seiner Warte und ich kenne sowohl die bildungsinteressierten Studierenden als auch die Punktejäger – je nachdem, ob sie sich für das interessieren, was ich anbiete, oder eben nicht. Neben dem Studierverhalten gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Aspekte, die mal als kritisch, mal als unproblematisch in den neuen Studiengängen dargestellt werden: Auslandssemester und Betreuungsfragen kommen z.B. am häufigsten vor. Für jede Pro- und Contra-Sicht gibt es Beispiele und Argumente, die überall zustimmendes Nicken auslösen – auch wenn sie sich widersprechen.

Ein Studium ist allem voran von den beteiligten Personen abhängig: von den Studierenden und von den Lernenden. Die unterscheiden sich – das war schon immer so und das wird auch so bleiben. 100 Prozent Zufriedenheit auf beiden Seiten – das gibt es nicht. Wenn die Anrechnung von Leistungspunkten aus dem Ausland nicht klappt – sorry, aber da ist es eine Ausrede, wenn man die Politik dafür verantwortlich macht. Das macht der Prüfungsausschuss und der besteht aus Professoren. Das haben wir also als Hochschullehrer selbst in der Hand. Wenn man keine kreativen (und bedarfsorientierten) ad hoc-Lösungen in der Lehre mehr umsetzen kann, weil das nicht im akkreditierten Studiengang steht – ja, das ist schon schlechter: Da kann man als Hochschullehrer nicht so einfach den Weg gehen, den man inhaltlich an sich vertreten kann. Hier hat man uns bereits Handschellen angelegt. Setzen wir uns darüber hinweg und gefährden eine Akkreditierung, dann hat man Ärger am Hals – von den Kollegen und vielleicht auch von den Studierenden. Wenn die versprochene Betreuung im Bachelor nicht besser wird, dann reichen wir nochmal tiefer an tatsächlich bildungspolitische Grundsatzprobleme heran: „Schauen Sie sich den Stapel in meinem Büro an. Ich habe eine Siebentagewoche. Neun Stunden Lehrverpflichtung sind einfach nicht zu leisten, wenn man die neuen Lehr- und Lernformen ernst nimmt. Sie müssen die Mentoren und Tutoren für die Lehre betreuen, Reader mit der wichtigsten Literatur erstellen, auf studentische Kritik an den Lehrveranstaltungen eingehen. Und dann sollte man als Professor auch noch exzellent forschen, denn nach der Forschungsleistung bemessen sich der Erfolg und die finanzielle Zuweisung. Das ist irre! Man kann nicht verlangen, dass Studenten hierzulande so gut wie in Harvard betreut werden, aber kein Geld dafür investieren.“ Ternoth trifft einen wichtigen Punkt mit dieser Aussage – das kann ich nur unterstreichen!

Wir haben mit Bologna eine überfällige Reform der Hochschulen angeschoben, aber irgendwie hat man da zwei Esel vor einen langen und schweren Güterzug gespannt … und ihnen moderne Flyer umgehängt. Bei mir verursacht die ganze Exzellenz- und Wettbewerbsrhetorik im Zusammenhang mit Bologna inzwischen gewltigen Ärger, obschon ich rein gar nichts gegen Modularisierung, gegen Leistungspunkte und studienbegleitende Prüfungen habe. Und wieso sollte man als Hochschullehrer etwas dagegen haben, Studierende „berufsfähig“ zu machen – ja was sonst? Aber wieso bitteschön, sollten Wissenschaft und Forschung, auch ein forschendes Lernen, das Eindenken in eine Wissenschaft NICHT dabei helfen, einen Beruf verantwortungsvoll auszuüben? Wer um Gottes Willen hat denn in die Welt gesetzt, dass man sich Berufsfähigkeit nur in Trainings für Präsentieren und interkulturelle Kommunikation holen kann? Warum sollte man Forschungsmethoden erst im Master lernen – was ist denn das für ein Blödsinn? Wer den verzapft, der kann nie verstanden haben, was Wissenschaft, was wissenschaftliches Denken und Handeln gerade auch für praktische Problemlösungen leisten kann. Natürlich muss man dann die Brücke zur Praxis in der Lehre auch schlagen, indem man wissenschaftliche Angebote ergänzt durch Praxiskontakte und Projektseminare mit der Wirtschaft, durch Praktika und Kooperationen außerhalb der Uni.

Nicht die Grundidee von Bologna nimmt uns die Luft zum Atmen, sondern die bürokratische Umsetzung, der Unsinn mit den Akkreditierungsagenturen und die wiederholten Versuche, Studierende und Hochschullehrer gegeneinander auszuspielen – was auch die Medien gerne tun, die ja von den Schlagzeilen-tauglichen dummen Studierenden ebenso leben wie von den faulen Professoren. Ich hätte gerne Professoren in Jeans UND Anzügen; mir ist es völlig egal, ob Studierenden grüne Haare haben (haben sie aber nie – warum eigentlich nicht?) oder im Business-Kostüm herumlaufen. Das muss doch jeder selber wissen. Ich habe eher Angst vor Uniformität und davor, dass wir allesamt verlernen, selbst zu denken, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln und einen persönlichen Weg zu finden, dass wir uns nicht mehr trauen, blödsinnige Regeln schlichtweg NICHT zu befolgen.

Freiheit und Utopie

Freiheit und Utopie – das sind starke Worte, die da den taz-Kongress zum 30-jährigen Bestehen der Zeitung (letzte Woche) schmücken. Auch das Thema „Lernen 2.0“ (weil es mehr Freiheit verspricht oder eine Utopie bleibt?) wurde diskutiert – und zwar in einer Runde, in der Mandy vertreten war. Sie hat denn auch dankenswerter Weise in ihrem Blog eine Zusammenfassung (hier) gegeben. Im taz-Blog selbst findet sich außer der Ankündigung enttäuschender Weise nichts (oder habe ich es nur nicht gefunden?), obschon es doch nur konsistent wäre, hier etwas aktiver ein Vorbild zu sein. Auch die Artikel-Serie (ich habe hier davon berichtet – und damit endlich mal eine kleine Diskussion ausgelöst ;-)) scheint ja erst mal nicht weitergegangen zu sein: Wann also kommt das Lernen 2.0 (bei der taz) wieder in Gang?

Nachtrag: Im Kommentar nun doch ein Link auf die (verstpäteten) Blogbeiträge, die es zum Kongress zu lesen gibt. Danke für den Hinweis.

Universitäre Praxis als Ressourcenmanagement

Angeregt durch die Lektüre von Richard Münchs „Globale Eliten, lokale Autoritäten“ (auf Rezensionen dazu habe ich hier verwiesen) lese ich gerade einige Artikel aus dem Sammelband „Wissenschaft unter Beobachtung. Effekte und Defekte von Evaluationen„, herausgegeben 2008 von H. Matthies und D. Simon (VS Verlag für Sozialwissenschaften). Die dort versammelten Autoren (mit Ausnahme des letzten: der ist Restaurantkritiker und bringt eine treffende Analogie für die „Evaluitis“ aus dem Bereich der Sterne-Restaurants) stammen (fast) alle aus dem weiten Umkreis von (Wissenschafts-)Soziologie und Politikwissenschaft. Für Psychologen und Pädagogen ist das daher nicht ganz so einfach zu lesen, aber äußerst anregend. Das Buch ist ein sehr gutes Pendant zu Münch, der natürlich einen eigenen (für mich an vielen Stellen durchaus überzeugenden) Argumentationsstil hat und sicher nicht alle möglichen Argumente und Sichtweisen entfalten kann, wenn es darum geht, Phänomene wie New Public Management und die damit verbundene Ökonomisierung von Bildung und Wissenschaft zu beschreiben und einzuschätzen.

Ein Beitrag beschäftigt sich mit der unternehmerischen Orientierung von Wissenschaftsorganisationen, der mich immer wieder daran erinnert, dass es Zeit wird, das auch von mir bearbeitete Thema „Wissensmanagement“ in öffentlichen und nicht kommerziell ausgerichteten Organisationen vor diesem Hintergrund noch kritischer zu beleuchten. In der Überarbeitung meines Studientextes (bei dem aber das letzte Kapitel leider immer noch aussteht; siehe hier) habe ich das bereits berücksichtigt, aber nachdem ich in den letzten Wochen wegen zweier im Juni anstehender Vorträge vermehrt Texte zum hier angerissenen Themengebiet gelesen habe, muss ich darüber noch vertiefter nachdenken. Leider gibt es zum Band von Matthies und Simon nichts online.

Zitiert wird in einem Artikel aber ein kurzer und lesenswerter Artikel von David Gugerli, Professor für Technikgeschichte an der ETH Zürich (2005), der die unternehmerische Ausrichtung der eigenen Universität zum Ausgangspunkt einiger Ausführungen nimmt (hier): Die forschungsorientierte Hochschule des 21. Jahrhunderts folge – so schreibt er – den Regeln des New Public Management und werde mit unternehmerischen Controlling- Technologien überwacht, sodass aus ihrer akademischen Autonomie eine betriebswirtschaftliche Budgetautonomie geworden sei. Aus der Managementkultur – so Gugerli – folge ein Zwang zur Formalisierung, der Inhalte oft zu einer zweitrangigen Sache werden lasse oder sogar die Wirkung von negativen Anreizen habe, in jedem Fall die in der Wissenschaft so notwendige Kreativität untergrabe. Zitat: „Management ist als Topos … allgegenwärtig – der Zuwachs der Bedeutung universitärer Verwaltung ist unübersehbar. Er geht einher mit einer zunehmenden Marktförmigkeit der Produkte und der Sozialbeziehungen innerhalb der Hochschule, und er verwandelt universitäre Praxis in eine Sonderform von Ressourcenmanagement.“

Eines frage ich mich: Wenn sich doch offenbar eine ganze Reihe von Hochschulangehören aus verschiedenen Disziplinen einig sind, dass der jetzt eingeschlagene Weg zwar eine notwendig andere Richtung nimmt als früher (denn früher war ja wohl nicht alles besser), aber offenbar nicht der richtige, sondern ein für das Gefährt sogar riskanter Weg ist (deren Wegweiser verwirrend und auch nicht immer glaubwürdig sind), warum bleiben wir dann nicht stehen und suchen einen anderen? Warum traben wir weiter zwanghaft auf diesem Weg weiter?

Rückendeckung auf Verbandsebene

Im aktuellen Newsletter des Deutschen Hochschulverbands (DHV) heißt es: „Der Deutsche Hochschulverband (DHV) will seinen Forderungen nach einer grundlegenden Umgestaltung des Akkreditierungswesens in Deutschland notfalls dadurch Nachdruck verleihen, dass er seine 24.000 Mitglieder aufrufen wird, sich als Gutachter für Programmakkreditierungen zukünftig nicht mehr zur Verfügung zu stellen.“ (Pressemeldung) Wieso „notfalls“? Wieso überhaupt ein Aufruf? Wenn man selbst drüber nachdenkt (siehe hier), kommt an sich auch allein drauf, dass an diesem System etwas nicht stimmen kann. Aber klar: Es wäre schon gut so ein Aufruf vom DHV, denn sowohl der Newsletter als auch die Zeitschrift „Forschung und Lehre“ werden viel gelesen. Und mein Vorschlag in der Kleinst-Community der bloggenden Hochschullehrer hätte Rückendeckung auf Verbandsebene. Das wär doch was 🙂