Während des Lockdowns und der erzwungenen Online-Lehre an unseren Hochschulen zwischen Anfang 2020 und Frühjahr 2022 habe ich mich oft gefragt, wie es dabei dem Konzept des forschenden Lernens „ergeht“ (siehe z.B. hier und hier). Mit Ausnahme einiger fortschrittlicher Projekte etwa zu virtuellen Laboren, in denen auch von zuhause naturwissenschaftliche Experimentalforschung möglich sein kann, war mein Eindruck: Das über viele Jahre wieder so viel diskutierte forschende Lernen hatte in der Pandemie das Nachsehen. Nun gibt es ein Buch mit dem vielversprechenden Titel „Undergraduate research in online, virtual, and hybrid courses. Proactive practices for distant students” herausgegeben von Coleman, Hensel und Campbell.
Wissenschaftsdidaktik – auch ohne Drittmittel
Bald (Ende Oktober) ist es so weit und der erste Band der Reihe Wissenschaftsdidaktik beim transcript Verlag ist verfügbar: als Buch zum Kaufen sowie digital im Open Access. Aus dem Klappentext:
„In der Wissenschaft sind Erkenntnisziele, aber auch ein spezieller Weltaufschluss angelegt. Diesen zu vermitteln, ist Aufgabe der Wissenschaftsdidaktik. Was aber bedeutet es, Wissenschaft institutionell zu einem Gegenstand des Lehrens und Lernens zu machen? Die Beitragenden des Bandes liefern eine disziplinenübergreifende Einführung in die Wissenschaftsdidaktik, die sich mit grundlegenden konzeptionellen Fragen sowie Einordnungs- und Deutungsversuchen aus verschiedenen Perspektiven befasst. Hochschullehrende sowie praktisch und forschend tätige Personen in der Bildungswissenschaft finden hier leichten Zugang zur Wissenschaftsdidaktik und ihren innovativen Erkenntnispotenzialen.“
DBR-Pläne für die Zukunft
Zum zweiten Mal in diesem Jahr habe ich meinen Reader zu Design-Based Research (DBR) aktualisiert, der alle Artikel beinhaltet, die ich allein oder zusammen mit Kolleginnen und Kollegen zu DBR verfasst habe. Diese Zusammenstellung ist hier online abrufbar. Manchmal denke ich mir, dass es an der Zeit wäre, mal ein Resümee zu ziehen, wie sich für mich – nach so vielen Jahren der Beschäftigung mit diesem Thema – DBR heute darstellt. Hätte ich ausreichend Zeit dafür, würde ich an sich gerne eine kleine Monografie verfassen für alle, die in DBR einsteigen und diese Form des Forschens praktizieren möchten. Mal sehen, vielleicht lässt sich das ja mal verwirklichen …
Ein wissenschaftsdidaktisches Gespräch
Ich beende die Blogpause mit einem neuen Impact Free-Artikel: Im Sommer habe ich mich mit Martin Schmidt und Frank Vohle unterhalten, die gemeinsam ein interessantes Lehrexperiment in der Mathematiklehre gemacht haben. Herausgekommen ist ein – wir nennen es – wissenschaftsdidaktisches Gespräch, das wir hier dokumentiert haben. Das Gespräch wie auch die Dokumentation waren meiner Einschätzung nach sehr fruchtbar und den Aufwand wert. Ich hoffe, der Beitrag ist auch für andere von Relevanz.
Blogpause Sommer 2022
Dieser Blog geht im August in die Sommerpause. Für mich war es ein in vieler Hinsicht nachdenkliches Jahr – und ich meine jetzt das Jahr zwischen Somme 2021 und 2022. Pandemie, Krieg, Energiekrise, weltweite Verschiebungen auf der einen, der „großen globalen“, Seite, verschiedene persönliche Momente der Unsicherheit und Resignation wie auch des Aufrappelns und Weitermachens auf der anderen, der „kleinen individuellen“, Seite. Der gemeinsame rote Faden für mich ist die wachsende Ungewissheit, oder vielleicht sollte man es so formulieren: die zunehmende Einsicht, dass Sicherheit eine Illusion ist, die einfach nicht mehr so funktioniert, wie wir das lange gewöhnt waren.
Trotz allem wünsche ich denjenigen, die ihre Sommerpause noch vor sich haben (und allen anderen, die diesen Blog lesen, natürlich auch), eine gute Zeit: Zeit zum Erholen, zum Nachdenken, zum Auftanken von Ideen dazu, wie wir zumindest einen kleinen Beitrag leisten können, um die Welt ein wenig besser zu machen.
Allmählich gereift
Richtig gute Texte haben – freilich nicht immer, aber oft – eine eigene, mitunter sogar lange, Geschichte, will sagen: Sie sind nicht eben mal nebenher geschrieben, sondern allmählich gereift, dank Testleserinnen rundum geprüft, mehrfach umgeschrieben – mit einem persönlichen Erkenntniswert. Das unterscheidet ein epistemisches Schreiben von einem – ich sage mal – rein kommunikativen Schreiben. Selbstverständlich kann nicht jeder Text (auch nicht im Wissenschaftsbereich) ein Produkt epistemischen Schreibens sein. Manchmal ist der kommunikative Zweck schlichtweg ausreichend und primär.
Umschreiben, bis es passt
Unter „Online first“ ist nun seit kurzem mein Beitrag zu Design-Based Research-Standards im EDeR Journal hier veröffentlicht worden. Das Thema ist mir wichtig insbesondere im Kontext der Lehre zu Design-Based Research (DBR) inklusive DBR-Qualifikationsarbeiten. Der Text war von Anfang an als Einladung zur Diskussion gedacht. Umso mehr freut es mich, dass tatsächlich auch (mindestens) drei Diskussionsartikel zu diesem Text angekündigt sind, die hoffentlich bald erscheinen.
Warum DBR wichtig ist
Es gibt einen neuen, aus meiner Sicht, interessanten DBR-Text: Hoadley, C. & Campos, F.C. (2022). Design-based research: What it is and why it matters to studying online learning. Educational Psychologist.
Der Beitrag ist thematisch in der Erforschung von Online-Lernen verankert; ich würde ihn aber keinesfalls darauf beschränkt sehen. Im Fokus stehen ein aktueller Überblick über DBR und die Frage, welche Wissenstypen aus DBR-Projekten resultieren können. Die Autoren schlagen zudem eine eigene Modellierung vor. Der Anhang enthält instruktive Informationen zu Begriffen und Methoden, die DBR ähnlich sind. Einige Aspekte aus dem Text möchte ich im Folgenden kurz besprechen:
Menschen-„on-demand“
Die Europäische Kommission hat vor ziemlich genau zwei Jahren im Rahmen der Initiative „Europäische Hochschulen“ die Etablierung eines Wissensaustauschs zwischen Hochschulen und Unternehmen vorgeschlagen und eine entsprechende Umgestaltung der Hochschulen angemahnt. Eike Zimpelmann deckt in den Formulierungen der Europäischen Kommission eine „radikal-utilitaristische Haltung“ auf und kritisiert die menschenverachtende Haltung, die in der verwendeten Sprache – wie beispielsweise „Menschen-´on-demand´“ – zum Ausdruck kommt. Gerne bin ich der Bitte von Eike Zimpelmann nachgekommen, seinen Text mit einem Plädoyer an die Wissenschaft (insbesondere an die Hochschuldidaktik, die übrigen Bildungswissenschaften und Hochschullehrende), dagegen deutlich Stellung zu beziehen, bei Impact Free zu veröffentlichen. Der Beitrag ist online hier verfügbar.
Damit arbeiten, was man hat
Während der Lockdown-Semester im Zuge der COVID-19-Pandemie sind Selbstlernmaterialien in der Gunst von Hochschullehrenden gestiegen, und das aus gutem Grund: Alles musste schnell gehen – die Umstellung von Präsenzlehre auf Online-Lehre, die Erarbeitung von Audios und Videos, die Konzeption von Lehrangeboten bestehend aus synchronen und asynchronen Elementen usw. Kaum jemand hatte Zeit für längere Workshops, viele suchten Beratung in einem Ausmaß, das hochschuldidaktische Einrichtungen kaum bedienen konnten. Etliche Hochschulen haben während dieser Zeit begonnen, Lehrpersonen mit Handreichungen, Videos und Links zu anderen hochschuldidaktischen Quellen zu unterstützen. Auch wir am HUL haben – wie die anderen ebenfalls unter Zeitdruck – einige Unterlagen zusammengestellt (vor allem Gunda Mohr und ich selbst).